„Erfolg hat nichts mit Glück zu tun“

Das Internet boomt heute wie in den Neunzigerjahren. Doch damals wie heute stellt sich die Frage, wie sich dieses Nutzer-Interesse in wirtschaftlichen Erfolg umsetzen lässt.

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Das Internet boomt heute wie in den neunziger Jahren, die Abrufzahlen von Web-2.0-Angeboten steigen und steigen. Doch damals wie heute stellt sich die Frage, wie sich dieses Nutzer-Interesse in wirtschaftlichen Erfolg umsetzen lässt. Auf der Technology-Review-Konferenz „Geld verdienen im Internet“ am 19. September in Hamburg gingen hochkarätige Referenten der deutschsprachigen Gründerszene dieser Frage nach.

Jemand, der es wissen müsste, ist Oliver Jung. Er hat schon während des Studiums ein Software-Unternehmen gegründet und es 2001 an die Deutsche Börse verkauft. Heute ist er als privater Investor tätig. Zu seinen Beteiligungen gehören unter anderem Xing und Places, eine Beteiligung an StudiVZ hat er – zu seinem eigenen Bedauern – bereits wieder verkauft. Woran erkennt man nun, dass ein Startup sich durchsetzen wird? „Erfolg hat nichts mit Glück zu tun. Die Gründe dafür sind sehr komplex, und ich verstehe diese Komplexität nicht immer, aber Zufall ist Erfolg jedenfalls nicht“, nahm Jung den Zuhörern die Hoffnung auf einfache Rezepte. Im Gegenteil: „Worauf man sich bei der Gründungsfinanzierung verlassen kann, ist, dass es immer anders kommt, als man denkt“, so Oliver Jung.

Eine Regel befolgt Jung aber doch, wie er den Zuhörern verriet: „Wenn ich einen Business-Plan bekomme, in dem steht, ich brauche erst einmal eine Million Euro und entwickle damit dann ein Jahr lang eine Software, bevor ich auf den Markt gehe, dann lösche ich den sofort.“ Lars Hinrichs, Chef der Kontakt-Webseite Xing (früher „OpenBC“), sieht das genauso wie sein Investor. Seine Empfehlung an Startups: „Mit so wenig Kapital wie möglich starten, einen Prototyp in der billigsten Form launchen und dann hoffen, dass man die wichtigsten Multiplikatoren findet.“

Risikokapital steht Hinrichs kritisch gegenüber: „Venture Capital ist kein Geschäftsmodell.“ Es sei nur sinnvoll, wenn auch das Geschäftsmodell trage. So habe Xing vom ersten Moment an eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft angeboten und Rechnungen geschrieben. „Damals gab es keinen anderen Weg, weil ich nicht so viel Geld hatte“, erinnert sich Hinrichs. Das habe Xing aber erspart, wie andere Unternehmen einen anfangs kostenlosen Dienst bepreisen zu müssen: „Das nehmen Nutzer extrem übel“, so Hinrichs.

Derzeit arbeitet Xing an Schnittstellen, mit denen sich die Kontakte zu anderen Plattformen überführen lassen. Dabei gibt es jedoch rechtliche Beschränkungen. „Die europäische Datenschutzrichtlinie und das Web 2.0 sind zwei sehr unterschiedliche Welten“, formulierte Hinrichs hanseatisch-zurückhaltend. Er rechnet allerdings damit, dass es auch bei Nutzern eine „neue Sensibilität“ bei der Privatsphäre geben wird. Deshalb könne bei Xing auch jedes Mitglied selbst bestimmen, welche Daten es für welche Gruppe zugänglich machen möchte.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion ging es um die Frage „Spielt Deutschland beim Internet-Business in der ersten Liga?“ Tristan Reckhaus von IBM verwies darauf, dass viele zentrale Technologien in Deutschland entwickelt wurden, auch wenn das von Web-Nutzern von außen nicht immer zu erkennen sei. Eckart Vierkant, Geschäftsführer der privaten Kreditvermittlungs-Webseite Smava, lobte die Deutschen als anspruchsvolle, aber auch treue Webkunden. Xing-Chef Hinrichs hingegen sah die deutsche Web-Szene allenfalls zweitklassig: „Wir haben viel zu viele Leute, die ein Geschäftsmodell – woher auch immer – kopieren, und sich dann Unternehmer schimpfen.“ (sma)