Safe Harbor: EU-Kommission sieht nach EuGH-Urteil keinen Grund, Datenflüsse zu stoppen

Die EU-Kommission und der luxemburgische Ratsvorsitz gehen davon aus, dass Firmen auch nach dem Aus für das Safe-Harbor-Abkommen weiter personenbezogene Informationen über den Atlantik schicken können.

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Schatten

(Bild: dpa, Ole Spata/Archiv)

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Ein "Weiter so" hat die EU-Kommission aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen den transatlantischen Safe-Harbor-Vertrag herausgelesen. Auch wenn viele Beobachter meinen, dass der Richterspruch beim Datenschutz zwischen der EU und den USA kaum einen Stein auf dem anderen lässt, fühlt sich die EU-Kommission in ihrem Kurs bekräftigt: Er sehe das Urteil als "Bestätigung für das Bestreben" der Institution, den "sicheren Hafen" neu zu verhandeln, erklärte der Erste Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, am Dienstag in Straßburg.

Die frühere Justizkommissarin Viviane Reding hatte vor zwei Jahren im Lichte der NSA-Affäre der US-Regierung 13 Empfehlungen gegeben, um das schon damals heftig umstrittene Abkommen für den Transfer personenbezogener Informationen aus Europa in die USA zu verbessern. Unter anderem hatte sie vorgeschlagen, die Abläufe transparenter zu machen, EU-Bürgern in den USA den Gerichtsweg zu eröffnen und den Zugriff auf die Daten durch Geheimdienste einzuschränken.

Das Safe-Harbor-Abkommen

15 Jahre lang war das Safe-Harbor-Abkommen eine der meistgenutzten rechtlichen Grundlagen für den Austausch personenbezogener Daten zwischen der EU und den USA. Weil die aber keinen hinreichenden Datenschutz garantieren, erklärte der Europäische Gerichtshof das Abkommen im Oktober 2015 für ungültig.

Bis Sommer 2014 sollten so die gröbsten Schnitzer in der vormaligen Vermutung der Kommission ausgeräumt sein, dass der Datenschutz in den USA vergleichbar hoch ausgeprägt sei wie in der EU. Konkrete Ergebnisse gibt es bislang aber nicht. Seit 2013 habe die EU-Kommission mit den US-Behörden "unnachgiebig" an der Reform gearbeitet, betonte die aktuelle Justizkommissarin Vera Jourová nun. Es seien "wichtige Fortschritte" erzielt worden, "auf denen wir im Lichte des Urteils aufbauen können".

Bis ein neuer "sichererer Safe Harbor" entsteht, der die EU-Grundrechtecharta berücksichtigt, könnten die transatlantischen Datenflüsse anhand der verfügbaren anderen rechtlichen Mechanismen ungehindert weitergehen, waren sich Timmermans und Jourová einig. Davon geht auch die luxemburgische Präsidentschaft des EU-Rates aus. Rechtsexperten sehen die Sache anders, da die übertragenen personenbezogenen Informationen so auch weiter von Geheimdiensten wie der NSA abgegriffen werden könnten und dies nicht mit dem EuGH-Urteil unter einen Hut zu bringen sei.

Das EU-Parlament hatte die Kommission bereits Anfang 2014 aufgefordert, das Abkommen umgehend zu kündigen. Der Leiter des Innenausschusses, Claude Moraes, drängte nun erneut auf einen Kurswechsel. "Die Kommission muss sofort einen neuen und starken Rahmen für die Weitergabe personenbezogener Informationen an die USA vorlegen", unterstrich der britische Labour-Abgeordnete. Dieser müsse mit dem EU-Recht vereinbar sein und mit "soliden, durchsetzbaren Datenschutzrechten und einer effektiven unabhängigen Aufsicht" verknüpft sein. Moraes beklagte zugleich, dass die Abgeordneten bis dato keine Angaben zum Stand der laufenden Diskussionen über eine neue Safe-Harbor-Übereinkunft bekommen hätten.

Zur Vorsicht mahnt die Artikel-29-Gruppe der EU-Datenschutzbeauftragten. Sie sieht mit dem Richterspruch "ernsthafte Fragen" aufgeworfen zur "Kontinuität des Datenschutzniveaus", wenn persönliche Informationen in die USA übermittelt würden. Dies liege vor allem daran, dass der EuGH Hinweise auf Massenüberwachung jenseits des Atlantiks bestätigt und für einzelne Betroffene keine ausreichenden rechtlichen Hilfsmittel gesehen habe, Daten zu löschen oder zu korrigieren. (anw)