Internet Explorer 5.5: In den Startlöchern steckengeblieben...
Bei Microsoft scheinen die Marketing- und Entwicklungsabteilung endgültig aus dem Takt gekommen - aber womöglich steckt dahinter eine Strategie.
Die letzten Tage konnte man ohne weiteres den Eindruck gewinnen, dass die sonst so perfekte Inszenierung zur MarkteinfĂĽhrung neuer Produkte bei Microsoft versagt. DafĂĽr gibt es gleich mehrere Beispiele.
Obwohl es die Spatzen von den Dächern pfeifen, ist der Internet Explorer 5.5 offensichtlich noch nicht endgültig fertig. Einige News-Dienste hatten schon vermeldet, dass zumindest einige nationale Versionen, unter anderem die deutsche, zum Download erhältlich seien. Die deutsche Niederlassung versucht sich nunmehr in Schadenbegrenzung. Bernhard Grander, Pressereferent bei Microsoft in München, bekräftigte gegenüber c't: "Diese Version ist noch nicht freigegeben." Er rechnet frühestens in der kommenden Woche mit der gleichzeitigen Verfügbarkeit der endgültigen Release der neuen Browser-Version zusammen mit der US-Version. Ursprünglich sollte der Internet Explorer 5.5 am 13. Juli eingeführt werden.
Das an Microsofts Gewohnheiten gemessene zögerliche Erscheinen des neuen Explorer ist eigentlich erstaunlich. Schon vor einigen Wochen hatte der Software-Riese angekündigt, dass die US-Version des Nachfolgers von Windows 98, Windows Millennium Edition (ME), fertig und in die Produktion gegangen sei. Sie soll außer dem Internet Explorer 5.5 auch den Media Player 7 mitbringen – man darf annehmen, dass es sich dabei um endgültige Versionen handelt. Einzeln erhältliche Versionen der US-Versionen dieser Produkte sind allerdings bisher nicht aufgetaucht.
Darüber hinaus hat Microsoft die angekündigte Lieferung der endgültigen englischen ME-Version an die Abonnenten des Microsoft Developer Network (MSDN) offenbar ausgesetzt. In einem Posting in einer News-Gruppe hieß es lakonisch, ME käme im August als Nachlieferung immerhin noch einen Monat, bevor es auch im Handel erhältlich sei.
Im Juli-Shipment-Index, einer Ankündigung des Umfangs der nächsten MSDN-Lieferung, taucht Millennium zudem nur als Release Candidate auf. Delikaterweise ist die deutsche Version von ME noch nicht in Produktion, jedenfalls erschien erst letzte Woche der dritte deutsche Release-Kandidat (RC2).
Es bleibt offen, was Microsoft zu dieser merkwürdigen Strategie verleitet. Zum einen könnte dahinter natürlich die Absicht stecken, Internet Explorer 5.5, Media Player 7 und Windows ME erst in allen Länderversionen fertig zu stellen, zum anderen könnte hinter den Kulissen aber auch ein juristisches Techtelmechtel stattfinden – schließlich hatte der Richter im ersten Urteil gegen Microsoft Auflagen erlassen, die unter anderem gleichzeitiges Bündeln und eine separate Distribution des Internet Explorer verboten. Die Auflagen indes sind ausgesetzt. Ein anderes Erklärungsmodell bekräftigt Vorurteile: Die Schimpfkanonaden der US-Betatester über die ME-Final, die sich gerade in den Tester-Newsgruppen entladen, könnten Microsoft vielleicht dazu bringen, die Freigabe für die Produktion zu überdenken. (ps)