Musik hinter Gittern

Beim deutschen Phonoverband werden wieder Forderungen nach der breiten Einführung von Kopierschutzverfahren bei Audio-CDs laut. Herbe Umsatzrückgänge beim CD-Verkauf und ein schwunghafter Handel mit CD-Rohlingen treiben die Verbandschefs in die Offensive. Schon treten erste Labels als Schrittmacher auf und sichern alle ihre Neuerscheinungen. Aber der Schutz ist noch brüchig, und die Großen der Branche verhalten sich zögerlich.

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Von
  • Dr. Klaus Peeck
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Phono-Verbandsvorstand Kurt Thielen gibt sich angesichts der Kopierlust der Deutschen dramatisch: ‘Es ist ein Flächenbrand geworden’, meint der Plattenboss und sieht die Branche mit Umsatzrückgängen von 20 Prozent konfrontiert. Und der Grund ist schnell gefunden: Im vergangenen Jahr seien neben 262 Millionen Audio-CDs auch mehr als 120 Millionen CD-Rohlinge verkauft und mit Pop- und Rockmusik bespielt worden - mit verheerenden Folgen für das Musikgeschäft. Für sein eigenes Plattenlabel hat Thielen jetzt die Notbremse gezogen: Sein ‘Zomba-Records’ (publiziert unter anderem Britney Spears und die Backstreet Boys) bringt nach eigenen Angaben seit Juli nur noch kopiergeschützte CDs auf den Markt. Thielen wird damit zum Schrittmacher der Kopierschutzbewegung, nachdem ähnliche Versuche seitens BMG und Sony Music vor gut einem Jahr an Kompatibilitätsproblemen de facto gescheitert waren. Das damals von BMG auf einer CD der Rockband ‘H.I.M.’ erstmals eingesetzte Verfahren ‘Cactus Data Shield’ änderte die TOC-Einträge der CD derart rigoros, dass neben den CD-ROM-Laufwerken auch zahlreiche Musik-CD-Player den Dienst versagten [1]. Der Kopierschutz wurde daraufhin bei der Folgeauflage wieder entfernt.

Die heutige Technik scheint verträglicher zu sein: Von Zomba liegt uns die Maxi-CD ‘Pop’ der Gruppe Nsync vor, auf der man den unscheinbaren Hinweis ‘This CD is not playable on computers’ findet. Im Test ließ sich die Scheibe auf jeder Art von Musik-CD-Player korrekt abspielen, vom Discman über Geräte der Car-Audio- und Ghettoblaster-Klasse bis hin zu heimischen CD-Playern aller Preis- und Altersstufen. Aber damit nicht genug: Auch auf allen stichprobenartig geprüften Computer-DVD-Laufwerken, sei es unter Windows oder auf einem Apple PowerMac G4 unter OS 9.1 und X, gab es keine nennenswerten Probleme, wohingegen Windows-PCs mit reinen CD-ROM-Laufwerken das Abspielen komplett verweigerten. Allerdings konnte ein Plextor-CD-RW-Brenner sowohl mit WinOnCD 3.8 als auch via WinDAC problemlos von der CD grabben beziehungsweise diese kopieren, und das wahlweise auch ohne die offenbar zum Kopierschutz gehörenden Datentracks der zweiten Session auf der CD.

‘Nsync’-CD: unscheinbarer Hinweis auf Abspielschutz

Inzwischen stehen weitere Softwarehersteller mit Alter-nativprodukten in den Startlöchern, so beispielsweise der Kopierschutzveteran Macrovision mit dem von CDilla übernommenen AudioLock-System, der MusicGuard von TTR Technologies oder das MediaCloQ-Verfahren von SunnComm. MediaCloQ ist zumindest technisch interessant, denn hier soll das beim Audio-Grabbing auftretende ‘Jitter’-Problem künstlich so weit verstärkt werden, dass unbrauchbare Grab-Dateien die Folge sind. Damit liefe das Verfahren allerdings im Grenzbereich Gefahr, auch beim normalen Abspielen hörbare Störungen zu produzieren.

Der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft will das Thema Kopierschutz auch weiterhin ‘offensiv kommunizieren’, während sich die Großen der Branche zurückhaltender geben. Zum Beispiel BMG: Nach der Panne mit seinem ersten Kopierschutz will man diesen erst einmal ‘perfektionieren’, bevor man einen zweiten Versuch startet. Auch Sony Music hält sich ‘derzeit noch zurück’, und Edel Music ‘arbeitet an einem Verfahren’, will sich aber ‘nicht aus dem Fenster lehnen’.

Möglicherweise mit Rücksicht auf den Handel, der als Frontend zum Kunden schnell den schwarzen Peter in der Hand halten könnte, wenn künftig die Reklamationsrate ansteigen würde. Bisher verzeichnet der Tonträgerhandel, so die Aussagen des Karstadt-Konzerns und des Musikfilialisten ‘World of Music’ (WOM), nur vereinzelte Probleme mit kopiergeschützten CDs. Für Peter Labus, Verkaufsleiter bei WOM, sind die Probleme der Branche ohnehin differenzierter: Zwar wachse vor allem auf den Schulhöfen durchaus eine ‘Schattenwirtschaft’, am Umsatzverfall sei allerdings auch eine Produktschwäche mit verantwortlich. ‘Man kann eben nicht in jedem Quartal einen Renner wie Santanas ‘Best of’ auf den Markt bringen’, meint Labus und zweifelt zudem am Erfolg von Kopierschutzmaßnahmen: ‘Die Branche hat einfach die aktuellen Entwicklungen verschlafen. Anstatt auf Kopierschutz zu setzen, der über kurz oder lang doch geknackt wird, sollte sie stärker das Urheberrechtsproblem und den Wert von Musik kommunizieren und damit in Sachen Raubkopien auch das Unrechtsbewusstsein bei den Menschen schärfen.’ (klp)

[1] Carsten Meyer, Audio-CD-Kopierschutz verärgert Kunden und Händler, c't 4/00, S. 83 (ole)