"Sicherlich ein Manko"

Der Jenaer Wirtschaftsforscher Holger Patzelt hat die Erfolgsfaktoren untersucht, die Biotech-Neugründungen erfüllen müssen, um bestehen zu können.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Gordon Bolduan
Inhaltsverzeichnis

Holger Patzelt forscht am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena. Parallel zu seiner Promotion in Molekularbiologie begann er Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität Hagen zu studieren. Für seine Doktorarbeit in diesem Fach untersuchte er Biotech-Start-ups, die die Krisenjahre 2002 bis 2004 überstanden. Für die Arbeit erhielt er unter anderem den Fürther Ludwig-Erhard-Preis.

TR: Was können gegenwärtige Gründer aus ihrer Doktorarbeit lernen?

Holger Patzelt: Strategische Entscheidungen, mit denen die Unternehmen überleben konnten, in einer Zeit, in der kaum Kapital am Markt war.

TR: Die wären...?

Holger Patzelt: Die Unternehmen haben sich stärker in Allianzen engagiert. Es gibt auch Beispiele, die sehr erfolgreich fusioniert sind und es so nochmals geschafft haben, Zugang am Kapitalmarkt zu Investoren zu bekommen.

TR: Frisch gegründet und schon fusionieren?

Holger Patzelt: Der Hauptpunkt für Start-ups in der Biotech-Branche ist, das ihre Projekte so risikoreich sind. Die Scheiterrate auf Projektebene ist sehr hoch. Das heißt, sie brauchen eine kritische Masse an Projekten, um eine hohe Wahrscheinlichkeit zu haben, dass zumindest mal eines am Markt ist. Nun haben aber gerade viele Biotech-Start-ups, beispielsweise in der Medikamententwicklung, nur ein oder zwei fortgeschrittene Projekte.

TR: Wie schwer sollte die kritische Masse sein?

Holger Patzelt: Ein gut aufgestelltes Biotech-Unternehmen, das Medikamente entwickelt, sollte am besten zwei oder drei Projekte in der klinischen Entwicklung haben. Das hilft auf jeden Fall, sodass, wenn eines scheitert, zumindest noch ein zweites da ist, in eben dieser fortgeschrittenen Entwicklungsphase. Besser noch drei. Das hängt jetzt aber auch davon ab, ob man einen Medikamentenkandidaten für mehrere Krankheiten einsetzen kann.

TR: Ansonsten fusionieren?

Holger Patzelt: Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie im Endeffekt, wenn diese Projekte scheitern sollten, ganz ohne Projekt dastehen. Dann kriegen sie auch kein Geld mehr von den Investoren. Wenn man jetzt das Projektportfolio zweier Unternehmen kombiniert, dann hat man ja einen viel besseren Risikoausgleich. Das honorieren auch die Investoren, indem sie noch eine zusätzliche Kapitalspritze zu einer Fusion geben.

TR: Was passiert danach mit der eigenen Technologie?

Holger Patzelt: In der Regel werden alle Projekte der fusionierenden Firmen zusammengepackt. Dann entscheidet man nochmals durch ein Prioritäten-Ranking, welche der Projekte jetzt weitergeführt werden. Umgekehrt heißt es, dass auch manche eingestellt werden. Insofern hat es schon auch eine Auswirkung auf die Technologie.

TR: Die Gefahren dabei sind?

Holger Patzelt: Das es nicht so klappt, wie man es sich vorgestellt hat: Dass die Projektportfolios nicht so gut zusammenpassen, wie man es sich gedacht hat. Dass man die Einsparrungen durch Entlassungen nicht realisieren kann, weil dadurch auch gewisses Wissen verloren geht, das zur Weiterführung mancher Projekte notwendig ist.

TR: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?

Holger Patzelt: Sehr wichtig ist, dass einfach klar an die Mitarbeiter kommuniziert wird, warum die Fusion stattfindet, wohin die Unternehmen in der Zukunft gehen werden. Man kann von vorneherein auch über längere Zusammenarbeit testen, ob überhaupt die Technologien kompatibel sind, die man zusammenführen möchte.

TR: Haben sie auch Fälle von Krisenmanagement untersucht?

Holger Patzelt: Ja, einen. Da kam das Management von außerhalb. Es war eine Ausgründung aus einer Universität, aber unter der Führung externer Manager, ausgesucht von den Investoren. Als die Technologie wegbrach, hat das Management sehr schnell gesagt: Wir machen jetzt unseren Investoren nichts vor. Wir sind auch selbst nicht befangen in einer Weise, dass wir jetzt die Technologie, die wir nicht brauchen können, weiterführen und da weiter Geld reinstecken. Diese Offenheit zu den Investoren auf der einen Seite und natürlich auch die Schonung der finanziellen Ressourcen, hat dann auch zu der Entscheidung geführt, dem Management noch eine Chance zu geben, eine zweite Technologie zu suchen.

TR: Sind Biotech-Startups zu sehr auf ihre Technologie fokussiert?

Holger Patzelt: Ein häufiger Fehler von Wissenschaftlern, die von der Universität kommen und dann ein Unternehmen führen, ist, dass sie sich zu sehr auf die Technologieentwicklung konzentrieren und dabei den Markt vernachlässigen. Sie schauen gar nicht, ob der Markt jetzt diese Technologie will. Sie sind einfach wissenschaftlich fasziniert. Der zweite Punkt ist: Was passiert, wenn diese Technologie scheitert? Es ist ein großes psychologisches Problem, vor sich selbst zuzugeben, dass man gut zehn Jahre auf das falsche Pferd gesetzt hat und das auch anderen gegenüber zu rechtfertigen, beispielsweise den Investoren oder der wissenschaftlichen Community.