Leben im Kühlschrank

Der Elektronikhersteller Matsushita will die Wärmedämmung von Häusern auf ein neues Niveau heben – mit Vakuumdämmpaneelen aus seinen Kühlschränken.

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Von
  • Martin Kölling

Wo sonst Dämmwolle dämmt, schimmert silberne Folie in der Wand des Tokioter „Öko- und Universal-Design-Haus“ des japanischen Konzerns Matsushita Electric Industrial (Panasonic). Es ist eines der neuesten Produkte des Elektronikriesen: Ein Vakuumdämmpaneel für den Hausbau, hergestellt aus der Isolierung, die Matsushita in seinen Kühlschränken einsetzt. Die Wärmeleitfähigkeit der Paneele schlägt die deutscher Hersteller auf den ersten Blick um Längen: 0,0015 Watt pro Meter und Kelvin beträgt sie im Gegensatz zu 0,004 Watt pro Meter und Kelvin bei in Deutschland erhältlichen Vakuumisolierungen. Das ist bereits nahe am theoretischen Optimum für Vakuumisolierungen mit Füllmasse. Nur Thermoskannen sind besser.

Stolz präsentiert Matsushitas zuständiger Entwickler Kazutaka Uekado in der Industriestadt Kusatsu bei Kioto die Übertragung von Matsushitas fortgeschrittener Kühltechnik auf den Hausbau. „Es kommt sehr selten vor, dass ein Elektronikhersteller seine eigene Vakuumisolierung herstellt“, sagt er und klopft in einem kleinen Sitzungszimmer in Matsushitas riesigem Kühlschrankwerk auf eine ein Zentimeter dicke Vakuumfolie. In Japan wird der Elektronikkonzern damit zum ersten Mal Massenhersteller von Dämmstoffen für den Hausbau. Bereits im kommenden Jahr soll das Produkt über den Kunststoff- und Dämmmaterialhersteller Achilles in Japan vertrieben werden.

Vakuumdämmpaneele gelten als eine der kommenden Isolierungstechniken in der Bauindustrie, denn sie isolieren bei weit geringerer Dicke mehr als zehn Mal besser als herkömmliche Wärmedämmung. Bei der neuen Technik wird ein Füllmaterial –: nanoporöse Kieselsäure, Urethanschaum oder Glasfasern – in eine Plastikfolie gepackt und nach Evakuierung der Luft zusätzlich in Stahl-, Aluminium- oder Kunststoffhochbarrierefolien eingeschweißt. Durch das Vakuum wird die Isolierleistung der Paneele extrem erhöht. Allerdings erfordert der Verbau generell ein höheren Planungsaufwand. Denn die Isolierung kann nicht vor Ort zugeschnitten werden und muss extrem vorsichtig behandelt werden, um das Vakuum nicht zu zerstören. Außerdem muss eine ausgeklügelte Be- und Entlüftung dafür sorgen, dass sich kein schädlicher Schimmel in der Wohnung bildet.

Die Idee für diese Art der Dämmung wurde vor ungefähr vor 15 Jahren initiiert, erinnert sich Ulrich Heinemann von Bayerischen Zentrum für angewandte Energieforschung e.V., ein Mann der ersten Stunde. „Vor allem in Deutschland, der Schweiz und Österreich wurden sie weiterentwickelt“, so Heinemann. Nach diversen Tests ist die Vakuumisolierung nun dabei, ihren Weg aus den Entwicklerstuben in die Massenanwendung zu finden.

Im Gegensatz zu Japan gibt es in Deutschland bereits fünf Hersteller, doch keiner verfügt über eine Marktmacht wie Matsushita in Japan. Der Konzern ist mit äußerst energiesparenden Kühlschränken und innovativen Waschmaschinen nicht nur der führende Haushaltsgerätehersteller der zweitgrößten Industrienation der Welt. Auch im Hausbau ist der Konzern über seine Tochter PanaHome aktiv, die 2006 immerhin einen Umsatz von 2,4 Milliarden Euro erzielte. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Giganten auf allen Gebieten zu erhöhen, fördert die Unternehmensführung seit Jahren die Übertragung von führenden Technologien aus der einen in andere Sparten.

Die Weiterentwicklung der Kühlschrankisolierung für den Hausbau habe vor acht Jahren begonnen, erzählt Uekado. Zu Beginn nutzte Matsushita wie heute in Deutschland üblich feinpulverige, nanostrukturierte Kieselsäure als Füllmaterial – mit vergleichbaren Isolierleistungen. Kieselsäure – im Prinzip nichts anderes als reiner, feiner Sand – dämmt schon bei normalem Luftdruck gut und ist so hitzebeständig, dass sie auch bei der Isolierung von Hochöfen eingesetzt wird.

Doch dieser besonders feingliedrige, synthetisch hergestellte „Sand“ ist teuer. Da Matsushita als Haushaltsgeräte- und Elektronikhersteller heftigem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist, stieg das Unternehmen 2002 auf Glasfasern als Füllmasse um. „Damit können wir den doppelten Wärmedämmeffekt zur Hälfte der Kosten von Kieselsäure erzielen“, begründet Uekado die Wahl. Die bessere Isolierungsleistung rühre daher, dass bei einer Glasfaserfüllung 90 Prozent des Volumens Vakuum sind, bei Kieselsäure hingegen nur 30 Prozent.

Das ist im Prinzip auch in Europa bekannt, wird jedoch aus zwei Gründen nicht angewendet. Erstens müssen für einen Glasfaserkern die Hüllen um den Faktor hundert dichter sein als für einen Kern aus Kieselsäure, um die hohe Dämmwirkung über einen Zeitraum von im Bauwesen veranschlagten 50 Jahren aufrechtzuerhalten, sagt der deutsche Experte Heinemann. Dies ist zurzeit nur mit Hüllen aus Glas, Metall oder Metallverbundfolien etwa aus Aluminium zu erreichen.

Zweitens ist im Falle des Versagens oder einer Verletzung der Vakuumhülle die Wärmedämmwirkung einer belüfteten Kieselsäurefüllung immer noch doppelt so gut, wie die herkömmlicher Dämmstoffe gleicher Dämmstärke (Wärmeleitfähigkeit 0,020 Watt pro Meter und Kelvin). Eine belüftete Glasfaserfüllung hat lediglich die Dämmwirkung von herkömmlichen Dämmmaterialien (Wärmeleitfähigkeit ca. 0,040 Watt pro Meter und Kelvin). „Die dünnsten, lochfreien Aluminiumfolien im Verbund mit einem Kunststoffsiegelmaterial auf der Innenseite und einer Kunststoffschicht als mechanischer Schutz auf der Außenseite kommen aus Japan“, sagt Heinemann. Im Falle Matsushitas beträgt die Schichtdicke des Aluminiums sechs Mikrometer.

Außerdem leitet Aluminium die Wärme extrem gut, wodurch die Hülle zu einer formidablen Wärmebrücke wird und so die wirkliche Dämmleistung des Isolationselements auf ähnliche Werte der in Deutschland meist verwendeten Vakuumpaneele senkt. In Europa setzen viele Hersteller auf Kunststoffhochbarrierefolien, deren Wärmebrückeneffekt dank nur hauchdünn aufgedampfter Aluminiumschichten weit geringer ist als bei Matsushitas Superdämmer. Der Elektronikkonzern stellt zwar auch dünnere Folien für elektrische Wasserkocher her, doch für den großflächigen Einsatz sei das zu teuer, räumt Uekado ein.

Für Matsushita ist die Glasfasertechnik trotz der schwächeren Dämmung sinnvoll. Der Konzern kann so nicht nur kostengünstig große Mengen an Platten auf seiner herkömmlichen Produktionsstraße produzieren. Es kommt in Japan auch darauf an, die Wandstärke und damit die Isolierung so dünn wie möglich zu halten, um Innenraum zu gewinnen. Denn viele Familien können sich wegen der exorbitanten Landpreise nur kleine Parzellen von 40 bis 90 Quadratmeter Größe leisten. Die zwecks Feuer- und Erdbebenschutz behördlich festgelegten Abstände der Außenmauern zur Grundstücksgrenze verkleinern die Nettonutzfläche weiter.

Normalerweise ist eine Außenwand bei einem heutigen Einfamilienhaus rund 15 Zentimeter dünn und entsprechend kläglich isoliert. In Japan besteht die Wand bei den gängigen Einfamilienhäusern aus einem Holzfachwerk, auf das von innen Rigips- und von außen Sperrholzplatten genagelt werden. In den Zwischenraum wird Dämmwolle gestopft. Außen kommen dann noch Plastikfolien, Metallmaschendraht und ein Schutzanstrich oder Deckplatten drauf. Fertig ist das Haus.

Bei Matsushitas normalem Vakuumdämmpaneel, das außen auf das Holzgerüst genagelt wird, verdickt sich die Wand nur um zwei Zentimeter und halbiert die Wärmeverluste immerhin. Ein Zentimeter geht für die eigentliche Vakuumfolie drauf, den Rest nimmt dichter Urethanschaum ein, in dem die Vakuumfolie zum Schutz steckt. Die etwa zwei Meter hohen und 90 Zentimeter großen Platten lassen sich am Bau leicht aufnageln, ohne die Vakuumfolie zu verletzten. Denn die Hersteller haben die Punkte markiert, wo die Zimmerleute die Platte perforieren dürfen. Da in den meisten Gegenden Japans die Temperatur nicht unter Null Grad sinkt, gilt diese Isolierungsleistung als ausreichend.

Im Herbst will Matsushita nun ein Testhaus bauen, dass Japans bislang härtesten Q1-Isolierungsstandard für die im Winter kalten nördlichen Landesteile erfüllt, der 5-mal besser isoliert als eine normale japanische Wand. Dafür wird die Dicke der Vakuumplatte auf zwei Zentimeter und das Bauteil auf vier Zentimeter verdoppelt. Über noch bessere Isolierungen denkt Uekado intensiv nach, doch verraten will er Matsushitas kommendes Produkt jedoch nicht.

Einen Qualitätssprung wie eine der Thermoskanne ähnliche Isolierung können sich die Experten in Deutschland jedoch nicht vorstellen. Denn auf absolut leeren Körpern lastet die Luft mit immerhin zehn Tonnen pro Quadratmeter. Bisher hat noch kein Hersteller der Welt eine Idee vorgestellt, wie dieser riesige atmosphärische Druck von nicht kugelförmigen, sondern planen Körpern aufgefangen werden könnte. Für die optimale Dämmung müssten die Menschen dann vielleicht in pilz- oder ballähnliche Häuser umziehen. (nbo)