Vorratsdatenspeicherung: Die Polizei will mehr

Während die Internetwirtschaft und Datenschützer den Beschluss der neuen Vorratsdatenspeicherung als zu weitgehend kritisieren, drängen Strafverfolger bereits auf längere Speicherfristen und einfacheren Zugang zu den Informationen.

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Gefahren aus dem Netz

(Bild: dpa, Ole Spata/Archiv)

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Praktikern gehen die neuen Vorgaben zur anlasslosen Vorratsdatenspeicheurng, die der Bundestag am Freitag abgenickt hat, nicht weit genug. "Drei Monate Frist für gespeicherte Daten waren unser Vorschlag, zehn Wochen können da nur ein erster Kompromiss sein", kommentierte Dietmar Schilff von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) die parlamentarische Entscheidung. Die Ermittler müssten "auch weiterhin die innere Sicherheit auf technischer Augenhöhe mit den Kriminellen wirksam schützen" können.

Ähnlich äußerte sich André Schulz vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK). Er räumte zwar ein, dass die Vorratsdatenspeicherung einen "Paradigmenwechsel" mit sich bringe. Dieser stelle aber "die logische und notwendige Konsequenz der Digitalisierung der Gesellschaft dar". Gerade der Katalog möglicher Straftaten, bei denen Ermittler Verbindungs- und Standortdaten einsehen dürften, greife viel zu kurz. Schulz forderte daher "endlich eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über den Datenschutz".

Anders sieht die Sache der eco-Verband der Internetwirtschaft, demzufolge das im Eiltempo verabschiedete Gesetz "letztlich nur Verlierer hervorbringen wird". Bürger müssten Einschnitte in ihre Grundfreiheiten ertragen, die betroffenen Unternehmen blieben auf Kosten von geschätzt 600 Millionen Euro allein für Speicherinfrastruktur sitzen, aber auch der Nutzen für die Strafverfolgung sei mehr als fraglich. Die "netzpolitische Fehlentscheidung" werde nun wie gehabt vor dem Bundesverfassungsgericht landen und dort "voraussichtlich keinen Bestand haben".

Der Digitalverband Bitkom stieß ins gleich Horn und bedauerte, dass die betroffenen Unternehmen bei der "praktischen Ausgestaltung des Gesetzes gar nicht gefragt" worden seien. Nun müssten sie sich angesichts der zu erwartenden Verfassungsbeschwerden "auf eine längere Phase der Rechtsunsicherheit einstellen". Auch der Präsidiumsarbeitskreis "Datenschutz und IT-Sicherheit" der Gesellschaft für Informatik bedauerte die Initiative des Gesetzgebers.

Von einem "schwarzen Tag für den journalistischen Quellenschutz in Deutschland" sprach Matthias Spielkamp von der Vereinigung "Reporter ohne Grenzen". Die Vorratsdatenspeicherung und der neue Straftatbestand der Datenhehlerei würden Informanten von der Kontaktaufnahme mit Journalisten abschrecken. Selbst der vorgesehene Schutz für Berufsgeheimnisträger sei so lückenhaft, "dass Rechtsstreitigkeiten und Missbrauch programmiert sind". Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fürchtet ebenfalls einen "Keulenschlag gegen Informanten".

Auch mit der gesetzlichen Neuauflage werde "massiv in die Grundrechte eingegriffen", monierte die schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Marit Hansen. Aus den für zehn Wochen zu speichernden Verbindungsinformationen und den einen Monat lang aufzubewahrenden Standortdaten ließen sich "das soziale Beziehungsgeflecht einer Person und ihr Bewegungsprofil ableiten". Höchstrichterlichen Urteilen entspreche der Vorstoß so nicht.

Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger rügte die Entscheidung als "Schande für den Rechtsstaat", da "die anlasslose Massenüberwachung" wieder eingeführt werde. Die Liberale prophezeite: "Auch dieses Gesetz wird juristisch scheitern." Neben verschiedenen Organisationen und Parteien hat auch der Vize-FDP-Chef Wolfgang Kubicki Verfassungsbeschwerde angekündigt. Er stößt sich vor allem daran, dass sogar die Daten von Rechtsanwälten, Ärzten oder Journalisten erst einmal erfasst werden dürfen. (axk)