"Der Preis ist noch nicht hoch genug"

Interview mit Vaclav Smil, Distinguished Professor der Universität von Manitoba (Kanada) und Mitglied der Royal Society of Canada.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Tobias Hürter
Inhaltsverzeichnis

Vaclav Smil ist Distinguished Professor der Universität von Manitoba (Kanada) und Mitglied der Royal Society of Canada. Seine Spezialgebiete sind Energie- und Nahrungsmittelwirtschaft sowie Demographie, insbesondere mit Blick auf China. In seinem Buch "Energy at the Crossroads" (MIT Press, überarbeitet und aktualisiert 2005) propagiert er einen möglichst breit angelegten Energiemix, ohne Festlegung auf bestimmte Energiequellen.

TR: Alle Welt sorgt sich um den Ölpreis und rätselt über die Gründe für seinen Höhenflug.

Smil: Der Ölpreis ist nicht auf Höhenflug! Er ist weit unterhalb seines Rekordstands von 1981. Das Barrel kostete damals 38 US-Dollar. Wenn man die Inflation herausrechnet, entspricht dies einem heutigen Preis von fast 90 Dollar. Wenn man zudem berücksichtigt, dass die amerikanische Wirtschaft für jeden Dollar des Bruttoinlandsprodukts 30 Prozent weniger Öl verbraucht als damals, und dass die meisten Menschen heute ein beträchtlich höheres Einkommen haben, dann kostet Öl heute etwa um die Hälfte weniger als damals. Es ist nirgends ein Rekordpreis in Sicht.

Aber zumindest wird der Ölpreis von vielen Menschen als zu hoch wahrgenommen.

Smil: Der Wirtschaft macht es nichts aus. Die Leute fahren mehr Auto als letztes Jahr. Zwischen 1978 und 1985 mussten sie viel mehr für Sprit bezahlen.

Sie beklagen sich nur, reagieren aber nicht?

Smil: Der Spritpreis in den USA ist mit 80 Cent pro Liter noch nicht hoch genug. Ich glaube, dass er mindestens um weitere 30 bis 40 Prozent steigen muss, bis er Elastizität zeigt -- bis also die Verbraucher seinem Anstieg mit sinkender Nachfrage entgegenwirken.

Wenn die jetzige Ölkrise nur eine empfundene Krise ist, was passiert dann gerade auf den Märkten?

Smil: Wir haben eine lange Phase sehr niedriger Preise hinter uns. Sie begann 1985, als das Barrel für kurze Zeit nur noch fünf Dollar kostete. Bis zum Golfkrieg 1991 bewegte sich der Preis zwischen zehn und 15 Dollar, schoss dann kurz nach oben und lag bis zum Ende der 1990er Jahre immer zwischen 18 und 28 Dollar. Wenn man dabei wieder Inflation und steigende Energieeffizienz einrechnet, ist der Ölpreis in dieser Zeit tatsächlich gesunken. Kaum jemand bohrte noch nach Öl, weil es sich nicht mehr lohnte. Aber dann stieg die Nachfrage schnell an, einerseits durch das Wachstum in China und Indien, andererseits durch das Aufkommen dieser idiotischen "Sports Utility Vehicles" (SUVs), die inzwischen die Hälfte aller Fahrzeuge auf amerikanischen Straßen ausmachen. Manche dieser Monster verbrauchen 16 Liter auf 100 Kilometern.

Wie könnte man bei den Autofahrern einen Lerneffekt erzielen?

Smil: Das ist eine einfache Rechnung. 1973 verbrauchten amerikanische Autos im Durchschnitt gut 18 Liter auf 100 Kilometern. 1985 war es nur noch die Hälfte. Dann stockte der Trend zur Sparsamkeit, weil der Spritpreis kollabierte. Wenn er bis 2005 mit gleicher Rate fortbestanden hätte, würden amerikanische Autos heute deutlich weniger als fünf Liter pro 100 Kilometer verbrauchen -- und die Araber würden uns anflehen, ihr Öl zu kaufen. Tatsächlich brauchen amerikanische Pkw heute mehr als 8,5 Liter pro 100 Kilometer, und da sind die SUVs noch nicht einmal eingerechnet, weil sie als leichte Lastwagen gelten. Und auch in Europa werden die Autos dicker: Das Gewicht europäischer Kleinwagen hat in den letzten 20 Jahren von 800 Kilogramm auf 1100 Kilogramm zugenommen. Insgesamt könnten die Autos dieser Welt heute mit der Hälfte oder sogar einem Drittel ihres derzeitigen Verbrauchs auskommen.