Microsoft entdeckt das Web
Mit einer ersten Vorversion des kommenden Office-Pakets hat Microsoft einen breit angelegten Beta-Test gestartet. Ein Blick darauf zeigt bereits, wohin Microsoft die Reise plant: Office 2000 steht ganz im Zeichen von vernetzten Umgebungen. Anfang 1999 soll es auf den Markt kommen.
Den Boom des Internet und vor allem des firmeninternen Intranet hatte Microsoft in den Standardapplikationen fast verschlafen. Für Office 95 reichte man zwar später Internet-Assistenten für Word und Excel nach; diese boten jedoch nicht viel mehr als einfache HTML-Export-Filter und Vorlagen für einfache Web-Seiten. Auch in Office 97 änderte sich praktisch nichts, außer daß dieses Zubehör von vornherein integriert war. Im künftigen Office 2000 spielen dagegen firmeninterne Intranets die zentrale Rolle. Aus den Office-Anwendungen heraus sollen Mitarbeiter Dokumente selbst auf dem Web-Server ablegen und gemeinsam im Netz an den Dokumenten arbeiten.
Wie gewohnt setzt sich das Paket aus der Textverarbeitung Word, der Tabellenkalkulation Excel und der Präsentationssoftware PowerPoint zusammen. Das Datenbankentwicklungstool Access bleibt wie bisher den Käufern der 'Professional Version' vorbehalten. Der Terminplaner und EMail-Client Outlook kommt wie in Office 97 zu diesen Hauptanwendungen hinzu. Vor allem um die Internet-Funktionen in vollem Umfang zu nutzen, setzt Office 2000 den Internet Explorer 5.0 voraus, der sich derzeit ebenfalls im Beta-Stadium befindet und dem Office beiliegt. Neben der Standard- und der Professional-Version soll später eine spezielle Entwicklerversion folgen. Wie in der bestehenden 'Developer Edition' von Office 97 soll sie zusätzlich unter anderem eine Laufzeitversion von Access enthalten, die Entwickler mit ihren Projekten ohne zusätzliche Lizenzgebühren ausliefern dürfen.
Nachgeladen
Augenfällige Neuerungen zeigen sich bereits während der Installation des Pakets. Das Installationsprogramm bietet in Office 2000 zusätzlich die Wahl, Anwendungen wie PowerPoint erst später bei Bedarf nachträglich auf die Festplatte zu kopieren oder sie übers Netz beziehungsweise von CD-ROM aus zu nutzen. Ebenso lassen sich auch einzelne Teile wie Import/Export-Filter erst dann einrichten, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Zur Nachinstallation bedient sich Office 2000 des Windows-98-Installers, den das Installationsprogramm unter Windows 95 und NT zusätzlich einrichtet. Statt für eine Komplettinstallation gleich 300 MByte (zumindest in der vorliegenden Beta-Version) zu opfern, kann der Benutzer so zunächst eine Minimalausstattung zusammenstellen, die er nach und nach seinen Anforderungen anpaßt.
Der erste Start einer Office-2000-Anwendung legt dann eine drastische Einschränkung an den Tag, mit der Microsoft die Kunden zwingen will, die gekaufte Software zu registrieren. Nach Microsofts neuesten Plänen soll Software ohne Registrierung nur noch 50mal starten. Ein Dialog erinnert den Benutzer nach jedem Start einer der Office-Applikationen, die Registrierung per Internet oder telefonisch nachzuholen. Mit Hilfe eines Codes können sie das Paket daraufhin endgültig freischalten. Viele Benutzer haben die Registrierung bislang unterlassen, da sie sich davon keine Vorteile versprachen. Vielmehr hat Microsoft sogar Kundenadressen an die Business Software Alliance (BSA) weitergegeben, die registrierte Benutzer in Drohbriefen mit dem Vorwurf bedachten, sie setzten die Software illegal ein [1].
Die Anwendungen selbst besitzen mal wieder eine neue Bedienoberfläche. 'Dynamische Menüs' zeigen zunächst in einer ersten Ebene nur einen Ausschnitt mit den wichtigsten Einträgen. Verweilt der Benutzer einen Augenblick im Menü oder klickt auf den unteren Bereich, klappt dieses vollständig auf. Auf diese Art soll er die wichtigsten Befehle schneller finden. Zusätzlich werden die zuletzt benutzten Einträge, die sonst erst im vollständigen Menü auftauchen, eingeblendet. Nach anfänglicher Faszination wirkt der ständige Menüwechsel nach einer Weile allerdings störend; Einsteiger dürfte er eher verwirren. Über eine Option läßt sich dieses unruhige Verhalten aber abstellen. Ein erweitertes Clipboard bietet außerdem die Option, bis zu zwölf beliebige Kopierinhalte aufzunehmen und über ein spezielles Fenster gezielt auf diese zuzugreifen. Ein neuer Datei-Dialog trägt das Outlook-Design mit einer bunten Button-Leiste auf der linken Seite. Diese neuartigen Dialoge sollen einen schnelleren Zugriff auf den Desktop, auf bereits bearbeitete Office-Dokumente und auf Dateien im Internet/Intranet erlauben.
Direktzugang
Das Dateiformat der Office-Applikationen bleibt in der kommenden Version weitgehend unverändert. Word, Excel und PowerPoint benutzen weiterhin das Office-97-Format und erlauben so den problemlosen Austausch von Dateien - Microsoft scheint aus den Klagen über inkompatible Dateiformate in Office 97 gelernt zu haben. Die Umstellung von Access auf Unicode erforderte dagegen ein neues Format. Der Umstieg auf die VBA-Entwicklungsumgebung dürfte die Migration von Datenbanken früherer Versionen zusätzlich erschweren.
Im Zuge der Neuorientierung Richtung Intranet bietet Office 2000 die Wahl, alle Dokumente standardmäßig im HTML-Format zu speichern. Dabei gestattet XML (Extensible Markup Language), alle Formatierungen in den HTML-Dateien zu erhalten. Diese bleiben im Web-Browser verständlicherweise verborgen, Office-2000-Anwender können die Dateien aber ohne Formatverluste wieder öffnen und bearbeiten.
Spezielle Web-Ordner gestatten, Dokumente direkt im Netz abzulegen beziehungsweise von dort einzulesen. Änderungen beispielsweise an einer Excel-Tabelle stehen dann sofort allen Nutzern im Web bereit. Zur Teamarbeit im Intranet setzt Office 2000 allerdings einen NT-Server mit installiertem Internet Information Server (IIS) voraus. Ohne Microsofts eigenen Web-Server bleibt Office-2000-Nutzern außerdem die Diskussionsfunktion verschlossen. Ähnlich wie in einem Usenet-Forum sollen Arbeitsgruppen hier über Dokumente beziehungsweise einzelne Abschnitte in schriftlicher Form diskutieren und Änderungen vornehmen. Eine Alarmfunktion informiert auf Wunsch die Benutzer, falls ein Kollege Änderungen vorgenommen oder einem Dokument einen neuen Diskussionsbeitrag hinzugefügt hat. Mit diesen Möglichkeiten bietet Office 2000 wesentlich mehr als die bekannte Überarbeiten-Funktion und tritt eher in Konkurrenz zu Lotus Notes.
Der größte Teil der weiteren neuen Funktionen beschränkt sich weitgehend auf Web-Umgebungen. Für den Heimanwender läßt die erste Beta-Version jedenfalls noch nicht viele spektakuläre Neuerungen erkennen. Welche Vorteile ihm ein Update außer der neuen Optik und der verbesserten Installation bietet, wird sich erst in der fertigen Version zeigen.
Mehrsprachig
Einen Zeitvorteil verspricht sich Microsoft mit dieser Version im internationalen Geschäft. Durch Auslagerung aller sprachspezifischen Teile aus dem eigentlichen Programmcode in eigene Dateien genügt ein einfacher Austausch, um jede Sprachversion zu generieren - selbst unter Windows eigentlich ein alter Hut. Ein entsprechendes 'Language Pack' mit mehreren Sprachen wie Deutsch, Griechisch und Hebräisch, von denen sich immer nur eine installieren läßt, lag der Beta-Version bei. Auf diese Weise sollen alle Sprachvarianten für Windows erstmals gleichzeitig erscheinen - Anfang 1999. Vorher will Microsoft noch eine zweite Beta-Version verteilen, die dann vielleicht auch dem Heimanwender neue Anreize zum Aufstieg auf Office 2000 schafft. (db)
Literatur
[1] Christian Persson, Drohbriefe an die eigenen Kunden, BSA will illegalen Softwareeinsatz eindämmen, c't 7/97, S. 14 ()