Prozac für den Hund

Antidepressiva für Tiere? In den USA sind sie bereits erhältlich. Pharmafirmen halten den Markt für äußerst lukrativ.

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Von
  • Emily Singer

Ängstliche Hunde, die jedes Mal ein großes Chaos hinterlassen, wenn sie ihr Besitzer einmal länger als zehn Minuten allein lässt, können in Amerika inzwischen mit einem Medikament behandelt werden: Der Wirkstoff Fluoxetine, den man aus dem bekannten Antidepressivum Prozac kennt, wurde vom Pharmakonzern Eli Lilly tiergerecht verändert. Das neue Tiermedikament mit dem schönen Namen "Reconcile" ("Ausgleich") lässt sich vom Hund zerkauen und wurde mit einem Geschmack versehen, den Bello mag. Das Vierbeiner-Prozac ist nur der neueste unter einer ganzen Reihe von Wirkstoffen, die speziell bei Tierhaltern vermarktet werden.

Der Markt für Hundepharmazeutika wächst. Reconcile wurde von den amerikanischen Aufsichtsbehörden im Februar zugelassen, nachdem klinische Studien zeigten, dass das Mittel die Symptome von Trennungsängsten bei Hunden deutlich senkt. Dieses Problem, das bei Bello & Co. unter anderem zu einer unbändigen Zerstörungswut im Falle des Alleinlassens führen kann, betrifft rund 10 bis 20 Prozent aller in den USA zu Hause gehaltenen Hunde. Der Schweregrad ist dabei unterschiedlich: Manche Hunde zerstören die Wohnungseinrichtung, während andere unentwegt jaulen oder bellen oder Kot und Urin hinterlassen. Eli Lilly hat sich neben dem Wirkstoff auch noch ein Therapieprogramm für Hunde einfallen lassen – dieses geht mit der Gabe von Reconcile einher. Der Pharmakonzern hat für Haustiermedikamente extra eine eigene Abteilung gegründet.

"Tiergefährten" nennt das Unternehmen Haustiere in seiner Werbung. Bei den für sie gedachten Medikamenten handelte es sich bislang vor allem um Wirkstoffe, die eigentlich für den Menschen gedacht sind und für Tiere angepasst wurden. Die Entwicklungskosten waren für nicht darauf spezialisierte Pharmafirmen früher insgesamt zu hoch, um allein für den Heimtiermarkt zu entwickeln. Inzwischen werden klinische Tests mit Hunden und Katzen aber durchgeführt, weil der Markt zunehmend interessanter wird: Neben der Umwidmung bestehender Wirkstoffe werden auch Mittel wiederbelebt, die den Testprozess am Menschen nicht ganz überstanden haben.

"Die Beziehung zwischen Mensch und Tier hat sich in den letzten Jahren geändert, glaube ich", kommentiert Dawn Boothe, Tierinternist und klinischer Pharmakologe an der Auburn University. "Die Leute meinen inzwischen, dass ihr Haustier ein Mitglied der Familie ist, für das es sich lohnt, die Kosten für Medikamente auszugeben, die für Menschen entwickelt wurden. Die Pharmafirmen haben das verstanden."

Zwei weitere spektakuläre Haustiermedikamente wurden in den USA 2007 zugelassen: Slentrol, der erste Diätwirkstoff für Hunde – und Cerenia gegen Reisekrankheit bei Bello. Beide Produkte stammen vom Pfizer-Konzern. Im Gegensatz zu Reconcile wurden deren Inhaltsstoffe allerdings nie für den Menschen verschrieben. Dirlotapid, der Wirkstoff in Slentrol, wurde ursprünglich am Menschen ausprobiert. Allerdings ergab sich in klinischen Tests, dass die Nebenwirkungen nicht zu tolerieren waren. (Allerdings werden Zusammensetzungen der gleichen Klasse weiterhin für die Verwendung als Cholesterinsenker getestet.)

Veterinäre finden die Entwicklung expliziter Haustiermedizin durchaus spannend – besonders, wenn sie zuvor klinisch getestet werden. "Prozac ist ja ein Medikament, dass wir seit Jahren nutzen. Dass es nun auch bei Hunden zugelassen wird, zeigt, dass es dort sicher und wirksam ist." Obwohl Forscher bereits Medikamente an Katzen und Hunden testen, haben die großen Pharmafirmen bislang wenig Interesse daran gehabt. Dabei gibt es durchaus interessante Kandidaten: Nicholas Dodman, Tierverhaltensforscher und Veterinär an der Tufts University, weiß etwa von einem Wirkstoff, der beim Menschen gegen Demenz hilft. Er kann bei Tieren gegen Zwangsstörungen verwendet werden. Pharmafirmen haben bislang allerdings noch kein Interesse gezeigt.

Lillys neue Haustierabteilung will nun aber Moleküle aus seiner großen Bibliothek an Wirkstoffen testen, um Fettleibigkeit und andere Tierkrankheiten zu heilen. Dabei geht es um Dollar und Cent: Lässt sich ein Wirkstoff "zweitverwerten", werden die Forschungsgelder besser wieder hereingeholt. "Selbst wenn nur zwei Millionen Hunde mit Trennungsängsten weltweit behandelt würden, wäre das sicher ein Markt. Die Tierhalter zahlen dann 50 Dollar im Monat allein dafür." (bsc)