Ein robusteres Stromnetz für Manhattan

Der wichtigste New Yorker Stadtteil könnte mit supraleitenden Kabeln eine stabilere Energieinfrastruktur erhalten. Gelingt das Projekt, wäre es ein Meilenstein für die Stromversorgung in den USA.

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Von
  • David Talbot

Stromkabel auf Basis von Supraleitern sorgen dafür, dass Elektrizität nahezu verlustfrei übertragen werden kann - schließlich kommt es dabei nicht zu Widerstandsverlusten. Im New Yorker Stadtteil Manhattan, der seit langem mit einem überlasteten Stromnetz zu kämpfen hat, soll die neue Technologie künftig als Backup zur bestehenden Infrastruktur verwendet werden. Käme es dann zu Terroranschlägen oder Naturkatastrophen, hätte man einen geeigneten Ersatz.

Zur Entwicklung des Konzeptes mit dem Namen "Project HYDRA" investieren das US-Heimatschutzministerium und der größte Stromversorger New Yorks, Con Ed, in den nächsten drei Jahren insgesamt 39 Millionen Dollar in eine Pilotstrecke. Dabei sollen zwei wichtige Trafostationen in Manhattan, deren Position zunächst geheim gehalten wird, direkt mit Supraleitern verbunden werden. Fällt dann eine Station aus, kann die andere ihre Aufgabe übernehmen. Zum Einsatz kommt dabei Technik des Anbieters American Superconductor, der so genannte Hochtemperatur-Supraleiter und entsprechende Steuerinfrastruktur herstellt. "Hochtemperatur" bedeutet in diesem Fall schlicht, dass sie oberhalb von 90 Kelvin (-183,15 Grad Celsius) noch arbeiten können, also keine allzu komplexe Kühlinfrastruktur benötigen.

"Wir lösen damit nicht jedes systemimmanente Problem im Stromnetz, aber mehr Verlässlichkeit und Flexibilität erwarten wir schon", meint Steve Kurtz, zuständiger Projektingenieur bei Con Ed. Zudem ließen sich vorhandene Ressourcen besser ausnutzen. Der Stromversorger hat immer wieder Probleme mit der veralteten Infrastruktur der Rieenstadt: So mussten im vergangenen Sommer Einwohner in Bereichen des Stadtteils Queens ganze zehn Tage lang ohne Strom auskommen, weil eine Trafostation wiederhergestellt werden musste.

Was dem Netz vor allem fehlt, sind Querverbindungen, wie man sie von Computernetzen wie dem Internet kennt. Stattdessen setzt man nahezu überall auf Punkt-zu-Punkt-Leitungen, die an Trafostationen enden, die mehrere zehntausend Kunden gleichzeitig versorgen. Ein einziger Blitzeinschlag reicht aus, dass eine ganze Station ausfällt.

Würde man nun die Trafostationen miteinander verbinden, könnten sie im Notfall füreinander einspringen. Neben den zusätzlichen Verbindungen sind allerdings auch zahlreiche neue Stationen notwendig, um zu verhindern, dass einzelne Netzfehler weiterhin in der gesamten Infrastruktur spürbar werden. Getan hat sich bislang allerdings nur wenig. Greg Yurek, Chef von American Superconductor, weiß warum: "Es gibt schlicht nicht genügend Platz unter den Straßen von Manhattan."

Zusätzliche Kupferkabel brauchen Platz - auch, weil sie genügend Raum brauchen, um abkühlen zu können. Gleichzeitig ist in den bestehenden Trafostationen ebenfalls kein Raum, um neue Überspannungsschutzeinrichtungen zu platzieren. Genau deshalb wird die Supraleiter-Technologie interessant: Sie belegt nur ein Zehntel des Platzes, den Kupfer benötigt. Und: Der Überspannungsschutz wäre verhältnismäßig leicht direkt ins Kabel einzubauen. Das auf einem flexiblen Keramik-Material namens Yttrium-Barium-Kupferoxid basierende Leitermaterial überträgt Strom ohne Verluste - zumindest bis zur maximal möglichen Last.

An diesem Punkt beginnt der Supraleiter, einen Widerstand aufzubauen, was wiederum Überspannungen aufhält. "Je mehr Drähte man verwendet, desto mehr Strom lässt sich ohne Verluste transportieren - und man kann sie so einrichten, dass immer genug Überspannungsschutz vorhanden ist", erläutert American Superconductor-Technologiechef Alexis Malozemoff.

Bei zu viel Überspannung können aber auch Supraleiter "durchbrennen". Um solche Schäden zu verhindern, müssen entsprechende Schutzmaßnahmen integriert werden. Dazu hat American Superconductor spezielle Kontrollsysteme entwickelt. "Die Notwendigkeit ist die Mutter aller Erfindungen", meint Yurek.

Einfach wird die Umsetzung von "Project HYDRA" allerdings nicht. Die beteiligten Firmen werden mindestens ein Jahr brauchen, um im Labor die notwendigen Ergebnisse zu erzielen: "Wir müssen es entwickeln, bauen, Testprotokolle bestimmen, Prototypen herstellen, die Daten analysieren und dann Spezifikationen für die Installation entwickeln", erläutert Con Ed-Projektingenieur Kurtz. Er hoffe, dass das Konzept bis August 2008 bewiesen sei. Die Anlage werde aber nicht vor 2010 gebaut.

Hochtemperatur-Supraleiter existieren bereits seit zwei Jahrzehnten. American Superconductor hat eine flexible Variante des Keramikmaterials entwickelt und die Temperaturansprüche auf 90 Kelvin reduziert. Dieser Rahmen lässt sich mit flüssigem Stickstoff verlässlich einhalten.

Obwohl es ähnliche Supraleiter-Projekte in anderen Teilen der USA gibt (vor allem bei Überlandleitungen), gilt das "Project HYDRA" als Meilenstein. "Con Ed wird sich entscheiden können, ob sie die Technik in ihrem Stromnetz haben wollen. Geht alles gut, hätten wir unseren Ansatz mehr als bewiesen", meint American-Superconductor-Chef Yurek. (bsc)