"Natürlich wollen wir auch Daten"

Telekom-Vorstand Reinhard Clemens will sich Nutzerdaten nicht mehr von US-amerikanischen Digitalkonzernen wegschnappen lassen – und hofft, dass ihm der deutsche Datenschutz dabei hilft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Robert Thielicke

Telekom-Vorstand Reinhard Clemens will sich Nutzerdaten nicht mehr von US-amerikanischen Digitalkonzernen wegschnappen lassen – und hofft, dass ihm der deutsche Datenschutz dabei hilft.

TR: Glauben Sie an das selbstfahrende Auto?

Reinhard Clemens: Natürlich, das kommt. Laut Studien braucht das autonome Fahren noch bis 2030. Das glaube ich nicht. Das wird viel schneller passieren. In San Francisco läuft der Dialog bereits, um autonome Autos in der Stadt zu erlauben. Wir hatten kürzlich ein interessantes Gespräch bei Tesla. Sie erwarten, dass dieses Jahr noch eine Freigabe kommt. Aber man muss nicht unbedingt über das Auto reden. In diesem Bereich wird nur am besten sichtbar, wie die Technologie sich gerade entwickelt. Wir erleben ein exponentielles Wachstum. Sie kennen bestimmt die Geschichte mit den Reiskörnern, die sich auf dem Schachbrett Feld für Feld verdoppeln. Die erste Hälfte des Schachbretts ist kein Problem. Die zweite Hälfte wird interessant. Da wächst die Menge steil an. An diesem Übergang stehen wir jetzt, hier müssen die etablierten Marktführer aufpassen, dass neue Geschäftsmodelle sie nicht überrollen.

So gesehen sieht es für die Telekom gerade nicht gut aus. Sie wollen mit Qivicon ins Smart Home, reden mit Autoherstellern, sind im Gesundheitsbereich aktiv – aber die Welt spricht nur von Google oder Apple.

Technologisch gibt es keine besondere Differenzierung, das ist alles ein und dasselbe. Auch das Ziel ist gleich: Geschäftsmodelle auf der Basis von hochwertigen Informationen aus großen Datenmengen.

Warum fürchten sich dann beispielsweise die Autohersteller vor der US-Konkurrenz – aber nicht vor einem Telekom-Gefährt?

Weil wir nicht in die Beziehung der Hersteller zu ihren Kunden eingreifen wollen. Unser Kerngeschäft ist, Konnektivität zur Verfügung zu stellen, um die riesigen Datenmengen zu transportieren. Und das möglichst sicher. Ich glaube auch nicht, dass Google langfristig Automobile herstellen will.

Sind Sie sicher?

Google macht ein Produkt, an ihm lernen sie, was ein Kunde damit macht und welche Möglichkeiten es bietet. Sie haben ja auch einmal ein Handy gebaut, es aber schnell wieder eingestellt, und dann ist daraus eine Plattform entstanden, Android. Googles Ziel ist es, Daten zu sammeln. Das gelingt ihnen nur, wenn sie eine Plattform etablieren. Wenn sie die Daten dann haben, entstehen die Geschäftsmodelle. Im Automobilbereich wird das genauso sein.

Wie wollen Sie da mitmischen?

Das Auto ist für uns interessant, weil es die Herausforderungen zeigt, die vor uns liegen. Die Fahrzeuge sollen ans Internet. Wie schaffen wir das? Die paar Google-Autos, die heute durch die Gegend fahren, produzieren schon etliche Terabyte an Daten. Diese Menge über das Internet zu übertragen, wäre derzeit im Massenbetrieb gar nicht möglich, schon gar nicht in Echtzeit. Wir haben es in den Zügen der Deutschen Bahn erlebt. Jeder meckert über die Verbindung, aber inzwischen sind wir in den ICEs bei mehreren Terabyte pro Tag, die wir über Mobilfunk ableiten müssen. Wie also erreichen Sie die nötigen Bandbreiten und eine verlässliche Netzwerkverbindung? Wenn wir das prinzipiell gelöst haben, kommt die zweite Herausforderung: Wir müssen den Dienst global anbieten können. Wenn Sie einen Notruf per E-Call absetzen, müssen Sie sicherstellen, dass auch eine Netzwerkverbindung zur Verfügung steht – egal wo. So ein Projekt führen wir gerade mit einem deutschen Automobilhersteller durch.

Ihnen reicht die Rolle als bloßer Netzwerkanbieter?

Nein. Anschließend wollen wir über die Konnektivität ein Set von Services anbieten, um das Auto zu administrieren. Diese Dienste legen beispielsweise fest, wer Zugangs- und Zugriffsberechtigungen auf welche Funktionen im Fahrzeug hat. Das wäre diese Plattform, über die wir eben am Beispiel Google gesprochen haben, komplett industrieunabhängig und standardisiert. Die gleichen Sets funktionieren übrigens auch für eine Waschmaschine oder den Staubsauger. Hier sind wir dann schnell bei Qivicon und dem Smart Home.

Und die Telekom hätte wie Google die wertvollen Daten...

Natürlich haben auch wir großes Interesse an Daten. Die Frage ist: Wem gehören sie? Wenn Sie ein Auto kaufen, sind die beim Fahren gewonnenen Informationen jetzt Ihre, die des Automobilherstellers oder die der Telekom? Prinzipiell kann es ja durchaus sinnvoll sein, Daten weiterzugeben. Für die Wartung beispielsweise, damit Sie gewarnt werden, bevor Teile kaputtgehen und Sie liegen bleiben. Oder wenn Sie Ihrer Versicherung Zugriff auf Daten über das Fahrverhalten erlauben, könnte die Versicherung Ihnen einen guten Tarif machen. Zusätzlich aber sagt der Besitzer der Daten vielleicht: Wenn Google an dem Datensatz interessiert ist oder irgendjemand anderes, dann verkaufe ich ihn einfach weiter. Bei der Telekom dagegen sind wir überzeugt, dass der Kunde entscheiden muss, was mit seinen Daten passiert. Er muss sicher sein, dass sie nicht ohne sein Wissen weiterverkauft werden.

(rot)