High-Tech für die Dritte Welt

M. Bernardine Dias vom US-Universitätsprojekt "TechBridgeWorld" will den Menschen in den Entwicklungsländern helfen, mit Technologie selbst auf die Beine zu kommen.

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Von
  • Erica Naone

Geld und das Entsenden von Experten reichen nicht aus, um den Menschen in den Entwicklungsländern zu helfen, glaubt M. Bernardine Dias, Direktorin des Non-Profit-Projektes "TechBridgeWorld an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Stattdessen müssten auch immer die lokalen Bedingungen, etwa Werte und Gebräuche, bei jedem Vorhaben einbezogen werden – bis die Menschen schließlich selbst vorankämen. Technology Review sprach mit Dias über ihren Ansatz, nachhaltige Technologielösungen für die Dritte Welt zu schaffen.

Technology Review: Frau Dias, wie will TechBridgeWorld neue Technologien einsetzen, um den Menschen in den Entwicklungsländern zu helfen?

M. Bernardine Dias: Das Ziel unseres Projektes ist anfangs immer der Beginn eines Gespräches mit den Menschen, die in Regionen leben, die bislang nur schlecht mit dem Notwendigsten versorgt wurden – um herauszufinden, was sie wirklich brauchen und wie Technologie ihnen helfen kann, diese Bedürfnisse künftig zu stillen. Wir entwickeln Wege, diese Lösungen gemeinschaftlich weiterzuentwickeln. Wir haben dabei zwei goldene Regeln: Erstens gehen wir nur dorthin, wo wir auch eingeladen wurden – das bedeutet, dass wir immer einen starken Partner in der örtlichen Gemeinschaft haben. Zweitens arbeiten wir immer im Rahmen eines Prozesses, bei dem alles zusammen entsteht. Wir gehen nur als Technologieexperten in die Situation hinein und diktieren niemanden, wie er künftig zu arbeiten hat oder was man auf längere Sicht tun oder lassen sollte. Es geht uns darum, die Menschen zu Neuem zu befähigen und nicht einfach Technologie vor die Tür zu kippen.

Wir kümmern uns um die Infrastruktur und suchen dann nach den richtigen Partnern in der jeweiligen Region. Wir helfen beispielsweise Schülern und dem Lehrkörper, aus einem bestehenden Problem ein Projekt zu formulieren und suchen dann nach einer Finanzierung. Wir haben außerdem Kurse entwickelt, bei denen Studenten beigebracht wird, gute Technologieberater zu sein – und auch immer das Armutsproblem zu verstehen. Was bedeutet es, für zwei Dollar oder weniger am Tag zu leben? Welche Herausforderungen bringt dies mit sich, wenn man in einem solchen Rahmen neue Technologien einführen möchte? Was ist die wirkliche Rolle, die neue Technologie spielen kann? Als globale Gemeinschaft haben wir hierfür bislang noch keine besonders guten Antworten gefunden.

TR: Sie betonen den Aufbau von Partnerschaften. Profitieren davon der Menschen auf beiden Seiten?

Dias: Wir gehen dies immer als eine Form des Miteinanderteilens an – nicht als Einbahnstraße. Es geht zwar teilweise darum, Gemeinschaften in den Entwicklungsländern bewusst zu machen, was Technologie für sie tun könnte, doch insgesamt noch viel weiter. Wir würden sehr gerne eigene Technologieexperten in diesen Regionen schulen, weil sie viel tiefgehender wissen, was dort gebraucht wird und wo die Herausforderungen liegen. Wir können aber auch von ihnen lernen. Ich habe kürzlich vor der NASA gesprochen – und da meinte dann jemand, dass bei der Raumfahrt neue Technologien in Bereiche gebracht würden, in denen es kein Stromnetz gibt. Obwohl es natürlich bei uns um ganz andere Summen geht, besteht hier doch eine Verbindung zur Dritten Welt. Wenn wir im Weltraum nach etwas suchen wollen, würde sich eine solche Technologie vielleicht dazu eignen, in Afrika nach Wasser zu bohren. Die Hauptsache ist, dass die Leute breiter denken, welche Technologien sich jeweils anwenden lassen.

TR: Sie selbst sind in Sri Lanka aufgewachsen. Hat Ihr persönlicher Hintergrund Ihre Arbeit auf dem Gebiet beeinflusst?

Dias: Das war sogar die Hauptmotivation. Ich wuchs mit einer sehr großen Leidenschaft für Technologie auf. Ich wollte mehr darüber wissen, weil es mir so vorkam, dass wir, als ich aufwuchs, in Sri Lanka jedes Mal Experten einfliegen lassen mussten, wenn es ein Problem gab. Sie fanden dann eine Lösung und interessierten sich oft überhaupt nicht für unsere kulturellen Bedürfnisse und Traditionen. Oft ging das dann schief, aber wir bezahlten dafür trotzdem viel Geld. Ich wuchs mit diesem Gefühl auf, dass wir endlich eigene Technologen und Experten bräuchten, damit wir sie nicht immer von außen herbeiholen müssten. Diese Idee wuchs in mir, seit ich ungefähr 10 Jahre alt war.

TR: Wie bringt man neue Technologien so in eine Gemeinschaft, dass sie für Menschen, die sie nicht kennen, annehmbar bleiben?

Dias: Wir haben kürzlich an einer Blindenschule in Indien gearbeitet, wo wir ein Lerngerät für Blindenschrift entwickelt hatten. Es führte dabei ein Kabel vom Stift zu dem restlichen Gerät. Als wir dann vor Ort waren, fanden wir heraus, dass die Kinder sehr viel Angst vor der Komponente hatten. Der Grund dafür war, dass blinden indischen Kindern immer beigebracht wird, aus Sicherheitsgründen von Kabeln und Drähten Abstand zu halten. Einer unserer Studenten, der an dem Projekt arbeitete, nahm dann schließlich den Stift und rieb ihn an ihr Gesicht, während ein Kind ihn hielt, um zu zeigen, dass die Technologie harmlos war. Wenn man mit verschiedenen Gruppen spricht, muss man sich eben immer wieder neue Kommunikationswege einfallen lassen.

TR: Könnten Sie uns eine der Erfolgsgeschichten von TechBridgeWorld nennen?

Dias: Vor zwei Sommern gingen wir nach Ghana, um die ersten Robotik-Seminare auf Universitätsniveau mitzuentwickeln und zu lehren. Im letzten Jahr schlossen zwei der Studenten, die das Seminar absolviert hatten, ihr Studium ab und gründeten ein Start-up. Sie stellen nun eine intelligente Geldbörse her, mit der man per Handy Finanztransaktionen durchführen kann. Sie kontaktierten uns dann, um weitere Referenzen für bestimmte Themenbereiche zu erhalten. Das ist wirklich spannend, wenn man es einer ganz neuen Generation ermöglichen kann, die Dinge plötzlich mit ganz anderen Augen zu sehen. (bsc)