Reaktionsschnelle Online-Spiele

Neuronale Netze sollen zu einem Ende der berüchtigten "Lag"-Probleme bei populären Multiplayer-Games führen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Erica Naone

Spiele-Fans ist das Problem wohlbekannt: Mitten im besonders spannenden, schnellen Kampfgetümmel wird die Action auf dem Schirm plötzlich langsam und fängt an zu ruckeln. Oder noch schlimmer: Der eigene Spielcharakter ist plötzlich tot – und man weiß noch nicht einmal, wer schuld daran war. Bei so genannten MMOs (Massive Multiplayer Online Games) kommt es vor allem deshalb zu diesem Problem, weil die Rechner der einzelnen Spieler nicht schnell genug mit den Veränderungen in der Online-Welt mithalten können – so wird aus Euphorie schnell Frust. An der National University of Ireland im irischen Maynooth arbeiten Forscher nun an einem Verfahren, mit dem dieses Problem, auch unter dem Fachbegriff "Lag" bekannt, deutlich zu reduzieren.

"Idealerweise würden die Spieler allesamt immer das gleiche Erlebnis haben – und Online-Spiele so ablaufen, als würden alle Teilnehmer im gleichen Wohnzimmer sitzen", sagt Michael Katchabaw, Juniorprofessor für Informatik an der University of Western Ontario, der die Studie kennt. Bei Online-Spielen müssten die Rechner der einzelnen Teilnehmer sich ständig gegenseitig auf dem neuesten Stand halten. Diese so genannten Updates überlasten aber nicht selten die Netzbandbreite. Eine Methode, dies zu reduzieren, nennt sich "Dead Reckoning", was übersetzt so viel wie "Todesvorhersage" heißt.

Dabei läuft auf jedem Spielerrechner eine vereinfachte Simulation des aktuellen Game-Verlaufs ab. Gleichzeitig berechnet der PC aber natürlich auch noch ganz genau, was der Teilnehmer tut und wo er sich befindet. Beide Versionen werden ständig abgeglichen. Passen sie nicht zusammen, wird ein Update an alle teilnehmenden Computer gesendet, die dann die notwendigen Korrekturen vornehmen können. Dank der Simulation reduziert sich die Anzahl der notwendigen Netzkontakte deutlich.

"Die meisten bekannten Simulationen und Spiele nutzen Dead Reckoning bereits auf die ein oder andere Art", erklärt Aaron McCoy, Postdoc in Maynooth, der das Projekt technisch leitet. Auch der populäre Shooter "Quake" gehöre dazu. Genau genug sei Dead Reckoning aber noch nicht. Mit Hilfe neuartiger Software, an der die Iren arbeiten, könnte sich das aber ändern.

Das System funktioniert derzeit am besten im Bereich der Erkennung fehlerhafter Bewegungen. Dead Reckoning-Techniken nehmen normalerweise an, dass der Spielcharakter die Geschwindigkeit und Richtung beibehält, die er hatte, als das letzte Update abgeschickt wurde. Das funktioniert bei virtuellen Kugeln gut, doch vom Menschen kontrollierte Avatare bewegen sich oft schnell und abgehackt.

McCoys System verbessert diesen Prozess durch die Installation eines neuronalen Netzes auf dem Spielercomputer, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz Spielschritte vorausberechnet. So ergibt sich eine weitere Vorhersageschicht und somit smartere Updates. "Was wir hier versuchen, ist zu bestimmen, wo sich jemand in einer halben Sekunde aufhalten wird. Diese Information wird dann einberechnet und an die anderen Rechner weitergegeben." So lassen sich die 10 bis 20 Updates, die bei vielen Spielen pro Sekunde notwendig sind, um 10 bis 20 Prozent reduzieren. Dies fluktuiere jedoch je nach Situation, so McCoy.

Obwohl das neuronale Netz zusätzliche Leistung auf dem Rechner des Nutzers frisst, hält McCoy diese für vernachlässigbar im Vergleich zu all den anderen Berechnungen, die sowieso schon bei MMOs notwendig sind. "Bei den meisten Spielen, selbst den großen, ist der eigene Computer nur für eine Einheit zuständig – den eigenen Avatar." Forschungskollege Katchabaw glaubt, dass dieser Ansatz Online-Spiele konsistenter erscheinen ließe. Dead Reckoning sei anfangs für militärische Simulationen entwickelt worden – genau deshalb funktioniere das Verfahren am besten bei Bewegungen und Schusswechseln, weniger bei der friedlichen Interaktion mit Gegenständen oder anderen Spielern.

Tomas Ward, Dozent an der Fakultät für Elektrotechnik an der National University of Ireland, ist ebenfalls an der Studie beteiligt und betont, dass man nicht nur ein neuronale Netz nutze, sondern auch die Datenübertragung zwischen den Teilnehmern verbessere – entsprechende frühere Forschungsarbeiten flossen in die Arbeit mit ein. "Unser Code wird sich jeweils um eine Einheit im Netzwerk kümmern und sicherstellen, dass sich jede Darstellung eines Spielers und jede Darstellung eines Objektes während des ganzen Spielverlaufs nicht zu weit vom akzeptierten Mittel entfernt." Eine Beta-Version der Software soll bis Sommer 2008 vorliegen. (bsc)