Künstliche Plaudertaschen: Chatbots 40 Jahre nach Eliza

Ein paar Zeilen Code spiegeln Intelligenz vor: 40 Jahre nach der Veröffentlichung des Programms Eliza verdienen Chatbots Geld als Kundenberater.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Karlhorst Klotz
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Was Joseph Weizenbaum bis heute erschreckt, ist die Reaktion seiner ehemaligen Kollegen am Massachusetts Institute of Technology. "Eliza versteht mich" hätten ihm so manche zugeraunt, die an einem Terminal des MIT ein paar Zeilen mit der Pseudo-Psychiaterin ausgetauscht hatten, erinnert sich der fast 83-Jährige. Dabei war Weizenbaums Rezept simpel: Man nehme die Eingabe, suche nach wichtigen Begriffen und treibe mit dem Echo solcher Sätze das Gespräch voran: "Mein Freund hat mich hergeschickt" "Ach so, Ihr Freund hat Sie hergeschickt." "Er sagt, ich sei oft depressiv" "Tut mir leid zu hören, dass Sie oft depressiv sind." Wenn diese Regel nicht greift, helfen ein paar Fragen weiter, die die Aussage aufnehmen: "Es ist wahr, ich bin unglücklich" "Hilft es Ihnen, hierher zu kommen, um nicht mehr unglücklich zu sein?" – so entlockte das Programm den freiwilligen Versuchskaninchen intime Geständnisse.

Eliza simuliert den Psychotherapeuten jedoch nicht – wie später vielfach kolportiert –, weil Weizenbaum seinen allzu leichtgläubigen Kollegen demonstrieren wollte, wie leicht man einen menschlich erscheinenden Gesprächspartner simulieren kann. Die Rollenwahl begründet sich vielmehr aus der besonders einfachen Gesprächssituation: Einem Therapeuten wird erlaubt, keinerlei Wissen über die Welt zu zeigen, ohne dass dadurch seine Glaubwürdigkeit verloren geht, weil der Mensch selbst hinter den krausesten Nachfragen eine therapeutische Absicht vermutet.

Die nach der nicht immer ganz stilsicheren, aber lernfähigen Blumenverkäuferin Eliza Doolittle aus George Bernard Shaws "Pygmalion" – besser bekannt als "My Fair Lady" – benannte Software hat 40 Jahre nach Weizenbaums Veröffentlichung im Januar 1966 (Communications of the ACM Volume 9, Number 1, S. 36-35) zahlreiche Nachfahren. Teilweise wetteifern die schwatzhaften Programme um den jährlich ausgeschriebenen Loebner-Preis für das am meisten menschelnde Machwerk.

"Eliza hatte nur etwa 200 Muster und Antworten, Alice kennt über 100.000" beschreibt Richard Wallace von der Alice A.I. Foundation den Fortschritt, der seine mittlerweile zehn Jahre alte Plaudertasche schon dreimal auf den ersten Platz im Loebner-Wettbewerb brachte. Schiere Rechenpower beeindruckt Weizenbaum trotz aller Entwicklung aber nicht: "Alice ist recht doof", meint er. "Sie kennt keinen Kontext, weiß also nicht, um was es geht". Chat-Roboter stolpern daher oft schon über die erste Frage der Juroren, beispielsweise ob die große Zehe größer als eine Boeing 747 ist. Und mancher Preisrichter seufzt nach wenigen Wortwechseln: "Mir ist, als würden wir unterschiedliche Sprachen sprechen".