Streit um gentechnische Drogen-Hefe

Lange hatten ausschließlich Profis Zugang zur Gentechnologie. Heute kann jeder zu Hause Erbgut vermehren und verändern. Was passiert, wenn auch Kriminelle diese Möglichkeiten nutzen?

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Bierhefe-Zellen

Mit Genmodifikationen können solche Bierhefe-Zellen nicht nur Alkohol, sondern auch ein Opioid produzieren.

(Bild: Thomas Deenrinck/SPL/Agentur Focus)

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Noch ist diese Frage rein hypothetisch. Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten zeigen aber ihre Aktualität, berichtet Technology Review in seiner neuen Ausgabe (am Kiosk zu kaufen oder online zu bestellen). So verkündete beispielsweise Christina Smolke von der Stanford-Universität Anfang August im Fachblatt Science die Konstruktion von Hefestämmen, die ein fertiges Opioid-Medikament aus Zucker produzieren können: Hydrocodon, ein dem Codein ähnliches Schmerz- und Hustenmittel. 23 Gene aus Pflanzen, Bakterien, Säugetieren und anderen Hefen hatte Smolkes Team in den letzten zehn Jahren dafür in die gewöhnliche Bierhefe eingebaut.

Experten haben diesen Durchbruch kommen sehen, denn bereits einige Monate zuvor zeigten mehrere Forschergruppen unabhängig voneinander Hefestämme, die bereits Teile dieser Synthesekette abarbeiten. Schon im Mai schlug Kenneth Oye vom MIT in Nature Alarm. Es sei zwar "biotechnisch nicht trivial" einen Hefestamm zu erzeugen, der Opioide aus Zucker produziert. Dennoch fordern er und seine Kollegen, die Forschung an den neuen synthetischen Hefestämmen streng zu regulieren.

Denn Oye fürchtet nicht nur, dass sich Drogenkartelle der Technologie bemächtigen könnten, sondern dass sie sich auch für simple Heimlabors eignet: "Jeder mit Zugang zu den Hefestämmen und elementaren Kenntnissen von Gärungsprozessen wäre in der Lage, Morphin-produzierende Hefe mit ein paar Gerätschaften zum Bierbrauen wachsen zu lassen."

Smolke will dieses Argument nicht gelten lasse. "Wir haben die Opioid-Hefestämme unter Heimlaborbedingungen wachsen lassen, und sie sind unter diesen Bedingungen nicht in der Lage, Opioide zu produzieren", sagt sie. Wenn überhaupt würden Do-it-yourself-Biologen nur minimale Mengen gewinnen können. Für eine einzige Dosis des Wirkstoffs müsste eine Hefekultur von "mehreren Tausend Litern angesetzt werden", schätzt sie. "Das dazu nötige Labor passt in keine Garage."

"Kernwaffen können durch Gewehre, Schlösser und Wachen gesichert werden, weil sie teuer herzustellen und die Rohmaterialien schwer zu beschaffen sind", meint hingegen Rob Carlson, Chef von Biodesic, einer Beratungsfirma in Seattle, die Regierungen und Unternehmen über Sicherheitsfragen von Biotechnologien berät. Biotechnik hingegen sei vergleichsweise billig, und praktisch alle Zutaten sind beschaffbar – zumindest für kriminelle Kartelle.

Es habe schon einmal nicht funktioniert, Fermentationsprozesse restriktiv zu regulieren, sagt Carlson, und verweist damit auf das Scheitern der Prohibition. Auf der anderen Seite hält er es jedoch nicht für den richtigen Weg, aus blindem Aktionismus vorschnelle Restriktionen einzuführen. Das könne wie bei der Prohibition ungewollte Folgen haben. Vorerst scheint es daher nur eine Maßnahme zu geben: Das Problem im Auge behalten.

  • Mehr dazu lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von Technology Review (am Kiosk zu kaufen oder online bestellbar)

(jle)