Gehirn in Echtzeit

Ein neuartiges Endoskop liefert Hirnchirurgen während ihrer Arbeit Livebilder in 3D. Medikamente lassen sich gleich mit übertragen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Katherine Bourzac

Forscher an der Duke University haben ein Endoskop entwickelt, mit dem sich Chirurgen ein dreidimensionales Bild des Gehirns machen können – und zwar bereits während einer Operation. Die auf Ultraschall basierende Technologie steht aktuell vor weiteren Tierversuchen und soll dann in klinischen Tests überprüft werden. Wenn alles glatt geht, könnte das System bisherige 2D-Verfahren ablösen – und das auch noch deutlich kostengünstiger.

Aktuell verwenden Chirurgen vor der Operation Computertomografie oder Kernspintomografie, um sich einen Überblick über das Gehirn des Patienten vor der Operation zu verschaffen. Wird der Kopf jedoch geöffnet, verschiebt sich das Gewebe, so dass die zuvor gemachten Scans nicht immer eine akkurate Karte abgeben. Während der Operation lassen sich standardmäßige bildgebende Verfahren jedoch nur schwer einsetzen. Das 3D-Ultraschall-Endoskop der Duke-Forscher kann hingegen in Echtzeit Aufnahmen liefern. K. Kirk Shung, Biomedizin-Ingenieur an der University of Southern California, hält das Projekt insbesondere deshalb für spannend: "Computertomografie und Kernspintomografie sind bei solchen Eingriffen nicht "live" durchzuführen – und sie sind wesentlich teurer."

Zweidimensionale Ultraschallverfahren werden bereits bei Biopsien eingesetzt, um Chirurgen zu Tumoren zu führen oder ihnen bei der Implantation von tief liegenden Hirnelektroden zu helfen. Es ist allerdings schwierig, die flachen 2D-Bilder mit der Realität des dreidimensionalen Gehirns des Patienten abzugleichen, erläutert Professor Stephen Smith von der Duke University Ultrasound Transducer Group, der das 3D-Ultraschall-Endoskop entwickelt hat. 2D-Endoskope sind außerdem recht groß – laut Smith müssen für bestehende Systeme ein bis zwei Zentimeter große Öffnungen in den Schädel eingebracht werden. Seine neue Sonde ist wesentlich kompakter und benötigt nur noch einen Durchmesser von unter einem Zentimeter. Eingriffe wie Biopsien oder das Absaugen von Hirnwasser, um den Druck auf das Gehirn zu verringern, können durch die gleiche Öffnung erfolgen.

Die Duke-Forscher haben ihr 3D-Endoskop bereits an Hunden getestet, um die Gefäße abzubilden, die das Hirnwasser führen. Eine Nadel, die in das Endoskop eingeführt wurde, konnte zur Flüssigkeitsabsaugung und gleichzeitig zur Verabreichung eines Medikamentes genutzt werden. In Kombination mit einem Kontrastmittel ließen sich die Blutgefäße der Versuchstiere in Farbe begutachten.

Eine andere Anwendungsmöglichkeit könnte die Erkennung und Entfernung von Tumorgewebe sein, wie Smith meint. Studien mit 2D-Sonden hätten bereits gezeigt, dass sich viele verschiedene Tumorarten mit Ultraschall differenzieren ließen, sagt der Forscher.

Die aktuelle Variante des 3D-Endoskops ist eine kleinere Version eines Gerätes, das Smiths Arbeitsgruppe als neues bildgebendes Verfahren für die Herzchirurgie entwickelt hatte. "Die Herausforderung bei alledem ist die Miniaturisierung", so der Forscher, der bereits in den Achtzigerjahren einen außerhalb des Körpers nutzbaren 3D-Ultraschall-Scanner zur Darstellung des Herzens entwickelt hatte. Man müsse zwischen 100 und 500 Drähten durch eine dünne Röhre schieben. Die Ultraschall-Wellen fließen dann wie Wasser aus einer Düse – 500 Transmitter und 250 Empfangseinheiten werden verwendet.

Experte Shung glaubt, dass die Duke-Technologie zumindest zweidimensionale Ultraschallverfahren ablösen könnte, weil die Bildqualität besser sei. Die Auflösung des Duke-Experimentalgerätes ist allerdings noch nicht sehr hoch, soll sich aber deutlich verbessern lassen, wenn der Sensorbereich des Endoskops weiter verfeinert wird.

Smith arbeitet unterdessen an einer weiteren Miniaturisierung. Er will die Technologie dünn genug machen, um sie durch einen Katheter zu führen. Dann könnte das Endoskop über ein Blutgefäß in das Gehirn eingeführt werden, ohne dass man einem Patienten ein Loch in den Schädel bohren müsste. (bsc)