Wird das Auto zu komplex?

Die Entwicklung der Elektronik scheint die Auto-Hersteller zunehmend zu ĂĽberfordern. Erste Stimmen werden laut, die ein radikales Umdenken fordern - Vorbild ist das Flugzeug

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Von
  • Thomas Vasek

(Zusammenfassung aus Technology Review Nr. 7/2004)

Die Automobilbranche steht vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Der Wettbewerbs- und Innovationsdruck steigt ständig. Zuleich wird es immer schwieriger, die technische Komplexität zu beherrschen.

Der Elektronik- und Softwareumfang im Auto nimmt immer mehr zu. Mit der Systemkomplexität steigt aber auch die Fehleranfälligkeit. Rund die Hälfte aller Pannen gehen heute bereits auf Elektronikprobleme zurück - Tendenz steigend. Rückrufaktionen drohen das Markenimage und ganze Baureihen zu gefährden. Zuletzt mußte Mercedes 680.000 Fahrzeuge der E-Klasse wegen Problemen mit der elektrohydraulischen Bremse SBC in die Werkstatt zurückrufen - die größte Rückrufaktion in der Firmengeschichte.

Seit die Elektronikprobleme Millionen kosten, wird die Beherrschung der Komplexität auch zum Thema in den Vorstandsetagen der Autohersteller. Heutige Oberklassefahrzeuge verfügen bereits über 60 bis 70 Steuergeräte und mehr. Der Kabelstrang im VW Phaeton etwa besteht aus 2110 Leitungen und hat eine Gesamtlänge von 3860 Metern - bei einem Gewicht von 64 Kilogramm. Zugleich ermöglichen der steigende Softwareumfang und leistungsfähige Bussysteme, immer mehr früher getrennte Teilsysteme miteinander zu vernetzen und damit neue Funktionen ins Auto zu bringen: Das Automobil wird immer mehr zum Computernetzwerk auf Rädern.

Damit handeln sich die Hersteller aber auch viele Probleme der Computerwelt ein. Schon heute kämpft die Branche mit Kompatibilitätsproblemen bei der Software. Mit der Anbindung an externe Funknetzwerke könnten bald auch Viren und Hacker ins Automobil eindringen.

Im Kampf gegen die Komplexität setzen die Automobilentwickler unter anderem auf offene Standards und neue, zeitgesteuerte Bussysteme für die Datenkommunikation. Unter anderem aufgrund ungelöster Sicherheitsfragen, aber auch aus Kostengründen gilt die Entwicklung sogenannter By-Wire-Konzepte für Lenkung und Bremse (Steer-by-Wire, Brake-by-Wire), also die Ersetzung mechanischer oder hydraulischer durch elektronische Verbindungen, zur Zeit als ausgesetzt.

Die Autohersteller setzen derzeit mehr auf neue Fahrerassistenzsysteme. Doch der Weg zum Auto der Zukunft zeichnet sich ab: Langfristig könnten zentral gesteuerte Architekturen nach Flugzeug-Vorbild, in Kombination mit Fahrerassistenzsystemen, wieder zu einer Vereinfachung des Systems Automobil führen. (sma)