Künstliche Haushaltshilfe

Der japanischen Konkurrenz auf den Fersen: Forscher aus Aachen und Graz arbeiten an Heimrobotern, die bald vor allem alten Menschen im Alltag zur Seite stehen sollen. Deren Eloquenz ist allerdings noch ausbaufähig.

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Von
  • Anette Weingärtner

Seit längerem wird die Vergreisung der Industriegesellschaft als Schreckgespenst an die Wand gemalt. Während unklar ist, wie die Sozialversicherungen diesen Wandel meistern sollen, könnte es zumindest im Alltag eine Hilfe geben: Haushaltsroboter sollen eines Tages als treue Gefährten den Senioren von morgen dienen. Die müssen allerdings nicht aus dem Roboter-begeisterten Japan kommen, wo Modelle wie der Asimo von Honda seit Jahren für Furore sorgen – auch in Europa arbeiten Forscher an den Butlern von morgen.

An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Universität (RWTH) in Aachen etwa haben Forscher einen Roboter-Prototypen entwickelt, der eines Tages zu einer brauchbaren Haushaltshilfe werden soll: Er hört auf den Namen „Cäsar“. Auf die Idee, selbst einen Home-Roboter zu entwickeln, sind die Aachener Informatiker bereits vor sechs Jahren im Zuge ihrer Arbeiten an Fußballrobotern gekommen. „Es ist uns relativ leicht gefallen, in die Servicerobotik einzusteigen, weil wir ja bereits Vorkenntnisse aus der Fußballrobotik hatten, auf die wir aufbauen konnten“, sagt RWTH-Wissenschaftler Stefan Schiffer.

Mit einer Höhe von 1,70 Meter, einer Breite und Tiefe von je 40 Zentimetern und einem Gewicht von 80 Kilogramm unterscheiden sich die Maße des Aachener Prototyps nicht wesentlich von einer – etwas beleibteren – menschlichen Haushaltshilfe. Er wird durch einen Rollstuhlmotor angetrieben und erreicht eine Geschwindigkeit von zwölf Kilometern pro Stunde. Mittels eines Greifarms kann er Gegenstände transportieren und ist in der Lage, Sprachkommandos zu verstehen und auf sie zu reagieren.

Die für den Home-Roboter nötige Software habe man größtenteils am eigenen Institut entwickelt, erläutert Schiffer. Was das Spracherkennungssystem anbelange, greife man jedoch auf Softwarepakete der Carnegie Mellon University im US-Bundesstaat Pennsylvania zurück. Die Programmiersprache GOLOG, mit der die Aachener arbeiten, gibt es bereits seit den 60er Jahren.Von einer Standardisierung im Bereich Roboterentwicklung könne jedoch zurzeit noch keine Rede sein. „Die Tendenz geht in diese Richtung, aber noch längst nicht alle verwenden die gleichen Systeme“, sagt Schiffer.

Derzeit beschäftigt sich das Forscherteam der RWTH Aachen zum einen damit, die Spracherkennung zu verbessern. Momentan sei der Roboter auf bestimmte Stimmen trainiert und könne noch nicht entscheiden, ob die jeweilige Person berechtigt sei, ihm Befehle zu erteilen. Außerdem zeichne sich eine Unterhaltung mit ihm derzeit durch eine sehr strikte Abfolgestruktur aus. Ziel ist, dass der Roboter ein freies Gespräch führen und auch von sich aus Rückfragen stellen kann. Da Cäsar im Moment vor allem bei internationalen Wettbewerben eingesetzt wird, beherrscht er nur die englische Sprache. „Sofern in Zukunft ein entsprechender Bedarf besteht, werden wir unserem Roboter aber auch deutsches Vokabular beibringen“, sagt Schiffer.

Ein weiteres Problem ist seine Beweglichkeit. Zwar kann sich der Aachener Prototyp schon selbstständig in einem Raum orientieren, wenn man ihn zuvor mit der Wohnung vertraut gemacht hat. Mit einem Laserscanner wird die Umgebung erfasst. Das Treppensteigen beherrscht er aber bislang nicht. Zudem soll der Roboter insgesamt lernfähiger werden.

Die Entwicklungsplattform der Aachener Forscher eigne sich zwar noch nicht für eine Einführung ihres Modells auf dem Massenmarkt. Momentan betreibe man reine Grundlagenforschung. Ein Zusammenschluss mit einer Firma, der das Institut dann sein Know-How zur Verfügung stellen werde, sei aber in Zukunft denkbar. Cäsar habe Chancen, einmal als Produkt auf den Markt zu kommen. Was den derzeitigen Stand der Technik bei der Roboterentwicklung im allgemeinen anbelange, könne man sagen, dass eine technische Realisierung für den deutschen Markt beginne. „In etwa zehn Jahren werden wir Home-Roboter kaufen können. Wenn sie über entsprechende Standardelemente verfügen, wird eine solche Haushaltshilfe bei einem geschätzten Preis von 10.000 Euro auch halbwegs erschwinglich sein“, sagt Stefan Schiffer.

Auch an der Technischen Universität Graz arbeitet man seit etwa eineinhalb Jahren an einem Prototypen: „Flea“ ist ein weiblicher Roboter mit einem Frauenoberkörper und langen braunen Haaren, ebenso groß wie das Aachener Modell, aber mit ihren 50 Kilogramm etwas leichter.

Auch „Flea“ kann Gegenstände und Gesichter erkennen, nach Objekten greifen und Sprachkommandos verstehen – ebenfalls erst einmal nur in englischer Sprache. Beispielsweise bewirkt der Befehl „Go to the secretary“, dass der Roboter ins Sekretariat geht, um dort Post oder andere Gegenstände aufzunehmen. Dann kann man ihm dann den Befehl geben, diese Post auszuliefern. Bei unbekannten Personen fragt „Flea“ nach dem Namen und anderen wichtigen Informationen, so dass er das Profil der Person abrunden kann.

Für die Spracherkennung greift das Institut für maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz auf die Software SpeechSDK von Microsoft zurück. Die Gesichtserkennung basiert auf einem am Institut selbst entwickelten Ansatz, dem der SIFT-Detektor zugrundeliegt. Das ist eine graphische Darstellungsmethode, die zur Beschreibung eines lokalen Bildbereichs dient und die bei der Objekterkennung häufig eingesetzt ist. Die von der TU Graz verwendete Variante, Aproximated SIFT, ist wesentlich schneller als der SIFT Detektor. „Mit unserer Arbeit an dem Home-Roboter ‚Flea’ verfolgen wir primär das Ziel, unsere Forschung im Bereich Computer Vision unter Realbedingungen zu testen“, sagt Professor Horst Bischof vom Institut für maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz.

Obwohl die Entwicklung im Bereich Home-Roboter im deutschsprachigen Raum ständig fortschreitet, ist Japan hier immer noch der unangefochtene Spitzenreiter. Kürzlich stellte die Universität Tokio einen Prototypen vor, der die wichtigsten japanischen Kulturtechniken beherrscht. So ist er beispielsweise in der Lage, Tee einzugießen und zu servieren. Dass Home-Roboter den Abwasch von Geschirr eigenständig erledigen können müssen, ist für die japanischen Forscher inzwischen selbstverständlich. Die japanische Firma Kawada Industries hat einen Serviceroboter konzipiert, der sich nicht nur für den Einsatz im Haushalt, sondern auch in Büros und in der Alten- und Krankenpflege eignet. Er soll nach Unternehmensangaben spätestens 2010 auf den Markt kommen. Stefan Schiffer von der RWTH Aachen führt die japanische Dominanz auf dem Robotermarkt auf eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz von Robotern in der japanischen Gesellschaft zurück: „Deutschland ist im Hinblick auf die Forschungsleistungen in diesem Bereich nicht schlecht. Aber was die Umsetzung anbelangt, sind die Japaner einfach weiter“. (bsc)