Neues PostScript, neue Fonts

Eine Fachkonferenz mit explosivem Inhalt: Adobe PostScript 3, OpenType, ATM fĂĽr Windows NT - im Javits Convention Center flogen einem die Neuerungen nur so um die Ohren.

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An der inhaltlichen Ausrichtung blieben kaum Zweifel. Adobe, weltweit Nummer zwei der Software-Hersteller, dominierte die Seybold-Konferenz in New York. Der PostScript-Erfinder präsentierte seine Produkte in einem großen Ausstellungspavillon, schickte viele Redner in die Sessions und inszenierte eine aufwendige Show zur Vorstellung von PostScript 3. Die nächste Evolutionsstufe der Seitenbeschreibungssprache soll die Drucker- und Prepress-Entwicklung der nächsten Jahre nachhaltig beeinflussen.

Adobe PostScript 3 - so der offizielle Name - umfaßt in einem integrativen Konzept viele Aspekte, die aus PostScript eine umfassende Umgebung bis zur Internationalisierung von Druckertreibern und Web-Support machen soll. Die Seitenbeschreibungssprache selbst wurde behutsam erweitert, um bekannte Schwachpunkte und Fehlerquellen zu beseitigen. So kann man Farbverläufe direkt definieren, ohne sie wie bisher aus vielen Flächen fester Graustufe oder Farbe zusammenzusetzen. Der Interpreter berechnet selbst einen glatten Verlauf (`smooth shade´). Eine andere beständige Fehlerquelle war der Speichermangel bei komplexen Pfaden, wie sie vor allem durch freigestellte Bilder entstehen. PostScript 3 legt einen Maskenkanal innerhalb des Rasterbilds selbst fest und umgeht die Pfaddefinition. Die von Adobe groß herausgestellte Farbtiefe von 12 Bit reißt nicht so recht vom Hocker; das gab es schon in Level 2 - doch praktisch wird dieses Feature von den Treibern nicht unterstützt. Prepress-Profis werden sich eher über das In-RIP-Trapping freuen, die Berechnung von Überfüllungen direkt im PS-Interpreter. Ein weiteres Profi-Feature ist Hi-Fi-Color, womit eine hochwertigere Farbausgabe mit mehr als vier Druckfarben von PostScript aus realisierbar wird.

Eher im Laserdruckerbereich angesiedelt ist die Web-Unterstützung: mit der druckereigenen Web-Seite, über die sich ein Gerät leicht administrieren läßt; das bieten andere Hersteller schon länger. Doch unter der Bezeichnung WebReady Printing bereitet PostScript 3 HTML-Dokumente direkt im Gerät auf. Wichtige Dateiformate im Web, etwa GIF, JPEG, PNG und PDF, verarbeitet ein PostScript-3-Interpreter direkt.

Um ein Treiber-Fiasko wie bei Level 2 zu vermeiden - dessen Features wurden jahrelang nicht richtig ausgenutzt -, soll jedes PostScript-3-Gerät mit einer CD ausgeliefert werden, die PostScript-Treiber und ATM für die wichtigsten Betriebssysteme enthält. Um die Fontausstattung der gängigen Systeme abzudecken, unterstützt PostScript 3 direkt 136 Schriften.

Daneben soll PostScript 3 natürlich auch die marketingmäßig unvermeidlichen Geschwindigkeitsvorteile bringen - aber das läßt sich anhand der Infos nicht verifizieren. Immerhin konnte Adobe bereits breite OEM-Unterstützung vermelden: nach der Präsentation von Firmengründer Chuck Geschke gab es erste PS-3-Geräte zu bestaunen, etwa einen Abteilungsdrucker von Apple, zu dem allerdings noch keine Preise oder Termine genannt wurden. Auch EfI, Agfa, Peerless und andere stellten PostScript-3-Geräte vor. Obwohl die Entwicklung schon weit gediehen ist, nannte niemand konkrete Termine. Innerhalb der nächsten Monate soll jedoch mit der Verfügbarkeit von PostScript-3-Geräten zu rechnen sein. Auch Anwendungshersteller wollen PostScript 3 unterstützen: neben Adobes Illustrator 7 sollen auch die Produkte von Quark, Corel und Macromedia den neuen Standard implementieren.

Was sich bei den PostScript-Treibern bereits andeutete - ein neuer `Schmusekurs´ zwischen Microsoft und Adobe -, bestätigte sich an anderer Stelle. In der Typographie-Session wurde einmal mehr (siehe auch c't 1/97, S. 49) das `neue´ Fontformat OpenType vorgestellt, das beide Firmen gemeinsam entwickelten. Es soll mit dem Tohuwabohu der Schriftdateiformate aufräumen und sowohl Mac und Windows als auch TrueType und PostScript vereinen. Es bietet - ähnlich Apples QuickDraw GX - typographische Schmankerl wie automatische Erzeugung von Ligaturen, kontextsensitive Ersetzung von Zeichen (z. B. für arabische Schrift), Unicode-Support und die Möglichkeit, Schriften auf Web-Seiten einzubetten.

Wie die Anwendungssoftware auf solche Font-Features eingehen wird, gilt abzuwarten. Gerade an der mangelnden AnwendungsunterstĂĽtzung krankt ja das an sich hervorragende GX-System von Apple. Immerhin wurde die OpenType-Spezifikation endgĂĽltig verabschiedet; das CFF-Format, das den PostScript-Teil von OpenType beschreibt, wird bereits in Acrobat 3.0 benutzt. Ein weiterer Mosaikstein: Nach Aussage von Bur Davis, dem verantwortlichen Produktmanager, soll der Adobe Type Manager (ATM) in einigen Wochen fĂĽr NT lieferbar sein.

Microsoft und der Druckvorstufenspezialist Linotype-Hell gaben auf der Seybold-Konferenz 1997 in New York bekannt, daß sie einen Vertrag über die Einführung eines Farbmanagement-Industriestandards geschlossen haben. Vorgesehen ist, das Linotype-Hell-Color-Management-Modul als Standard-Farbmanager ab Anfang 1998 in Microsofts Image Color Matching (ICM 2.0) API einzubinden; damit steht es für die kommenden Versionen von Windows 95, NT sowie für sämtliche Standardapplikationen von Microsoft zur Verfügung. Die Kooperation soll zukünftig sowohl im professionellen Druckbereich wie für den Heimanwender Farbechtheit (basierend auf dem ICC-Standard) gewährleisten, ob bei Monitoren und Druckern oder digitalen Kameras und Scannern. LinoColor nutzt ICC-Profile, um die verschiedenen Farbinformationen auf den zur Verfügung stehenden Farbumfang abzubilden. Wolfgang Boppel, Leiter der Forschung und Entwicklung bei Linotype-Hell, geht davon aus, daß Farbmanagement `nicht nur im Druck- und Druckvorstufenbereich eine wesentliche Rolle spielen wird, sondern die Zukunft von Kommunikation - ob einfache Farbgrafik zu Hause oder Publishing im Internet - entscheidend beeinflussen´ wird.

Die Akzeptanz von Farbmanagement-Systemen hängt allerdings nicht nur von deren Leistungsfähigkeit ab, sondern von der einfachen und sicheren Handhabung. Ob LinoColor - es wird jetzt sowohl auf Apple-Rechnern wie auf Windows-Systemen eingesetzt - daran etwas ändert, wird man abwarten müssen.

Apple bemühte sich schließlich, das Vertrauen der Publishing-Gemeinde zurückzugewinnen, und führte ausführlich den Weg zum neuen Betriebssystem sowie technische Details dazu vor. Dabei galt es weniger, neue Einzelheiten darzulegen, sondern vielmehr, den Kunden eine sinnvolle Strategie vorzuführen - und den Glauben an Apple zu stärken. Ellen Hancock, Executive Vice President (Advanced Technology), warnte die anwesenden Publishing-Anwender davor, in Microsoft zu investieren; das Unternehmen könnte das Geld gegen diejenigen einsetzen, die es bezahlt hätten. `Investieren Sie in Apple, und wir werden unsere Technologie verbessern´, sagte sie. (uh) (uh)