Die Wissenschaft der Hyperküche

Wissenschaft und Technik verändern sogar die traditionelle Kunst des Kochens.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jason Pontin
Inhaltsverzeichnis

Vergangenen Sommer saß ich eines Abends im "Charlie Palmer's Dry Creek Kitchen", dem Restaurant des Hotels Healdsburg im kalifornischen Sonoma County. Meine Tischgenossin war meine älteste Freundin, Circe Sher, deren Familie das Hotel gehört. Wir aßen uns durch ein Sechs-Gänge-Menü, dessen Inhalt sich laut Speisekarte aus feinen Zutaten mit einer Betonung nordkalifornischer Produkte zusammensetzte.

So gab es ein Tomaten-Consommé mit einem gelben Tomaten-Sorbet, einen "Branzino" (Seebarsch aus dem Mittelmeer) mit Trüffelfüllung und Speckmantel, Täubchen mit Pfifferlingen auf Gänseleberpastete, ein Kümmel-Lamm, Rindfleisch zweierlei Arten auf Gemüse sowie eine Pfirsich-Tarte Tatin zum Nachtisch.

Wenn man dies so liest, klingt das keineswegs merkwürdig. Doch das eigentliche Mahl war irgendwie ganz anders: Der Vogel schmeckte wie etwas, das ich noch nie gegessen hatte - jeder Bissen schmeckte unglaublich intensiv. Die Haut des Vogels fühlte sich merkwürdig seidig an, was ich allerdings nicht als störend empfand. Als ich schließlich das Lamm vor mir hatte, wusste ich, dass das alles nicht normal sein konnte. Das Fleisch war enorm gleichmäßig gekocht und schmeckte gleichzeitig fantastisch intensiv. Auch hier war die Textur merkwürdig -- sie wirkte eher wie die Haut einer Frucht oder eines Gemüses als wie bei Fleisch.

"Unser neuer Küchenchef Michael ist daran schuld. Er setzt die "Sous Vide"-Technik ein", erklärte mir Circe schließlich ein bisschen snobistisch. Sie hatte mein Erstaunen erwartet.

Michael Voltaggio, der Küchenchef im "Dry Creek Kitchen", gehört zu den Befürwortern eines seit kurzem in Mode gekommenen Kochstils, der sich mit "wissenschaftlich" oder auch "hypermodern" umschreiben lässt. Es ist ein sehr technischer Vorgang - die neue Küche borgt sich Methoden aus der industriellen Nahrungsverarbeitung und wendet sie auf die Haute Cuisine an. "Sous Vide" (Französisch für "unter einem Vakuum") ist dabei die bekannteste und sicher auch erstaunlichste Innovation. Dabei werden die Zutaten in kleine Plastikbehälter gegeben und schließlich vakuumverpackt (das nennt man auch "Cryovacking"). Anschließend wird der Behälter in warmem Wasser sehr lange bei niedriger Temperatur gekocht.

Voltaggios Arbeitsplatz erinnerte mich eher an ein Labor als an eine anarchische Küche: Es ist ruhiger und aufgeräumter. Der Chefkoch, ein dünner, rothaariger junger Mann, zeigte mir sein Vakuumgerät, den Cryovac. Das Gerät sah nicht nach viel aus, obwohl eine solche Anlage mehrere Tausend Dollar kosten kann. Daneben stand ein Wasserbad aus Edelstahl, dessen Temperatur sich bis auf ein Zehntel Grad anpassen lässt.