Silberner Apfel
âKeine Schalter, keine LĂ€mpchen - Sie brauchen nicht einmal einen teuren Fernschreiberâ - so warb Apples erste Computer-Anzeige um KĂ€ufer fĂŒr eine nackte Systemplatine. Mit vier Kilobyte RAM und einem beigelegten Basic-Interpreter auf Kompaktkassette begann vor einem Vierteljahrhundert Apples mitunter holpriger Weg zur Weltfirma.
- Carsten Meyer
Die fast schon klischeehafte Geschichte von den zwei Schulfreunden, die in einer Hinterhof-Garage in Heimarbeit selbst entworfene Platinen bestĂŒckten und diese fĂŒr 666 US-Dollar an lötwillige Bastler zu verhökern suchten, kennt heute fast jeder Informatiker: Der wuselbĂ€rtige Steve Wozniak, Ex-Freak und Elektronik-Frickler par excellence, und das flowergepowerte Adoptivkind Steve Jobs hatten sich mit ihrer Einplatinen-Erfindung bei Wozniaks Arbeitgeber Hewlett-Packard einen Korb geholt und mussten am 1. April 1976 notgedrungen in Eigenregie ans Werk gehen.
Als Dritten im Bunde wĂ€hlten Jobs und Woz den GeschĂ€ftsmann Ron Wayne, den sie aus etlichen Treffen des âHomebrewâ-Computerclubs kannten und der gerade mit der Herstellung von Geldspielautomaten Schiffbruch erlitten hatte. Die bei seinen FehlschlĂ€gen gesammelten Erfahrungen, so deduktierten die jungen Bastler, prĂ€destinierten ihn geradezu zum Manager eines aufstrebenden Jungunternehmens. AuĂerdem war er mit ĂŒber 40 Jahren fast so alt wie die beiden Steves zusammen und sollte mit seinen grauen Haaren bei potenziellen GeschĂ€ftspartnern Vertrauen erwecken. Wayne schrieb die mit Assembler-Listings und SchaltplĂ€nen durchsetzte Anleitung zum Apple I, blieb dann aber nur ganze zwei Monate bei der Firma.
Trotz der erforderlichen Detailkenntnis war der Apple I ârelativ einfachâ anzuwenden. Bei anderen GerĂ€ten, etwa dem von vielen Homebrew-Mitgliedern eifrig nachgebauten Altair 8800, musste man nach jedem Einschalten die Befehle in Maschinensprache ĂŒber Schalterreihen und Taster binĂ€r (!) eingeben - eine umstĂ€ndliche und fehlertrĂ€chtige Prozedur. Der Wozniak-Computer hatte immerhin schon ein 256 Byte langes Monitor-Programm, einen Video-Ausgang statt einer Reihe bunter LĂ€mpchen und einen Anschluss fĂŒr eine ASCII-Tastatur. Applikationen im eigentlichen Sinne suchte man noch vergeblich: Der Tausch selbst geschriebener Listings stand zu jener Zeit hoch im Kurs.
BinÀres User-Interface
Der Homebrew-Computerclub gab der Apple-Kernbesatzung viele entscheidende Impulse, etwa in hitzigen Debatten ĂŒber die grafische BenutzeroberflĂ€che des gerade erschienenen, mit einem Preis von 40 000 Dollar absolut unerschwinglichen Xerox Alto. Wozniak war selbst die Intel-8080-CPU des Altair-8800-Bausatzes zu teuer, und deshalb wĂ€hlte er den von der spĂ€teren Commodore-Tochter MOS produzierten 6502-Prozessor fĂŒr seinen Apple I. Paul Terell, Homebrew-Mitglied und GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Byte-Shop-Kette, orderte zwar auf einem Treffen stante pede 50 GerĂ€te, aber der eigentliche kommerzielle Erfolg kam erst mit dem anfangs 1295 US-$ teuren Apple II, einer krĂ€ftigen Finanzspritze vom Investor (und spĂ€teren Apple-Vorstandsvorsitzenden) Mike Markkula und der Umfirmierung zur Apple Computer Inc. im Januar 1977. Es bleibt wohl eine Ironie des Schicksals, dass der 6502-Erfinder Chuck Peddle und der junge Entrepeneur Bill Gates zu jener Zeit die 150 000 Dollar nicht gemeinsam aufbringen konnten, um Apple zu kaufen.
Mit Jef Raskin betrat ein Jahr spĂ€ter ein richtungweisender Vordenker die Firma: Raskin hatte bereits 1967 Thesen ĂŒber eine grafische Benutzerschnittstelle veröffentlicht und als Gastprofessor des Stanford Artificial Intelligence Laboratory mehrere Male das Xerox Palo Alto Research Center (PARC) besucht. Raskin weigerte sich, fĂŒr Apple einen Spielcomputer zu entwickeln, und begann schon 1979 mit Arbeiten an einem Computer fĂŒr die PITS, die âPeople in the Streetsâ, an der Macintosh-VorgĂ€ngerin Lisa. Doch vorerst landete die Firma mit der verbesserten Version Apple ][+ einen satten Coup, fĂŒr dessen AppleSoft-Gleitkomma-Basic Microsoft geradezu lĂ€-cherliche 21 000 Dollar an Lizenzen verlangte. Der ĂŒber zehn Jahre lang gebaute 1-Megahertz-Rechner war so erfolgreich, dass Apple den IBM PC 1981 in ganzseitigen Anzeigen selbstbewusst mit âWelcome, IBM. Seriously.â begrĂŒĂte.
Der Autor dieser Zeilen konnte sich damals weder Apple noch IBM leisten - die studienbegleitend eingefahrenen Obligationen lieĂen gerade mal einen âkompatiblenâ Apple-Nachbau zu, selbstredend eigenverlötet und handverschraubt. Keineswegs besser erging es der Zielgruppe fĂŒr den ersten Macintosh - mit dem Unterschied, dass es den halt nicht als Taiwan-Nachbau gab. Jedenfalls noch nicht im namensgebenden Jahr 1984, als der heute noch gĂ€nsehautfördernde, von âAlienâ- und âGladiatorâ-Regisseur Ridley Scott höchstselbst in Szene gesetzte Macintosh-Werbespot ĂŒber die Bildschirme der Football-begeisterten Nation flimmerte. Woz hatte inzwischen die Firma verlassen und wandte sich edukativen Idealen zu (www.woz.org).
BĂŒromaus
Der Macintosh polarisierte die Computer-Anwender wie kein zweites GerĂ€t. Seine mausgestĂŒtzte grafische BenutzeroberflĂ€che nach Art des Xerox Alto wurde in der strikt 80-spaltigen Welt der Hercules-Textschirme und fingerverzwirbelnden DOS-Befehle so beargwöhnt wie ein Bantu-HĂ€uptling im SchĂŒtzenvereinsheim, seine Lobby war dementsprechend unterreprĂ€sentiert. WĂ€ren nicht seine Fans in missionarischem Feuereifer zu Werke gegangen, hĂ€tte der ĂŒberteuerte, fehlerbehaftete DebĂŒtant seine ersten Tage nur mehr als Anekdote ĂŒberlebt.
Doch DTP und LaserWriter retteten dem niedlichen GerÀt das Fell. Mit keinem anderen System um 10 000 Dollar konnte man vor 15 Jahren komplette Druckseiten am Schreibtisch entwerfen - der Siegeszug des Mac begann, und schon kurze Zeit spÀter konnten die Grafiker und Layouter auch in unserem Verlag Schere, Wachspapier und Fix-O-Gum in der Schreibtischschublade lassen.
Kein âIBM-Kompatiblerâ bot ĂŒber Jahre hinweg so durchgĂ€ngig einfach zu bedienende Programme und eine so elegante Benutzerschnittstelle wie der Macintosh. Schade nur, dass Apple den stets pĂŒnktlich aufgefrischten Bonus des technologischen Fortschritts und der einfachen Bedienung durch flatterhaftes Management sowie eine hochnĂ€sige Preis- und Kundenpolitik immer wieder aufzehrte. Trotzdem: Herzlichen GlĂŒckwunsch, Apple! (cm) (cm)