Ein Mesh-Netz für San Francisco

Nachdem Google und Earthlink mit ihrem Projekt zunächst scheiterten, könnte nun der kleine Anbieter Meraki die kalifornische Metropole mit drahtlosem Internet überziehen.

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Von
  • Richard Brandt

Vor rund drei Jahren gewannen Google und Earthlink eine heiß umkämpfte Ausschreibung, die Stadt San Francisco, das Tor zum Silicon Valley, mit einem kostenlosen, stadtweiten WLAN-Netz zu versorgen. Doch dann kam es zu allerlei politischen Verwerfungen. Das zuständige "Board of Supervisors" debattierte lange und forderte schließlich Antworten auf zahlreiche Fragen. Darunter: Soll die Stadt das Netzwerk besitzen? Werden die Bewohner kostenloses Internet akzeptieren, wenn Google darin Anzeigen schaltet? Sind 20 Dollar im Monat zu viel für Bürger, die einen schnelleren, werbefreien Zugang über das Netzwerk haben wollen? Wird der Dienst mit den privaten WLAN-Routern der Bewohner kollidieren? Und sind die eine Million Dollar, die Google und Earthlink der Stadt zur Installation von WLAN-Basisstationen auf Straßenlaternen zahlen sollen, wirklich genug? Das aktuelle Zwischenfazit: Während die Stadt noch immer diskutiert, hat Earthlink bereits angekündigt, sein Engagement zu überdenken.

Meraki Networks, ein auf vermaschte WLAN-Netze spezialisiertes Start-up, will die Blockade nun auflösen – und zwar am Rathaus von San Francisco vorbei. Die Firma hat in den vergangenen Monaten rund 200 WLAN-Router an Bewohner verteilt; mehr als 6000 Bewohner, die sich in Reichweite ihrer Signale befinden, haben sie bereits verwendet. Das Programm mit dem Namen "Free the Net" könnte mit einigen tausend kostenlosen Routern erweitert werden und damit ein so genanntes Mesh-Netzwerk über wichtige Teile der Stadt bilden – mit Routern auf Dächern, Balkonen und in Fenstern all jener Bürger, die teilnehmen wollen. Roberta Wiggins, IT-Marktbeobachterin bei der Yankee Group, sieht gar bereits die Rettung für die festgefahrenen Verhandlungen in San Francisco: "Meraki überwindet den politischen Stillstand."

Der Schritt ist gewagt für ein Start-up, das gerade einmal ein Jahr alt ist und seine Technologie in Form von Mesh-Routern normalerweise zu 50 und 100 Dollar pro Stück verkauft. Versorgt wurden damit bislang nur einzelne Stadtviertel, Wohnprojekte und ländliche Gegenden in den USA und in anderen Ländern, in denen es wenige oder gar keine Internet-Zugänge gibt. San Francisco soll für die Firma aus dem kalifornischen Mountain View nun eine Testumgebung werden, die die Frage beantwortet, ob sich ein nutzergetriebenes, vermaschtes Netzwerk auch in einer größeren Metropole implementieren lässt. "Wir wollen herausfinden, wie viele Installationen wir dafür brauchen. Und wir warten nicht darauf, bis die Stadt darüber abgestimmt hat", meint Firmenchef Sanjit Biswas.

Meraki wurde von Biswas und dem heutigen Technologiechef der Firma, John Bicket, gegründet. Beide hatten am MIT an dem kostengünstigen Mesh-Netzwerk-Projekt "Roofnet" mitgearbeitet. Dabei wurden Standard-PCs mit Linux, billige Router von Linksys und eine selbst entwickelte Software eingesetzt, um die Daten durch das Mesh zu transportieren, bis schließlich eine Basisstation mit "echtem" Internet-Zugang gefunden war.

Meraki hat außerdem eine Geheimwaffe in petto: Investitionen und etwas Hilfe von Google, wo man anscheinend nach einem Ausweg aus der WLAN-Misere in San Francisco sucht. Nachdem die Suchmaschinen-Betreiber von der Technologie überzeugt waren, entschlossen sie sich, die Firma mit Startkapital zu versorgen. Biswas und Bicket unterbrachen also ihr Graduierten-Studium am MIT, zogen nach Mountain View und starteten dann vergangenen Sommer Meraki. Sequoia Capital, eines der renommiertestes Risikokapitalhäuser in den USA und einer der frühen Google-Investoren, steckte ebenfalls Geld in die Jungfirma. "Ihre Mission passt gut zur Mission unseres Teams", meint Minnie Ingersoll, Produktmanagerin im "Alternative Access Team" von Google. "Wir wollen Wettbewerb im Internet-Zugangsgeschäft schaffen." Man wolle mehr Menschen online bringen und ihnen eine größere Auswahl präsentieren.

Das Meraki-Mesh-Netzwerk eignet sich insbesondere für Grassroots-Projekte, die sich einen eigenen Internet-Zugang schaffen wollen. Es ist nicht nur billig, sondern auch so gestaltet, dass es keine zentrale Kontrollinstanz benötigt. Zusätzlich zum automatischen Daten-Routing über die verschiedenen Einzelgeräte hinweg können diejenigen, die etwa ihre DSL-Verbindung zur Internet-Anbindung verwenden, mit einer "Dashboard"-Software genau kontrollieren, was über ihren Knoten passiert. Dazu gehören Sicherheitseinstellungen, Anzahl möglicher Nutzer, Bandbreitenverteilung und Verwendung eines Bezahlsystems, das Meraki anbietet, soll für das Netz Geld verlangt werden.

Michael McCarthy vom örtlichen "Booker T. Washington Community Services Center" nutzt Meraki, um ein Wohnprojekt namens Westside Courts in der Western Addition der Stadt San Francisco anzubinden. Statt mehrere tausend Dollar für Cisco-Mesh-Router zu bezahlen, ließ er sich die Technologie von Google und Meraki beschaffen. Die Firmen halfen ihm, 22 Router-Positionen in den beiden Gebäuden zu ermitteln, aus dem das Wohnprojekt besteht. Nun sind rund 60 Bewohner online – und jeden Abend laden sich die meist jungen Nutzer bis zu 5 Gigabyte an Daten herunter. Gleichzeitig kann jeder Notebook-Besitzer kostenlos das Netzwerk nutzen, sofern er eine WLAN-Karte besitzt. "Ich kenne mich mit Technologie ganz gut aus, aber die Cisco-Router habe ich nicht verstanden", meint McCarthy. Das Meraki-Netzwerk könne er hingegen überwachen und kontrollieren: "Das war wirklich Plug & Play."

Noch ist allerdings unklar, ob Meraki es tatsächlich hinbekommt, die gesamte Stadt San Francisco zu versorgen. Jeder Router kann sein Signal nur rund 200 Meter weit übertragen. (Eine Ausdehnung auf "bis zu 30 Kilometer" (Biswas) ist nur mit teuren Zusatzantennen möglich.) Yankee Group-Frau Wiggins und Craig Settles, Präsident der auf kommunale WLAN-Projekte spezialisierten Beratungsfirma Successful.com, glauben allerdings, dass sich damit ein Outdoor-System gut ergänzen ließe, sollte die Stadt San Francisco es jemals freigeben. Das größte Problem solcher Anlagen ist die Signalstärke innerhalb von Gebäuden – Meraki dürfte dies mit seinen Indoor-Routern beheben. Bis dahin, meint Settles, könnte ein solches Mesh-Netzwerk schon einmal dafür sorgen, Bereiche der Stadt abzudecken, die aktuell noch unterversorgt sind. (bsc)