Neue Top Level Domains: zögerliche Nutzung der Marken-Privilegien

Ein eigenes Regelwerk garantiert Markeninhabern attraktive Privilegien bei den neuen Internet-Adressen. Zur Verwunderung der Domainbranche werden die aber nur zögerlich genutzt, wie ein aktueller Bericht der Internetverwaltung ICANN zeigt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 29 Kommentare lesen
Internet, Router

(Bild: cylonka Bsg)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Stefan Mey

Das Trademark Clearinghouse ist ein praktisches Tool für Markeninhaber. Wer immer ein Recht an einer Marke in irgendeinem Land der Welt nachweisen kann, kann diese in die nicht-öffentliche Datenbank eintragen. In einer mindestens 30-tägigen "Sunrise"-Phase vor dem offiziellen Start einer Top Level Domain kann er dann (Second Level) Domains innerhalb dieser TLD passend zum Markennamen erwerben.

Hat der allgemeine Verkauf der Webadressen begonnen, startet noch eine mindestens 90-tägige "Claims"-Phase. Will jemand eine Domain kaufen, zu der ein Marken-Eintrag existiert, sieht er eine Warn-Meldung. Registriert er trotzdem, wird der jeweilige Markeninhaber benachrichtigt. Sieht der eine missbräuchliche Nutzung, kann er versuchen, mit speziellen Schutzmechanismen dagegen vorzugehen.

Die Domain-Branche wunderte sich schon früh darüber darüber, dass das attraktive und hart erkämpfte Instrument von Unternehmen eher zaghaft genutzt wird. Ein aktueller Markenbericht der Internetverwaltung ICANN versucht, ein Zwischenfazit zu ziehen.

38.000 Marken aus 109 Ländern wurden bis Anfang August ins Trademark Clearinghouse eingetragen (darunter sind wohl auch einige fragwürdige, generische Vertreter, wie eine Analyse zeigte). Ein Drittel der Einträge stammen aus den USA, 1.400 aus Deutschland.

Das Sunrise-Recht wurde pro Marke durchschnittlich nur ein Mal in Anspruch genommen, es gab etwa 44.000 solcher Marken-Registrierungen. Dabei wurden wohl öfters als Vorsichtsmaßnahme heikle Domains defensiv gesichert, wie ein Ranking nach Sunrise-Registrierungen nahelegt. Auf den ersten beiden Plätzen stehen die Endungen .porn und .adult:

  • .porn 2.091
  • .adult 2.049
  • .london 799
  • .clothing 676
  • .website 633
  • .luxury 523
  • .nyc 482
  • .international 479
  • .company 469
  • .tokyo 462

Da der Bericht auf Daten von Mai 2015 zurückgreift, dürfte mittlerweile allerdings eine andere Endung an der Spitze stehen. Die bei Markeninhabern besonders umstrittene Endung .sucks soll in ihrer Sunrise-Phase laut Branchenberichten etwa 3.400 Domains verkauft haben, bei Preisen zwischen 2.000 und 2.500 US-Dollar pro Registrierung.

Im Bericht wird zudem über die Gründe für die schwache Akzeptanz des Trademark Clearinghouses spekuliert. Die Preise für Registrierungen seien zu hoch gewesen, heißt es immer wieder im Feedback von Unternehmen. Domains in der Sunrise-Phase waren meist erheblich teurer als in der Phase der allgemeinen Verfügbarkeit. Kritisiert wurde auch die Unübersichtlichkeit. Jede neue Endung hatte eigene Sunrise-Zeiten mit teilweise auch eigenen Spezial-Regelungen.

Auch bei einem anderen Teil des Marken-Programms der ICANN sieht es noch mau aus. Etwa jede Dritte der ursprünglich 1.900 Bewerbungen um eine neue Endung bezog sich auf eine Marken-TLD, die exklusives Hoheitsgebiet des jeweiligen Markeninhabers ist. Viele von ihnen sind technisch gesehen schon im Netz.

Oft findet sich bisher aber kaum mehr als die obligatorische Platzhalter-Domain nic.TLD, die teilweise direkt oder nach einem Klick auf die ursprüngliche .de- oder com-Adresse weiterleitet, so etwa bei nic.lidl, nic.bmw oder nic.ubs. Die Marken-Endungen liegen fast alle noch im Dornröschenschlaf. (jk)