Verriss des Monats: Vernetztes Wasser
"Fred" ist nicht einfach das x-te weitere Trinkwasser in Flaschen. Es gibt der Kundschaft, wenn es schon nichts zu schmecken gibt, doch etwas zu fĂĽhlen - und zwar etwas Ultramodernes: das Netz.
- Peter Glaser
Abgerechnet wird zum Schluss: Die Kunst des gepflegten Verreißens zweifelhafter Produkte ist ein wenig – sagen wir mal – aus der Mode gekommen. An dieser Stelle – immer am letzten Tag des Monats – präsentiert unser Kolumnist Peter Glaser daher eine Rezension der etwas anderen Art: den Verriss des Monats. Vorschläge für besonders zu würdigende Produkte werden gerne per Mail entgegen genommen.
Es heißt Fred]. Fred ist in Flaschen abgefülltes Quellwasser (“Natural Spring Water”) und sozial vernetzt. Ausgedacht hat sich das Adam Gayner, der in New York die Firma “Fred Beverages” und eine Werbeagentur namens “thread” betreibt - eine “multidisziplinäre, ideenbetriebene Agentur mit Ausrichtung auf Generation X und Y”. 36 Dollar kostet eine Kiste mit 24 Flaschen Fred a 0,6 Liter, die Flasche also 1,50 Dollar (1,11 Euro).
Für Preisexzesse sind andere Wasser-Marktteilnehmer zuständig. Bling H20 etwa, das Wasser “for the uber-rich”, bietet für rund 30 Dollar eine (in Worten: eine) 0,75-Flasche aus gefrostetem Glas, auf die auch noch Posh-prollige Swarowski-Kristalle aufgepappt sind. Der norwegische Luxuswasseranbieter Voss verkauft nicht profan einen Liter, sondern ein “Doppelset mit 2 x 500ml” Wasser für 7,90 Euro plus Deppen-Apostroph “von wohl Europa's edelster Wasserfirma” - “das Flaschendesign wurde im Übrigen vom weltbekannten Modedesigner Calvin Klein kreiert.” Mit Else Kling gesprochen: “Wann’s schee mocht...”
Dem angesichts von papillenneutralem Wasser ins Leere greifenden menschlichen Geschmacksvermögen wird so jedenfalls doch noch aus einer dräuenden Sinnkrise geholfen. Besonderen Eindruck auf manchen flotten Blogger hat vor kurzem ein Flaschenwasser aus Hawaii gemacht. Kona Nigari ist mit knapp 420 Dollar pro Liter das angeblich teuerste Wasser der Welt. Allerdings beziehen die Preisangaben sich auf ein Konzentrat, das um ein Vielfaches verdünnt wird, ehe man es in Flaschen abfüllt - die Flasche kostet am Ende immer noch nette 230 Yen (1,50 Euro). Das Wasser, das angeblich beim Abnehmen, der Stressreduktion u.a. hilft, wird in der Nähe eines Gewerbeparks an der hawaiianischen Küste bei Kailua aus 600 Meter Tiefe gepumpt und entsalzt (das Salz wird extra vermarktet); 80.000 Flaschen “Tiefseewasser” werden täglich von hier aus nach Japan exportiert. Nicht öko, aber immerhin solide unvernünftig.
Fred funktioniert anders. Zwei Dinge sind an dem Wasser aus Manhattan bemerkenswert. Zum einen die Ergebnisse der Ăśberlegung, was man tun kann, um nicht einfach das x-te weitere Wasser in Flaschen auf den Markt zu werfen, sondern der Kundschaft, wenn es schon nichts zu schmecken gibt, doch etwas zu fĂĽhlen zu geben - und zwar etwas Ultramodernes: das Netz.
Also ist Fred ein Wasser mit einer eigenen MySpace-Seite, die allerdings einen ziemlich verdurstenden Eindruck macht. Sogar den bestellten Beiträgern scheinen die Luftbläschen auszugehen. Und noch weitere digitale Register werden gezogen, um den Purtrinker zu einem Freund von Fred (FoF) zu machen. So hat Fred also auch ein Blog, dessen aktuellster Eintrag vom 25. Mai stammt (“Wenn du richtige Tiere sehen möchtest, zieh dir die Börse im Financial District rein”). Wem nicht nach Wasser ist, der kann auch Fred-T-Shirts mit der Aufschrift “Ironiegestärkt” (“fortified with irony") erwerben - wenn ich das zu Haus erzähle, lachen sie sich bestimmt tot.
Fred, so werden wir weiters informiert, verfügt über das, was Wasser bisher wirklich gefehlt hat: “eine Seele”. Gott ist tot, Sigmund Freud ist tot und Osama bin Laden soll es auch schon schlecht gehen. Nun versucht man uns, die Schöheit des Nichts zu verkaufen. Das Internet und seine sozialen Applikationen scheinen sich dazu offenbar als hippe virtuelle Leimruten anzubieten.
Zum anderen ist da die Flasche. Die Fred-Flasche sieht aus wie eine kleine Flasche Wodka oder White Rum. Fredrate statt Flatrate? Ein paar Blogs weiter erinnert sich User gian fulgoni an ein Unternehmen, das ein Freund von ihm in den neuziger Jahren gegründet hatte. Er wollte Fruchtsaft in Flaschen verkaufen, die ganz ähnlich aussahen. Er fand das niedlich. Es war ein Desaster. Eltern und Lehrer gingen die Wände hoch, weil die Flaschen ihrer Meinung nach Kinder zum Alkoholtrinken verleiten. Händler und Supermärkte nahmen das Zeug aus den Regalen, “der Hersteller verlor einen Haufen Geld. Mein Freund flog raus.”
Das Netz hilft nun, auch dieses Risiko zu umgehen. Fred kann man nur online ordern. User Raj Bala erinnert sich auch an eine Geschichte. In Indien ist Werbung für Alkohol verboten. Bierbrauer kamen auf die Idee, Werbung für Wasser in Flaschen zu machen. Zufällig hatte das Wasser den selben Namen wie ihr Bier. (nbo)