Schleppender Start: Green Card behebt Experten-Mangel nicht

Unter anderem kulturelle Probleme, die zu einem schleppenden Start der Green Card führen, und die Abwanderung deutscher Fachleute ins Ausland verschärfen den Mangel an IT-Experten.

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Von
  • Jirka Albig
  • dpa

Die Green-Card-Aktion der Bundesregierung ist nur schleppend angelaufen. Bisher wurden nur 2.000 Arbeitserlaubnisse für außereuropäische Computer-Experten ausgegeben. Benötigt werden in Deutschland aber nach Schätzungen momentan mindestens 70.000 Experten. Staatssekretär Siegmar Mosdorf vom Bundeswirtschaftsministerium zeigt sich aber optimistisch: Die Zahl der Green Cards solle bis Ende des Jahres auf bis zu 15.000 steigen. Die Ursache für den schleppenden Start könnte auch in den Unternehmen selbst liegen: "Vor allem das mittlere Management und die Personalabteilungen bremsen den guten Willen der Firmenleitungen aus", sagt Personalberater Ralf Bultschnieder am Mittwoch beim fünften Deutschen Internet-Kongress.

Die Einstellung von Experten aus Nicht-EU-Ländern scheitert demnach oft an kulturellen Problemen und der Provinzialität einiger Abteilungsleiter in den Firmen. Während global agierende Unternehmen meist weniger Berührungsängste haben, treten bei mittleren Unternehmen zum Teil offenbar Konkurrenzangst und Komplexe gegenüber den oft jungen Russen oder Indern auf. "Vielleicht liegen bei einem Chef einer Abteilung selbst die Englischkenntnisse im Argen", sagt Bultschnieder. Da gewinne leicht die Angst vor der Blamage vor der eigenen Truppe die Oberhand. Das Sprachenproblem sei nach wie vor nicht zu unterschätzen. Viele Unternehmen befürchteten Verständigungsprobleme, Missverständnisse und zusätzlichen Aufwand bei der Einarbeitung.

"Es gab bislang kein derartiges Einwanderungsmodell in Deutschland", betont Staatssekretär Mosdorf. Kurzfristig dürfe daher niemand ein Lösung erwarten. "Das sind neue Prozesse, auf die man sich auch in der Privatwirtschaft erst einstellen muss. Da mahlen die Mühlen manchmal langsam." Grundsätzlich sehe die Bundesregierung ein kulturelles Problem jedoch nicht.

Doch auch von anderer Seite drohen Hindernisse: Während die ausländischen Experten nach Deutschland kommen sollen, gehen viele deutsche Experten offenbar umgekehrt selbst ins Ausland. Dies berichtet die Agentur The American Dream, die in Sachen US-Visa berät, unter Berufung auf eine Studie der amerikanischen Georgetown-Universität. Danach gingen im vergangenen Jahr insgesamt 2.451 deutsche Spezialisten mit einem H-1B-Visum in die USA. Dieses Visum entspreche in etwa der in Deutschland eingeführten Green Card. Diese "Abwerbung" betrifft nicht nur die Hightech-Unternehmer, sondern auch die Ausbilder, die das Defizit beheben sollen. "Es gibt kaum fähige Leute, und die werden Ihnen sofort abgeworben", berichtete in Karlsruhe ein Vertreter der Industrie- und Handelskammern. Dadurch könnte auch das Ziel der Regierung gefährdet werden, die Absolventenzahlen (derzeit 7.000 Informatiker jährlich) zu verdoppeln und die Zahl der Ausbildungsplätze auf 60-000 aufzustocken.

Auch das Arbeitsamt kann kaum weiterhelfen: "Gesucht werden superspezialisierte Leute, Softwareentwickler mit Kenntnissen bestimmter Programmiersprachen wie Java", sagt Bultschnieder. Der Chef des Internetportals web.de, Matthias Greve, sagt: "Es gibt zu wenig Leute, die diese Arbeit wirklich lieben." Das Potenzial im Ausland sei in jedem Fall vorhanden: Während die Inder insgesamt lieber in die USA und nach Großbritannien gingen, wollten vor allem Russen, Weißrussen und Ukrainer nach Deutschland. Doch auch im Ausland werde es mittelfristig kaum genug Arbeitskräfte geben, um in der boomenden Internet-Ökonomie alle Stellen zu besetzen, sagte Mosdorf. Greve: "Wir müssen lernen, ohne sie auszukommen." (Jirka Albig, dpa) (jk)