Durchbruch bei der Quanten-IT?

Das kanadische Start-up D-Wave hat kürzlich den nach eigenen Angaben weltweit ersten praktisch einsetzbaren Quantencomputer vorgestellt. Doch Quanten-IT-Experten bezweifeln das. Im Gespräch nimmt Firmengründer Geordie Rose nun Stellung zur Kritik.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Jason Pontin
Inhaltsverzeichnis

Am 13. Februar war es soweit: Da zeigte das junge Unternehmen D-Wave Systems aus Burnaby im kanadischen Bundesstaat British Columbia nach eigenen Angaben "den weltweit ersten kommerziellen Quantenrechner". Der Name des Computers: "Orion".

Die Vorführung im traditionsreichen Computer History Museum im kalifornischen Mountain View wurde von Firmengründer und D-Wave-Technologiechef Geordie Rose durchgeführt. Er zeigte unter anderem, wie Orion Proteine aus einer Datenbank heraussuchen und die am nächsten liegenden Treffer auffinden konnte. Außerdem war zu sehen, wie das System die optimale Sitzverteilung in einem Raum und die Lösung eines Sudoku-Puzzles errechnen konnte.

Die Quanteninformationstechnik, die von den Physikern Paul Benioff und Richard Feynman erstmals in den frühen Achtzigerjahren vorgeschlagen wurde, nutzt das interessante Element der Zweideutigkeit, die sich aus der Quantenmechanik ergibt. Laut ihren Gesetzen kann der Zustand eines Partikels auch "unbestimmt" sein: Die Ausrichtung eines Elektronspins nach "oben" (up) oder "unten" (down) etwa ist in diesem Fall nicht eindeutig festgelegt, beide Zustände existieren mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur selben Zeit. Er könnte also gleichzeitig "an" oder "aus" darstellen, um es mit Begriffen der binären Computertechnik zu umschreiben.

In einem Quantencomputer lässt sich jedes Quanteninformations-Bit (Qubit genannt) daher auf solch einen "unbestimmten" Zustand setzen, den man auch als Superposition (Überlagerung) bezeichnet. Dadurch kann das Qubit den Wert 0 und 1 gleichzeitig besitzen. Zwei Qubits können also vier verschiedene Werte annehmen – 00, 01, 10 und 11 in binärer Notation. Vier Qubits können schon 16 Werte repräsentieren. Theoretisch kann ein Quantencomputer dadurch Probleme in weniger als einer Minute lösen, für die ein klassischer Computer eine kleine Ewigkeit bräuchte.

Bis heute waren die meisten Quantencomputer jedoch nur mehr oder weniger erfolgreiche Wissenschaftsexperimente. Keiner konnte bislang mehr als 12 Qubits nutzen, so dass sich nur einfachste Aufgaben lösen ließen. Der Bau von Quantenrechnern erwies sich in der Praxis als extrem kompliziert und heikel, weil man empfindliche Laser, Vakuumpumpen und andere exotische Bauteile benötigt, um die Qubits zur Arbeit zu bewegen.

D-Wave will laut eigenen Angaben nun jedoch erstmals ein praktisch umsetzbares Design entwickelt haben, das sich auch verhältnismäßig leicht bauen lassen soll. 44 Millionen Dollar konnte das Start-up dafür bereits von bekannten Investoren wie der Risikokapitalfirma Draper Fisher Jurvetson einsammeln.

Der Orion soll intern mit ähnlichen Technologien arbeiten, wie sie auch in Standard-Computerchips stecken. 16 Qubits soll der "adiabatische Quantencomputer" besitzen, erklärt das Unternehmen. Er wurde um einen Chip aus dem Metall Niob herum aufgebaut, das im sehr kalten Zustand zu einem Supraleiter wird. In einem Bad aus flüssigem Helium auf eine Temperatur von fast minus 273 Grad gekühlt, bilden die Elektronen im Niob-Supraleiter Partikel, die sich Cooper-Paare nennen. Diese besäßen dann laut D-Wave die bekannten überlagerten Quantenzustände, so dass sich damit auch Quantenalgorithmen berechnen ließen.

D-Wave-Chef Herb Martin glaubt, dass dieses verhältnismäßig unkomplizierte Design noch in diesem Jahr zu einer Maschine mit 512 Qubits führen könnte. Mitte 2008 wolle man gar 1024 Qubits erreichen.

Die von D-Wave vorgeführte Demonstration in Mountain View wurde von Quanten-IT-Experten allerdings eher belächelt. Wirkliche Beweise habe die Firma nicht vorgelegt, hieß es in vielen Zirkeln, nur sehr vage Details, wie der Orion intern wirklich funktioniert. Vom Hocker gehauen haben die allerdings niemanden.