Kommentar: 10 Jahre Sony-Rootkit – Why we should care

Vor zehn Jahren entdeckte ein Sicherheitsforscher zufällig ein Rootkit, das gekaufte Musik-CDs von Sony auf den Rechnern der Kunden installierten. Auch wenn es dafür eine Lösung gab, besteht das Problem der Nutzerkontrolle weiter, kommentiert Max Mehl.

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Kommentar: 10 Jahre Sony-Rootkit – Noch ist viel zu tun
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Von
  • Max Mehl
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"Why should they care?"

"Die meisten Leute, denke ich, wissen nicht einmal, was ein Rootkit ist. Also warum sollte es sie kümmern?" – Thomas Hesse, Präsident Sony BMG Global Digital Business (2005)

Wer vor zehn Jahren eine gekaufte Musik-CD von Sony in den Computer legte, bekam eine Schadsoftware untergeschoben. Auch wenn der Konzern nach monatelanger Debatte einlenkte und die Rechner gesäubert wurden, ist die Digitale Rechteminderung (DRM) nicht aus der Welt. Deren langfristige Folgen werden unsere Gesellschaft noch vor immense Probleme stellen, wenn wir uns nicht entschieden dagegen stellen.

Damit herumschlagen müssen wir uns bereits heute, dank höchst wählerischen Kaffeemaschinen, spionierenden E-Book-Readern oder Autos, die unter Androhung von Unbenutzbarkeit nur Ersatzteile bestimmter Hersteller annehmen. Dabei werden Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Sicherheit der Verbraucher bewusst ignoriert und fatale Kollateralschäden provoziert.

Schlimmer noch ist aber der Verlust an Innovationspotenzial, den wir durch jedes weitere Produkt mit eingebauter Rechteminderung erleiden. Software oder Hardware der Zukunft wird immer auf der Benutzung und Modifikation der Geräte der Gegenwart aufbauen. Computer, in all ihren Erscheinungsformen, sind dabei die wichtigsten Geräte. Wenn diese essentiellen Werkzeuge künstlich beschränkt werden, schrumpfen die Möglichkeiten, mit ihnen Innovationen zu produzieren. Und anstatt Bestehendes weiterzuentwickeln, können wir es oft nicht einmal mehr selbst abändern oder reparieren.

Ein Kommentar von Max Mehl

Max Mehl ist Deutschland-Koordinator der Free Software Foundation Europe (FSFE) und sieht freie Software nicht nur als technisches,sondern auch höchst politisches Thema. Er engagiert sich unter anderem in den Bereichen Routerzwang, Funkregulierung, Datenschutz und Netzneutralität.

Vergessen wir auch nicht, dass die Modifikation bestehender Technik für viele Behörden und Unternehmen absolut notwendig ist. Viele nutzen bestimmte Software, die im Gegensatz zum Standardsystem gewisse Rechts- oder Funktionsansprüche erfüllen und nachträglich aufgespielt werden muss. Bei Händlern ist genau diese Modifikation die Geschäftsgrundlage zahlreicher Unternehmen. Technische Restriktionen bevorteilen deshalb ausschließlich wenige Großkonzerne. Sollen diese Unternehmen in Zukunft definieren, was Privatpersonen, Organisationen, Firmen und Staaten mit ihrer Hardware machen dürfen und was nicht?

Natürlich können bestehende Einschränkungen durch technische Kniffe umgangen werden. Doch Hersteller müssen gezwungen werden, Käufern endlich die Gerätehoheit einzugestehen. Um weitere Sony-Rootkits zu verhindern, müssen unter anderem alle Anwender über Restriktionen in gekauften Produkten aufgeklärt werden. Außerdem müssen sie bestehende Restriktionen legal umgehen können – momentan werden nämlich Hunderttausende von Menschen fälschlicherweise kriminalisiert.

Wir benötigen also ein positives Recht auf uneingeschränkte Nutzung, Modifikation und Experimentieren mit allen Geräten, die wir kaufen ("Right to Tinker"). Uns müssen die Geräte auch tatsächlich gehören, die wir erworben haben. Das wird noch elementarer in Hinsicht auf das aufblühende Internet der Dinge, in dem noch viel mehr Computer um uns herum sein werden. Ob sie dann unsere Werkzeuge für Innovation sein werden oder solche zu unserer Einschränkung, müssen wir bald entscheiden. (mho)