NSA-Ausschuss: Kanzleramt sieht keinen großen Reformbedarf beim BND

Der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt hält als Antwort auf den NSA-Skandal höchstens "klarstellende Regeln" im BND-Gesetz für nötig. Neue konkrete Eingriffsbefugnisse seien nicht nötig, erklärte Günther Heiß im Bundestag.

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BND

(Bild: dpa, Soeren Stache)

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Die zahlreichen rechtlichen Graubereiche, in denen der Bundesnachrichtendienst (BND) nicht nur bei seiner Kooperation mit der NSA zur Telekommunikationsaufklärung operiert, machen allenfalls ein Reförmchen nötig. Davon geht zumindest Günther Heiß aus, der im Bundeskanzleramt die Dienst- und Fachaufsicht über die Geheimdienste führt. Im Kanzleramt spreche man darüber, ob "klarstellende Regeln" etwa ins BND-Gesetz aufgenommen werden sollten. Änderungen am Gesetz müsse aber "die Exekutive" direkt vorantreiben.

Konkret bezog sich der Ministerialdirektor am Freitag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags darauf, dass der BND bei der umstrittenen Operation Eikonal an einen Netzknoten der Deutschen Telekom in Frankfurt heranging. Einen solchen Eingriff ins Telekommunikationsgeheimnis zur Überwachung von Bundesbürgern muss sich der Geheimdienst normalerweise von der zuständigen G10-Kommission des Bundestags genehmigen lassen. Bei dem Projekt ging es dem BND aber darum, im Inland ausländische "Routineverkehre" sowie Metadaten zu erfassen und teils an die NSA weiterzugeben. Diese abgezweigte Kommunikation unterliegt dann nicht einer parlamentarischen Kontrolle.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

"Wir sind der abgestimmten Meinung, dass eine konkrete Eingriffsbefugnis rechtlich nicht erforderlich ist", führte Heiß dazu aus. Die "Generalklausel" im BND-Gesetz reiche für solch weit gefasste Maßnahmen aus. Das Abhören von Routineverkehren beinhaltete keine Grundrechtseingriffe. Das Kanzleramt habe sich aber den "Wunsch" des G10-Gremiums "gewissermaßen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" zu Herzen genommen, dass es über derlei Praktiken künftig immer informiert werden wolle. Für eine "transparentere Kontrolle" und eine "saubere Regelung" sei die Bundesregierung offen, meinte Heiß. Nicht jeder Schlamassel deute aber daraufhin, "dass rechtswidrige Zustände herrschen".

Zur Operation Glotaic, bei der der BND Telefon- und Faxverkehre von einem Netzknoten von MCI bei Düsseldorf abgezweigt und teils ungefiltert an die CIA übermittelt haben soll, wollte sich Heiß nur in geheimer Sitzung äußern. Generell sei es dem BND aber "dem Gesetz nach erlaubt", auch ohne G10-Anordnung bei einem Provider einzudringen und Abhörtechnik einzubauen. Das Kanzleramt würde auch "jede Kooperation zulassen, die sich im rechtlichen Rahmen bewegt". Der BND müsse die dortige Aufsicht aber in der Regel auch nur über Operationen und Vorkommnisse informieren, wenn diese "medial besonders sensibel sein" könnten. Es sei nicht möglich, "bis in jedes Detail runterzugehen".

Schwer tat sich der Koordinator mit einer Einschätzung, ob der BND mit dem ungeprüften Einspielen von Suchbegriffen der NSA in die eigenen Datenbanken, gegen das Recht verstoße. Im fiktiven Fall, dass es sich beim Ziel um EU-Kommissar Günther Oettinger handeln könnte, bejahte er diese Frage zunächst. Später schränkte er jedoch ein, dass die "reine Aufnahme eines zufälligen" deutschen Teilnehmers in ein aktives Suchprofil noch nicht illegal sei, solange die abgehörte Kommunikation "dann nicht weiter behandelt wird".

Die umstrittene gemeinsame Liste von BND und NSA mit kritischen Selektoren aus dem Horchposten Bad Aibling könne die Bundesregierung nicht einfach an parlamentarische Gremien weitergeben, ergänzte Heiß. Diese "unterliege der Konsultationspflicht" mit den USA. Die Bundesregierung habe deswegen eine "Reihe von Fragen" nach Washington gesandt. Eine Antwort sei ihm bislang aber weder schriftlich noch mündlich bekannt, sagte er und widersprach damit einem anderslautenden Medienbericht. Die einschlägige Aufklärung sei ein "laufender Prozess", bei dem viel auch von der Arbeit des Untersuchungsausschusses abhänge. Es sei zu früh, Konsequenzen zu ziehen.

Ob das potenzielle Ausspähen französischer Regierungsmitglieder im Rahmen der Kooperation einen Rechtsverstoß darstellen könnte, müssten Heiß zufolge "berufenere Juristen beurteilen". Es würde sich auf jeden Fall um eine Missachtung des einschlägigen Abkommens zwischen BND und NSA handeln. Dabei handle es sich aber um eine "freiwillige Zusage, sich entsprechend zu verhalten". Zuwiderhandlungen wären dementsprechend "dienstrechtlich relevant". Andererseits gab der in die Mangel Genommene auch zu Protokoll, dass ein Abhören des französischen Präsidenten nicht durchs BND-Gesetz gedeckt wäre.

Für den Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, haben sich so "neue Widersprüche" in den Aussagen des bereits zum zweiten Mal vernommenen Ministerialdirektors aufgetan. Dem Kanzleramt warf er vor, "nie in eine aktive Rolle bei der Aufsicht" gekommen zu sein und den "Schmutzhaufen" gigantisch groß wachsen lassen zu haben. Christian Flisek von der SPD witterte ein "systematisch nicht abgedecktes Feld von Fehlern". Über Heiß und seine Vorstellung von BND-Kontrolle "entsetzt" zeigte sich der Linke André Hahn: "Da läuft etwas absolut aus dem Ruder." (mho)