Insektenspray schaltet Gene ab

Der US-Agrochemiekonzern Monsanto will bei Pflanzenschädlingen per Insektenspray gezielt wichtige Gene abschalten, um sie zu töten. Doch es gibt noch viele offene Fragen.

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Sicht aus Gras in den Himmel
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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
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Monsanto will Schadinsekten wie die gefräßigen Kartoffelkäfer mit einem neuartigen Spray bekämpfen. Statt Insektiziden enthält er kurze RNA-Stücke, also Arbeitskopien eines Genabschnitts auf der DNA. Mit ihm besprühten die Forscher Kartoffelpflanzen im Labor. Was zunächst harmlos klingt, hat es in Wahrheit in sich, schreibt Technology Review in seiner neuen Ausgabe (am Kiosk und im Heise Shop erhältlich): Denn das Spray löst in den Käfern einen Mechanismus namens RNA-Interferenz (RNAi) aus. Dieser deaktiviert vorübergehend ausgewählte Gene: In diesem Fall schalteten die Forscher eins ab, das für die Kartoffelkäfer lebenswichtig ist.

Kartoffelkäfer lassen sich schlecht mit herkömmlichen Insektiziden bekämpfen, denn sie sind bereits gegen 60 von ihnen resistent. Der Angriff mittels RNA-Interferenz dagegen werde schwer zu überwinden sein, glaubt Jeremy Williams, der das Insektizid-Programm leitet. Sollte der Käfer eine Resistenz gegen das RNA-Molekül entwickeln, könnten Genetiker „die Sequenz um ein paar Buchstaben verschieben“ oder mehrere Gene gleichzeitig aufs Korn nehmen.

Der Reiz der sogenannten BioDirect-Sprays liegt darin, die Gene von Organismen zu beeinflussen, ohne ihr Genom direkt zu verändern. Bisher setzte der Konzern hier neben Insektiziden auf gentechnisch veränderte Pflanzen, die – wie etwa der sogenannte Bt-Mais – selbst Insektengifte produzieren. Nun soll die neue Technik helfen, den bisherigen GMO-Kontroversen zu entgehen. Denn RNA-Moleküle finden sich überall in der Nahrung, ihr Verzehr gilt bisher für Menschen als nicht giftiger als ein Glas Orangensaft. Die Sprays lassen sich darüber hinaus je nach Bedarf schnell zuschneiden: auf einen Insektenbefall oder eine neue Art von Virus. Sie sollen präzise genug sein, um nur Kartoffelkäfer zu töten, nicht aber etwa Marienkäfer.

2020 soll das Spray auf den Markt kommen. Doch ob sich die Hoffnung des Konzerns auf mehr Verständnis bei Zulassungsbehörden und Verbrauchern erfüllt, ist offen. Die US-Umweltschutzbehörde EPA stimmte zwar zu, dass es tatsächlich wenig Hinweise auf eine Gefährdung von Menschen durch RNA-Verzehr gebe. Allerdings sahen sie weiteren Untersuchungsbedarf für "potenziell unbeabsichtigte" ökologische Auswirkungen. Verbrauchern wiederum dürfte das Argument, dass RNAi-Sprays das Genom der Pflanzen nicht verändern, nicht reichen. Sie werden sie trotzdem als Genpflanzen wahrnehmen. Die Bühne für die nächste große Gen-Debatte ist bereitet.

Mehr dazu in der neuen Ausgabe von Technology Review (im Heise Shop erhältlich). (vsz)