Gen-Editiertechnik wird noch leistungsfähiger

Mit einer Methode namens CRISPR-Cas9 lassen sich Genome ungekannt präzise verändern. Eine neue Variante könnte sie noch besser machen – dürfte aber auch von Patentstreitigkeiten motiviert sein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Antonio Regalado

Mit einer Methode namens CRISPR-Cas9 lassen sich Genome ungekannt präzise verändern. Eine neue Variante könnte sie noch besser machen – dürfte aber auch von Patentstreitigkeiten motiviert sein.

Wissenschaftler in Boston haben eine neue Variante für eine wichtige Methode zum gezielten "Editieren" von Genomen gefunden. Sie könnte Forschern zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten in die DNA von Lebewesen geben – und zugleich Einfluss auf einen Patentstreit haben, der um die leistungsfähige Technik entbrannt ist.

Er habe einen Ersatz für eine wichtige Komponente des als CRISPR-Cas9 bezeichneten Systems zum Gen-Editieren entwickelt, schrieb Feng Zhang, ein Forscher am Broad Institute von Harvard University und MIT, Ende September in der Fachzeitschrift Cell.

Die Technologie, mit der DNA exakt an der gewünschten Stelle durchschnitten werden kann, hat sich im Eiltempo in Laboren in aller Welt verbreitet. Denn sie bietet eine vielseitige und mächtige Möglichkeit, die DNA von Bakterien, Pflanzen oder auch Menschen zu verändern. Für Wissenschaftler schafft sie vollkommen neue Möglichkeiten bei der Erforschung von so unterschiedlichen Bereichen wie der Alzheimer-Krankheit oder genmanipulierten Pflanzen.

Die aktuelle Arbeit von Zhang und Kollegen zeigt, dass sich das für das Schneiden verwendete Protein Cas9 durch ein anderes Protein – Cpf1 – ersetzen lässt, das laut Zhang nicht weniger vielseitig ist. Das System stehe "für eine neue Generation von Technologie zum Editieren von Genen", die "dramatisches Potenzial für Fortschritte in der Gentechnik" habe, wird Eric Lander, Leiter des Broad Institute, in einer sorgfältig formulierten Pressemitteilung zitiert.

Der Hintergrund für diese Meldung ist ein Patentstreit mit der University of California in Berkeley über die Frage, wer die CRISPR-Editierwerkzeuge erfunden hat, insbesondere Cas9. Das US-Patentamt prüft derzeit, ob es in diesem Fall intervenieren sollte.

Das neue System könnte einen Ausweg aus dem juristischen Gezerre bieten, weil es zum Schneiden ein anderes Protein verwendet. "Sein größter Wert könnte eher im Patentbereich liegen als in einem echten wissenschaftlichen Fortschritt", sagt Dan Voytas, ein Genforscher an der University of Minnesota.

Es geht um viel Geld, denn mehrere Start-ups arbeiten mit Hochdruck an Therapien auf der Grundlage des Editierens von Genen. Editas Medicine zum Beispiel, das eine Verbindung zu Zhangs Labor hat, hat im August weitere 120 Millionen Dollar Kapital aufgenommen. Intellia, ein Konkurrent mit Verbindungen zum Berkeley-Team, hat im September noch einmal 70 Millionen Dollar bekommen.

CRISPR basiert auf einem natürlichen System, das einige Bakterien nutzen, um sich gegen Viren zu schützen – sie zerschneiden die Gene der Angreifer. Im Labor wurde daraus ein Werkzeug mit zwei Schlüsselkomponenten: einem kurzen RNA-Abschnitt, der zu einem bestimmten Gen passt, und ein Protein, mit dem das Gen aufgeschnitten wird.

Eugene Koonin ist Forscher an den National Institutes of Health der USA und Co-Autor von Zhangs aktuellem Aufsatz in Cell. Wie er berichtet, begann die Arbeit dafür mit Computer-Modellen für Proteine in Bakterien, die einen ähnlichen Schneide-Effekt haben könnten wie Cas9. "Es ist tatsächlich ein neues System, das sich erheblich von dem bislang bekannten unterscheidet", sagt er.

Wissenschaftler, die an der neuen Arbeit nicht beteiligt waren, gehen davon aus, dass das alternative System im größer werdenden Werkzeugkasten mit Techniken zum Gen-Editieren eine gewisse Rolle spielen wird. Laut George Church, der an der Harvard University an Gentechnik arbeitet, könnte es Vorteile bei Zellen haben, die sich nicht teilen, etwa Nerven und die meisten anderen Zellen im menschlichen Körper. "Es gibt einen Nischenmarkt für verschiedene andere Proteine, damit die Schnitte an beliebiger Stelle im Genom gesetzt werden können", sagt er.

Das Broad Institute und Zhang haben sich mehr als zehn wichtige Patente zu CRISPR mit Cas9 gesichert. Allerdings verlieren sie zunehmend den Kampf um die öffentliche Anerkennung für die Erfindung: Medien und Organisationen, die Preise verleihen, haben sich stattdessen Jennifer Doudna aus Berkeley und Emmanuelle Charpentier vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ausgesucht, die schon 2012 Arbeiten dazu veröffentlichten.

Broad Institute und MIT setzen sich weiterhin für eine andere Sicht auf die Ereignisse in der Wissenschaft ein. Im September schrieb Robert Desimone, Leiter des McGovern Institute for Brain Research am MIT, in dem auch Zhang einen Posten innehat, einen Leserbrief an das Wirtschaftsmagazin The Economist. Darin korrigierte er die Darstellung des Magazins zur Erfindung von CRISPR-Cas9: Das Berkeley-Team habe "keine Zellen, keine Genome und kein Editieren" genutzt.

Die Entdeckung, wie sich das CRISPR-System weiterentwickeln lässt, ist vermutlich nur der Anfang einer neuen Ära des noch präziseren Gen-Editierens, sagt Zhang; derzeit würden viele neue Ansätze dafür erforscht. "Die Natur hatte viele Milliarden Jahre Zeit, um diese Werkzeuge zu entwickeln", erklärt er. "Wir wollen noch unter so vielen Steinen nachsehen, wie wir nur finden können."

Auch für die neue Technologie wurden bereits Patente angemeldet. In seiner Pressemitteilung erklärt das Broad Institute, die neue CRISPR-Methode werde Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt und weithin an Unternehmen lizenziert, die Systeme und Chemikalien für die Forschung verkaufen. Darüber, welche Unternehmen Rechte an der Technologie zur Entwicklung neuer Therapien erhalten könnten, gab es keine Angaben.

Es sei noch "zu früh, um Genaues zu wissen", sagt Zhang dazu. Die Rechte an der neuen Technologie müssten aber nicht unbedingt Editas gehören, also dem Unternehmen, das er mitgegründet hat.

(sma)