Das Internet - unendliche Weiten - in Französisch...

Das frankophone Quebec macht gerne alles anders als der Rest Kanadas. Daran haben sich die Bewohner des Landes längst gewöhnt. Kuriose Internet-Regeln sind nun das neueste Kapitel in der langen Geschichte der Provinz-Alleingänge.

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Von
  • Tilman Streif
  • dpa

Das frankophone Quebec macht gerne alles anders als der Rest Kanadas. Daran haben sich die Bewohner des Landes längst gewöhnt. Kuriose Internet-Regeln sind nun das neueste Kapitel in der langen Geschichte der Provinz-Alleingänge. Die Anbieter von Audio- und Videoinhalten wie Fernseh- und Radio-Sender werden zentral aus der Bundeshauptstadt Ottawa reguliert. Die Gesetzgebung zu Printmedien, und damit auch für Online-Texte, fällt allerdings in die Hände der einzelnen Provinzen. Und von diesem Recht macht die Separatisten-Provinz Gebrauch.

Quebec hinkt bei der Zahl der Bürger mit Internet-Anschluss dem kanadischen Durchschnitt hinterher; in der Provinz sind nur 16 Prozent der Bewohner online, landesweit sind es aber 23 Prozent. Daran ist angeblich der Überfluss an englischsprachigem Material schuld, sagen regionale Sprachhüter. Die staatlichen Aufpasser verlangen zweisprachige Websites von Quebecs Betrieben, und drohen notfalls mit Geldstrafen. Grosse Firmen haben sich darauf eingerichtet, mit viel Aufwand sämtliche Publikationen, von Broschüren bis zur Website, sowohl auf Englisch als auch auf Französisch anzubieten. Aber für Kleinbetriebe sind die Übersetzungskosten zu hoch. Und im Fall von Michel Soucy wäre es nach Meinung des Website-Betreibers sogar völlig absurd, online auch auf Französisch präsent zu sein.

"Ich bin in Quebec geboren, spreche aber als Muttersprache Englisch", schildert der bei Montreal lebende Soucy sein Dilemma. Im Internet bietet er einen Hilfsservice für Computer-Neulinge an. "Ich bin der einzige Angestellte meines Betriebs, und ich spreche nur gebrochen Französisch. Wenn ich meine Dienste in dieser Sprache anböte, dann wäre dass unehrlich", sagt Soucy, der ausschließlich mit englischsprachigen Kunden Kontakt hat.

Trotzdem verlangt Quebec Sprachbehörde L'Office de la langue francaise von Soucy die Übersetzung seines Angebots; ihm droht bei einer fortgesetzten Weigerung eine Geldstrafe von umgerechnet knapp 2.000 Mark. Soucy ist empört, vor allem, weil er die Behördenmaßnahmen als Verschwendung von Steuergeldern ansieht. "Die Regierung surft im Internet herum und versucht Bürger einzuschüchtern, die einfach nur ihren Lebensunterhalt verdienen wollen", flucht Soucy. Die Sprachbehörde Quebecs bestreitet aber, dass sie ihre Mitarbeiter für die gezielte Suche nach Sprachsündern bezahlt. Man reagiere ausschließlich auf Beschwerden aus der Bevölkerung, teilte ein Sprecher mit. Eine solche Beschwerde brachte auch dem Fotografen Michael Calomiris aus Laval großen Ärger ein. Er erhielt wie Soucy eine offizielle Aufforderung, seine Website ins Französische zu übersetzen.

Aber der Kleinunternehmer wehrt sich und nutzt wie Soucy das Internet, um auf sein Anliegen aufmerksam zu machen. Während der Computerexperte unter www.michelsoucy.com detailliert seinen Fall schildert, bietet Calomiris unter www.michaelsphoto.com Einsicht in sein Gästebuch. Dort haben ihm viele Unterstützer aus aller Welt zu seinem Widerstand gegen die Sprachzwänge gratuliert, nachdem die New York Times ausführlich über Quebecs Internet- Sprachregeln berichtete. Es gibt im Gästebuch Calomiris allerdings auch Ermahnungen – etwa die eines stolzen Bürgers Quebecs, der den Fotografen an seine griechische Herkunft erinnert. Es sei doch wohl normal, als Einwanderer die Gesetze eines neuen Heimatlandes zu respektieren, schreibt der Regionalpatriot auf Französisch. Auf solche Vorwürfe haben die Freunde Calomiris eine eindeutige Antwort: "Wir gehorchen den Gesetzen unseres Landes, und das heißt KANADA", schrieb eine Mitbürgerin dem Fotografen. (Tilman Streif, dpa) / (jk)