Ultraeffiziente Solarzellen dank Silizium-Nanokristallen?

US-Forscher zeigen mit Hilfe der Nanotechnik, wie sich aus einem Photon gleich zwei oder gar drei Elektronen herausziehen lassen. Nur das Abgreifen der Elektrizität ist noch nicht ganz gelöst.

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Von
  • Kevin Bullis

Herkömmliche Silizium-Solarzellen können aus dem Sonnenlicht jeweils nur ein Elektron pro Photon beziehen. Nur einige exotische Materialien sollen in der Lage sein, mehrere Elektronen pro Photon zu erzeugen und damit die Energieeffizienz zu erhöhen. Forscher am amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NREL) in Golden im US-Bundesstaat Colorado wollen diesen Effekt nun auch mit herkömmlichem Silizium erreichen können – in Form von Nanokristall-Strukturen. Funktionieren soll dies vor allem mit hochenergetischem Sonnenlicht: Im Experiment ließen sich so zwei oder gar drei Elektronen pro Photon liefern. Die NREL-Forscher hoffen, dass auf Basis der Technologie ein neuer Solarzellentyp entsteht. Dieser wäre nicht nur billig herzustellen, sondern böte eine doppelt so hohe Stromausbeute wie herkömmliche Module.

Wie bei ähnlichen Ansätzen, die auf neuen Materialien basieren, ergeben sich die Zusatzelektronen aus blauem und ultraviolettem Licht, das einen wesentlich höheren Energiegehalt als der Rest des Sonnenspektrums hat – besonders im Vergleich zu rotem und infrarotem Licht. Bei den meisten traditionellen Solarzellen wird die Zusatzenergie im blauen und ultravioletten Licht hingegen als Hitze verschwendet. Durch die geringe Größe der Nanokristalle – tatsächlich handelt es sich um so genannte Quantenpunkte – ergeben sich nun aber neuartige quantenmechanische Effekte, die diese bislang nicht nutzbare Energie stattdessen in Elektronen umwandeln.

Durch die Generierung mehrerer Elektronen aus Hochenergie-Photonen könnten solche neuartigen Solarzellen theoretisch mehr als 40 Prozent der auftreffenden Lichtenergie in Strom umwandeln, meint Arthur Nozik, Senior Research Fellow beim NREL. Im Gegensatz dazu erreichen die heute gebräuchlichen, flachen Dachsolarmodule bestenfalls 20 Prozent; das mögliche theoretische Maximum liegt nur bei 30 Prozent. Mit Hilfe von komplexeren Spiegeln und Linsen lässt sich die Ausbeute zwar auf 40 Prozent erhöhen, doch solche Zusatzaufbauten würde die NREL-Solarzelle gar auf weit über 60 Prozent Energieeffizienz bringen, meint Nozik.

Hinzu kommt, dass sich die Nanokristall-Solarzellen wahrscheinlich kostengünstiger herstellen lassen als andere neuartige Module. So genannte "Multijuncton"-Zellen erreichen zwar ebenfalls mehr als 40 Prozent Energieeffizienz, müssen aber in komplizierten Produktionsprozessen hergestellt werden, die teure Spezialhalbleiter für die verschiedenen Bereiche des Sonnenspektrums erfordern. Silizium-Nanokristalle sind hingegen vergleichsweise einfach produzieren – selbst im Vergleich zu herkömmlichen Solarzellen, die, sollen sie besonders gut im Wirkungsgrad sein, aus sehr großen Einzelkristallen hergestellt werden müssen.

Silizium-Nanokristalle haben noch weitere Vorteile gegenüber exotischeren Materialien mit Multi-Elektronen-Effekt. Einige davon enthalten giftige Elemente wie Blei und Kadmium, während andere auf seltenen Elementen wie Indium basieren. Silizium ist hingegen reichlich vorhanden und gilt als sicher. "Außerdem ist es breit erforscht", meint Christiane Honsberg, Professorin für Elektrotechnik und Informatik an der University of Delaware. Ingenieure wüssten, wie sie damit umzugehen hätten – genau aus diesen Gründen werde es auch so gerne in traditionellen Solarzellen verbaut. Es gilt außerdem als attraktives Material für die Massenproduktion.

Vor der NREL-Studie glaubte die Wissenschaft eigentlich, dass sich Silizium-Nanokristalle, die klein genug für den Multi-Elektronen-Effekt sind, nicht für die Photovoltaik eignen. Im Nanobereich verändern sich die optischen Eigenschaften des Siliziums, so dass es weniger Licht aus dem roten Bereich des Spektrums in Elektronen umwandelt. Das heißt, dass die effizientere Verarbeitung blauer und ultravioletter Strahlen so wieder zunichte gemacht würde. Nozik und sein Team fanden nun heraus, dass die Nanokristalle auch etwas größer noch funktionierten und umgingen damit das Problem.

Das Projekt ist allerdings nur ein erster Schritt. Die Herstellung funktionierender Solarzellen auf dieser Basis wird eine echte Herausforderung. Der Grund: Die Zusatz-Elektronen sind nur kurzlebig, so dass sie sich nur schwer aus den Nanokristallen herausziehen lassen, um Strom tatsächlich zu erzeugen. Der Multi-Elektronen-Effekt wird deshalb derzeit nicht durch den erzeugten Strom bewiesen, sondern mit Hilfe indirekter Methoden wie der Spektroskopie. Einige kritische Experten bezweifeln deshalb gar, dass die Zusatz-Elektronen überhaupt existieren. Nozik beharrt allerdings darauf, dass dies mit mehreren Techniken nachgewiesen werden könne. Sein Team will auch deshalb nun echte Solarzellen auf Silizium-Nano-Kristall-Basis bauen – mit Hilfe neuartiger Ansätze. Erste direkte Messungen, die bislang noch nicht publiziert wurden, sollen die Abgabe mehrerer Elektronen pro absorbiertem Photon beweisen können.

Seine Uni-Kollegin Honsberg ist vorsichtig optimistisch. Sie hält die Multi-Elektronen-Effekt bei Silizium-Nanokristallen für einen Durchbruch, doch dies sei nur einer von drei bis vier notwendigen technischen Erfolgen, die dann tatsächlich zu brauchbaren billigen, ultraeffizienten Solarzellen führten. (bsc)