„Wie Marmelade über dem Molekül“

Gianaurelio „Giovanni“ Cuniberti im Interview mit Technology Review über Moleküle als zukünftige Grundlage moderner Elektronik.

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Von
  • Edda Grabar
Inhaltsverzeichnis

Wie wäre es wohl, wenn nicht mehr konventionelle Transistoren, sondern winzige organische Moleküle den Prozessor brummen lassen? „Darauf wird man noch warten müssen“, sagt Gianaurelio „Giovanni“ Cuniberti. Der Fachmann für Theoretische Physik an der Universität Regensburg taucht Tag für Tag in eine Welt, die noch irgendwie unmöglich erscheint. Erst Ende 2005 hat er ein Buch über Molekulare Elektronik mit Kollegen herausgebracht. Nun fanden er und seine Mitarbeiter tatsächlich ein Molekül, dass Elektronen leiten oder blockieren kann – und veröffentlichten ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von Nature Nanotechnology (M. del Valle, R. Gutiérrez, C. Tejedor, and G. Cuniberti. "Tuning the conductance of a molecular switch", Nature Nanotechnology 2, 176 (2007). dx.doi.org/10.1038/nnano.2007.38 ). Im Interview mit Technology Review erklärt er, warum Moleküle die Grundlage moderner Elektronik bilden können.

TR: Herr Cuniberti, was hat ein Molekül-Schalter in einem Computer zu suchen?

Cuniberti: Um ehrlich zu sein, bislang noch gar nichts. Alle Prozessoren laufen hübsch mit konventionellen Halbleitern. Doch das könnte sich bald ändern. Bei großen IT-Firmen wird längst über das so genannte Molecular Computing nachgedacht und geforscht.

TR: Moleküle lassen sich viel schwieriger in den Griff bekommen als winzige Leitungen. Warum tut man sich das an?

Cuniberti: Die Antwort ist einfach: Leistungsdruck. Rechner müssen immer mehr Informationen verarbeiten. Das Moore’sche Gesetz, benannt nach dem Gründer und früheren Vorstand von Intel, Gordon Moore, besagt, dass sich alle zwei Jahre die Geschwindigkeit von Prozessoren verdoppelt, während sich ihre Größe gleichzeitig halbiert. Nun stoßen wir langsam an unsere Grenzen. Die kleinsten Halbleitertransistoren sind etwa 90 Nanometer groß. Das ist schon ziemlich klein.

TR: Computer berechnen heute hochkomplexe Klimadaten. Mehrere hundert Gigabyte im Handyformat sind längst keine Vision mehr. Braucht man tatsächlich immer mehr Leistung?

Cuniberti: Schauen Sie sich die historische Entwicklung an. Im Prinzip waren bereits die Webmaschinen um die vorletzte Jahrhundertwende große, kantige Computer. Rein über Mechanik haben sie komplizierte Arbeiten vollbracht. Anschließend folgten die Vakuumröhren, die aber zum Beispiel in Gitarrenverstärkern ab einem gewissen Pegel grausige Nebengeräusche verursachten. Ein echter Fortschritt kam mit den integrierten Halbleitertransistoren, die in heutigen CPUs die Rechenarbeit übernehmen. Auf Englisch bezeichnet man diese Entwicklung als Topdown-Prozess. Die Japaner haben es vor Hunderten von Jahren mit den Bonsaibäumen vorgemacht: Sie haben sich die großen Bäume zum Vorbild genommen und so lange beschnitten, bis sie im Miniaturformat wuchsen. Nun aber geht es kaum noch kleiner, und wir müssen umdenken und den umgekehrten Weg im Bottom-Up-Prozess gehen.

TR: Und wieder größer werden?

Cuniberti: Nicht größer, sondern komplexer. Sehen Sie, Moleküle sind nur wenige Nanometer groß, aber sie haben die Fähigkeit, sich zu komplexen Netzwerken zusammenzufinden. Der erste Schritt ist aber, die kleinste funktionelle Einheit, aus der die Rechner aufgebaut sind, zu ersetzen.

TR: Sie haben in der aktuellen Ausgabe von Nature Nanotechnology einen der wohl kleinsten molekularen Stromschalter beschrieben.