Da schreit das Handy

Mit verschiedenen Systemen versuchen Mobilfunkbetreiber, die weitere Nutzung gestohlener Mobiltelefone zu blockieren und so Diebe abzuschrecken. Doch bislang hat sich noch keine Lösung als Standard durchgesetzt.

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Von
  • Denis Dilba

Wie viel Ärger ein gestohlenes Handy bereiten kann, weiß man dummerweise meistens erst dann, wenn es wirklich weg ist. Die Unannehmlichkeiten gehen oft weit über den rein materiellen Wert des Gerätes hinaus – etwa, wenn der Verlust spät bemerkt wird und der Dieb vor der Sperrung der SIM-Karte schon für mehrere Hundert Euro teure Auslandstelefonate führen konnte. Wichtige Telefonnummern oder im schlimmsten Fall gleich streng vertrauliche Unternehmensdaten in den falschen Händen können sogar einen noch größeren Schaden nach sich ziehen.

„Wir haben schon vor zwei Jahren auf eine deutlich erhöhte Zahl von gestohlenen Handys in Deutschland hingewiesen“, sagt Horst Müller, IT-Experte von der Gewerkschaft der Polizei. „Das Problem wird sich mit immer weiter zunehmender Multifunktionalität der Geräte künftig noch verschärfen.“ Handys, die als Busfahrschein oder Kreditkarte eingesetzt werden können oder Haustüren öffneten, würden zwangsläufig immer wertvoller für den Besitzer. Solche Alleskönner werden dann natürlich auch gleichzeitig als Beute für professionelle Handydiebe umso beliebter werden, sagt Müller.

Mit mehr oder wenig durchschlagendem Erfolg entwickeln die Handyhersteller daher neue Funktionen, die den Dieben die Tour vermiesen sollen. Die aktuelle Entwicklung von Samsung mit dem Namen uTrack etwa werde in allen aktuellen Modellen eingesetzt und bestens von den Kunden angenommen, sagt Produktmanager Kai Lenk über das firmeneigene Sicherheitsfeature. Studien gebe es zwar noch nicht, aber ihre Erfahrungen aus Schulungen für Dienstgeräte würden diese Aussage stützen.

Bei der Sicherheitsfunktion können bis zu zwei Telefonnummern in einem passwortgeschütztem Untermenü einprogrammiert werden. Wird das Handy gestohlen und eine andere SIM-Karte eingelegt, als die, die sich zum Zeitpunkt des Scharfstellens im Handy befand – sendet das Handy ähnlich wie ein „stiller Alarm“ bei einem Banküberfall heimlich eine SMS an die vorher einprogrammierten Telefonnummern. Inhalt: Die Handynummer der aktuell aktiven SIM-Karte und die so genannte IMEI-Kennung, eine Gerätenummer, die jedes Handy vor Aufbau eines Gespräch an den jeweiligen Netzbetreiber übermitteln muss – und mit dessen Hilfe jedes Handy eindeutig identifiziert werden kann.

„Vereinfacht dargestellt wird dabei die IMEI-Nummer des als gestohlen gemeldeten Handys in eine Datenbank geladen – das so genannte Equipment Identity Register (EIR)“, erklärt Marion Stolzenwald, Sprecherin von Vodafone. „Sobald jemand versucht, mit diesem Handy in einem EIR-gestützten Netz ein Gespräch zu führen, wird beim Authentisierungs-Prozess bei der Einbuchung das Mobiltelefon vom Netzbetreiber abgewiesen.“

Je nach Handy-Typ komme es zu verschiedenen Displayanzeigen. Der Dieb könne aus dieser Anzeige zumeist nicht auf eine EIR-Sperre schließen und der Einbuchungsversuch werde im EIR registriert. „In Großbritannien ist das schon lange Stand der Technik, aber außer von Vodafone wird das System in Deutschland nicht eingesetzt“, wundert sich Po-lizeigewerkschafter Müller.

Und dann sei das Bemühen zwar redlich, aber bringe nicht sehr viel: Das Handy ist nach dieser Sperrung nämlich nur im Vodafone-Netz gesperrt. Mit einer SIM-Karte von der Konkurrenz kann man einfach weitertelefonieren. „Wenn alle dabei wären, hätte das Netz keine Lücken“, sagt Vodafone-Sprecherin Stolzenwald. „Wir sind damals davon ausgegangen, dass sich andere Netzbetreiber anschließen.“

Warum kein anderer Netzbetreiber die „an sich gute“ Idee aufgreife, darüber könne er nur spekulieren, sagt Müller. „Wahrscheinlich will man sich das eigene Geschäft nicht kaputt machen.“ Denn wo ein Handy geklaut werde, müsse auch ein neues gekauft werden. So steigere sich jedenfalls auch das Gesprächsvolumen, was den Netzbetreibern entgegenkommen dürfte.

Außerdem sei der Aufbau einer solchen Datenbank-Abteilung nicht umsonst. Solange die Regulierungsbehörden keine verbindlichen Forderungen aufstellen, könne man lange warten, bis sich die Netzbetreiber einigen. Auch bleibe das Problem bestehen, dass Profis durchaus die IMEI-Kennnummer umprogrammieren könnten – und so die Sperre einfach umgingen, sagt Müller. Alternative Konzepte zur Vermeidung von Handydiebstahl setzen daher darauf, das Gerät nur für den Eigentümer nutzbar zu machen. Wird das P903i von Panasonic etwa zu lange von seinem Besitzer getrennt, deaktiviert sich das Handy selbst – und wird so für einen Dieb unbrauchbar. Herzstück des Anti-Diebstahl-Systems des in Japan über NTT Docomo vertriebenen Mobiltelefons ist eine Wireless-ID-Karte, die im Portemonnaie oder in der Jackentasche verstaut werden kann. Reißt das Funkkontakt zwischen ID-Karte und Telefon dauerhaft ab, deaktiviert sich das P903i von selbst.

Fingerabdruck-Lesegerät und Stimmerkennungsfunktion sollen den Inhalt auch dann sichern, wenn ein findiger Tüftler es schaffen sollte, die ID-Karte nachzubauen. „Das geschieht wahrscheinlich schneller als gewünscht“, befürchtet GdP-Fachmann Müller. Das in zwei Teile getrennte System berge für ihn auch ganz praktische Probleme: Verlege oder verlöre man selbst den ID-Chip, könne man ebenfalls nicht mehr telefonieren.

Einen eher exotischen Diebstahlschutz für Mobiltelefone bietet die britische Firma „Remote XT“ an: Meldet man sein Handy über eine 24-Stunden-Hotline als gestohlen, beginnt dieses sofort lautstark um Hilfe zu rufen: Eine WAV-Datei, die auf das Telefon gesendet wird, imitiert einen hohen menschlichen Schrei. Der Raub von Mobiltelefonen soll auf diese Weise deutlich eingeschränkt werden, denn der Schrei kann nur abgestellt werden, indem der Handy-Akku entfernt wird, gibt der Anbieter an.

Zusätzlich bietet Remote XT die Möglichkeit, die Daten, die auf dem Handy gespeichert sind, auch auf dem Firmen-Server zu übertragen. Mit dieser Sicherheitskopie kann dem Gerät aus der Ferne der Befehl zum gefahrlosen Löschen aller Daten auf dem Gerät übermittelt werden. Ein zusätzliches Geräte-Passwort soll den Dieb dann endgültig zum Aufgeben zwingen. Doch diese Sicherheit hat auch ihren Preis: Monatlich 15 Euro kostet der in Großbritannien angebotene Dienst.

Für Smartphones bietet das deutsche Unternehmen Synchronica einen ähnlichen Dienst an. Ob sich ein solches Angebot durchsetzen kann, bleibt fraglich – manche Handynutzer würden so für ihre Sicherheit mehr zahlen als für Telefonate. Aus Kundensicht müssten Sicher-heitslösungen natürlich umsonst sein, sagt Horst Müller. Er begrüßt die Entwicklung aber trotz der Kosten: „Letztendlich ist mir jede Maßnahme willkommen, die dazu beiträgt, den Handydiebstahl unattraktiver zu machen, als er im Moment ist.“ (nbo)