Weg wie warme Semmeln ...
Am 28. und 29. April hasteten Zehntausende zum PC-Kauf in die Läden, genauer, allerorts in einen ganz bestimmten Laden. Mit der Unterstützung der Massenmedien gelang dem Lebensmittel-Discounter Aldi wieder einmal, wovon selbst die Großen in der Computer-Branche nur träumen: innerhalb von nur drei Tagen setzte er knapp 100 000 PCs um.
- Georg Schnurer
Möglich machte dies vor allem das kolossale Medien-Interesse. Funk und Fernsehen begleiteten die Aldi-Aktion, Tageszeitungen berichteten teilweise in ganzseitigen Artikeln über das Aldi-Schäppchen: Für 1998 DM offerierte der Discounter einen Pentium-II-Rechner mit 266 MHz Taktfrequenz, 32 MByte Hauptspeicher, 4,3 GByte Festplatte, 4-MByte-Grafikkarte und 15"-Monitor.
Die Branche schaute resigniert zu. Retourkutschen etwa mit Billig-Schokolade, wie Schadt-Computer sie aus Anlaß der vorigen Aldi-Aktion gefahren hatte, gab es diesmal nicht. Ebenso blieben jene Szenen aus, die im November als `Schnäppchenkrieg im Supermarkt´ durch die Presse gingen: Schon Stunden vor Öffnung hatten die Kunden vor den Läden Schlange gestanden, und in Konstanz hatte ein 36jähriger Mann sogar eine (Schreckschuß-)Pistole gezückt, um den letzten Aldi-PC in seinen Besitz zu bringen.
Dieses Mal wurden in Süddeutschland, wo der Verkauf am Dienstag, 28. April, begann, zwar noch vereinzelt Schlangen gesichtet, doch selbst Spätaufsteher konnten sich einen PC sichern. Läden in Ballungsräumen wurden sogar ein zweites Mal beliefert. Wer dennoch leer ausging, konnte sich auf eine Warteliste setzen lassen. Neben dem Rechner verkaufte Aldi auch gleich noch passende Peripherie: einen Canon-Drucker (BJC 210 ET) für 249 DM, einen Flachbett-Scanner für den Parallelport (149 DM) und ein paar Aktiv-Boxen für rund 25 DM.
Nordlichter
Im Norden fiel der Startschuß einen Tag später. In vielen Läden waren die Rechner bereits nach Stunden ausverkauft, vereinzelt konnte man aber auch am Donnerstag noch fündig werden. Als Zugaben offerierte Aldi hier nur den Canon-Drucker; Scanner und Boxen gab es nicht zu kaufen. Besonders günstig kam ein Hamburger zu seinem Aldi-Rechner: Er erwarb den PC in den frühen Morgenstunden, brachte ihn aber nach kurzer Zeit unter einem Vorwand scheinbar originalverpackt wieder in den Laden und ließ sich das Geld zurückgeben. Der nächste Kunde fand in der Verpackung nur noch Kalksandsteine vor.
Im Gegensatz zu den im Süden angebotenen `Medion´-Rechnern heißen die im Norden verkauften `Livetec´. Abgesehen von der Frontblende sind aber auf den ersten Blick keine Unterschiede zu entdecken. Beide Modelle stammen aus der PC-Schmiede Medion, die auch für den Service nach dem Kauf verantwortlich zeichnet.
Medion und Aldi versprechen eine 12monatige Garantie mit Vor-Ort-Service und Hotline. Die Hotline ist allerdings kostenpflichtig (0,48 DM/Minute) und war zumindest in den ersten Tagen nach dem Aldi-Deal kaum zu erreichen. Wir warteten bei mehreren ĂĽber den Tag verteilten Anrufen jeweils mehr als fĂĽnf Minuten, ohne einen Techniker zu erreichen. Ob sich dies nach dem ersten Ansturm hilfesuchender Kunden bessert, bleibt abzuwarten.
Konfigurations-Pannen
Daß die Hotline nicht nachkam, hat sich Medion selbst zuzuschreiben: Beide Modelle wurden nämlich mit einer fehlerhaften Windows-Vorkonfiguration ausgeliefert. Obwohl der Monitor korrekt als Medion-Modell 1569A (15", 69 kHz Zeilenfrequenz) identifiziert wird, bietet der Grafiktreiber nur eine maximale Auflösung von 800 × 600 Bildpunkten bei einer Farbtiefe von 16 Bit und einer Bildfrequenz von grausamen 60 Hz an. Für eine 4-MByte-Grafikkarte und einen 69-kHz-Monitor ist das nicht akzeptabel.
Erst wenn man den Monitor-Typ geändert hat, gibt es ein flimmerfreies Bild mit höherer Auflösung und mehr Farben. Als wir die Medion-Hotline nach einem kostenpflichtigen Warteschlangen-Marathon (12 Minuten, 5,88 DM) letztlich doch erreichten, riet man uns reichlich genervt, einen Acer-Monitor, Modell AcerView 56L, auszuwählen. In der Tat ließen sich dann die zu erwartenden Auflösungen, Farbtiefen und eine Bildfrequenz bis zu 85 Hz einstellen.
Den StreĂź des Hotliners kann man nachfĂĽhlen, denn offenbar handelt es sich um einen Serienfehler: Wir haben drei Aldi-PCs im Norden und zwei im SĂĽden der Republik unter die Lupe genommen; bei allen fanden wir die Fehlkonfiguration.
Die `Südländer´ wiesen noch eine weitere Ungereimtheit auf: Beim Beenden von Windows 95 schalteten sie sich nicht automatisch ab. Eine Ursache dafür war auf Anhieb nicht zu finden, alle PCs schienen gleich konfiguriert zu sein. Auch im Rechner-BIOS schien alles in Ordnung zu sein. In diesem Punkt konnte uns die Medion-Hotline allerdings nicht weiterhelfen. Man gab diverse Tips, wie der Fehler zu beheben sei, zum Erfolg führte aber keiner. Da das softwaregesteuerte Abschalten beim Lifetec-Rechner funktionierte und beim Medion nicht, verglichen wir noch einmal alle Einstellungen von Windows 95 und im BIOS. Hier fand sich schließlich der Unterschied: Unsere Aldi-PCs der Süd-Kette haben ein älteres BIOS (Version 015) als die aus dem hohen Norden (Version 019). Es scheint also, als müßte ein neues BIOS her.
Abgesehen von diesen Ungereimtheiten bereitete uns einer der Lifetec-PCs noch individuelle Schwierigkeiten. Der Rechner startete bei der Inbetriebnahme im abgesicherten Modus und lief nach anschließendem Neustart sehr instabil. Die Hotline riet hier zu einer Neuinstallation von Windows 95. Was dabei herauskam und was wir derzeit sonst noch mit unseren Aldi-PCs, der Medion-Hotline und ebenso billigen Konkurrenzprodukten von Vobis und Schadt erleben, lesen Sie ausführlich in der nächsten c't. (gs) (gs)