"IBM ist es um das 3D-Internet sehr ernst"

Kaum ein anderes IT-Unternehmen steckt so viele Ressourcen in Second Life und ähnliche Metaversen wie IBM. Im TR-Interview erläutert IBM-"Metaverse Evangelist" Ian Hughes, warum der Konzern den Trend zum 3D-Web keinesfalls verpassen wollte.

vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Tom Sperlich
Inhaltsverzeichnis

Der IT-Konzern IBM setzt die aktuell verfügbaren 3D-Internet-Technologien bereits seit längerem für eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen ein – sowohl intern als auch extern. Im November 2006 fand so beispielsweise ein Teil der jährlichen "IBM Innovation Jam"-Veranstaltung in Second Life statt. Insgesamt beteiligten sich 150.000 Menschen weltweit – und brachten 46.000 Ideen ein. Selbst IBM-Boss Palmisano trat in Form eines Avatars auf.

Ian Hughes, alias "Nepredator Potatoi" in Second Life, ist einer der beiden offiziellen "Metaverse Evangelists" für IBMs weltweite 3D-Web-Aktivitäten. Als Consulting-IT-Specialist arbeitet und forscht er bei IBM England bereits seit 17 Jahren an neuen Technologien. Im Gespräch mit Technology Review erläutert Hughes, was sich IBM von seinen Ausflügen ins Metaversum verspricht – und wie das alles wirtschaftlich Sinn ergeben soll.

Technology Review: Herr Hughes, was macht eigentlich ein "Metaverse Evangelist"? Liegt dieser Job eher im realen Leben (RL) oder im virtuellen des Metaversums?

Ian Hughes: Ein Metaverse Evangelist erläutert den Nutzen virtueller 3D-Welten. Jeder Technologie-Prophet lebt, was er predigt, egal ob online oder offline.

TR: Kritiker meinen, Second Life (SL) sei eine Online-Freakshow für nutzlosen Chat und Cybersex. Was bringen virtuelle 3D-Welten tatsächlich?

Hughes: Sie lassen sich für unbegrenzt viele Möglichkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft einsetzen. Sie können hochgradig soziale und interaktive Umgebungen sein, sehr nahe am "ersten Leben". Virtuelle Welten verbinden Menschen aus aller Welt, aus verschiedenen Kulturen und Milieus, sie eignen sich für Treffen, Brainstorming-Sessions und andere kooperative Vorhaben.

Es gibt interessante Anwendungen für Ereignisse in der realen Welt, wie etwa Sportereignisse oder Konzerte. Vielversprechend ist außerdem, Menschen in Lernwelten hineinzuversetzen. Durch die einfachen Möglichkeiten, 3D-Modelle zu erstellen, lassen sich komplexe Dinge visualisieren und so besser verstehen. Immersive Umgebungen werden daher großen Einfluss in der Schule und Ausbildung haben.

Stellen Sie sich vor, man könnte Kinder auf fremde Planeten schicken, statt ihnen nur Bilder zu zeigen. Sie könnten auf jedem Planeten herumlaufen und ihn auf völlig neue Weise kennen lernen. Auch die Medizin zeigt großes Interesse, etwa für die Ausbildung sowie Telemedizin. Im Katastrophenschutz lässt sich simulieren, was passieren könnte, um geeignete Reaktionen herauszufinden.

TR: IBM ist der größte externe Player in Second Life. Was macht der Großkonzern überhaupt in SL?

Hughes: IBM zeigt sowohl in Second Life als auch generell im Geschäft mit virtuellen Welten enorme Präsenz. Wir haben momentan 24 Inseln in SL. Unser Hauptziel ist das Erkunden und Erforschen der Anwendung von virtuellen Welten für Business, Zusammenarbeit, Events, Schule und Training.

So erforschen wir auf unserer öffentlichen SL-Insel mit Kunden wie Circuit City und Sears etwa die Zukunft des Einzelhandels. Dort gibt es auch das Brownfield-Projekt, die explorative Visualisierung eines aktiven IT-Systems, unter Einsatz von externen Datenquellen, die dynamisch das Rendering einer IT-Architektur erzeugen. Daneben betreiben wir Auditorien für grosse Events und wir sind auch Gastgeber des "Second Life Ballet", einem Platz für 3D-Kunst.

TR: Second Life ist auch IBM-intern ein groĂźes Thema. Wieviel Angestellte nutzen SL aus beruflichen GrĂĽnden?

Hughes: Ungefähr 3.000 IBMler bilden unsere Virtuelle-Welten-Community. Ein kleines Kernteam arbeitet dafür Vollzeit, zirka 250 IBMler einen gewissen Teil ihrer Zeit, weitere 450 sind in zugehöriger Weise aktiv und Hunderte mehr auf einer Ad-hoc-Basis. In Folge einiger Dutzend anhängiger Kundenprojekte werden wir diese Zahlen aufstocken.

TR: Ein ziemlich groĂźes Team. Stimmt die Zahl, IBM stecke etwa zehn Millionen Dollar in Second Life?

Hughes: IBM investiert nicht in Second Life direkt Millionen von Dollars, aber in einen neuen Geschäftsbereich, der sich auf die Anwendung virtueller Welten in der Wirtschaft und Gesellschaft konzentriert.

TR: Ist es richtig, dass IBM ein 3D-Intranet basierend auf Second Life einrichten will?

Hughes: Angesichts der Zukunft dieser Industrie glaubt IBM nicht an eine bestimmte Plattform. Second Life war ein Katalysator und selbst Linden Lab spricht locker ĂĽber die Zukunft von Servern fĂĽr virtuelle Welten, die zwar ein uneinheitliches, aber ĂĽberall funktionierendes Netz bilden.

Ja, wir sind richtig gespannt auf ein sicher betriebenes 3D-"Intraverse" in einem Unternehmen. Wir nutzen ja bereits Instant Messaging, Blogs, Wikis und webbasiertes Intranet für die Mitarbeiterkommunikation. Ein internes Metaversum würde das sofort nützlich ergänzen.