Integerator
Wer gern mit Linux arbeitet, braucht auf gängige Betriebssysteme und deren Anwendungen nicht mehr zu verzichten. VMware simuliert unter Linux einen PC im PC und führt darin DOS, Windows und Co. aus.
Gegenüber der Vorabversion (siehe c't 7/99) hat VMware primär Feinschliff erfahren, so sind die Probleme mit der deutschen Tastaturbelegung verschwunden. Besonders erfreulich ist, daß VMware über das Preismodell nachgedacht hat und jetzt eine günstige Version für den privaten Einsatz anbietet.
VMware nutzt die Ressourcen des Wirtsbetriebssystems (zur Zeit Linux) nur, um einen eigenständigen PC bereitzustellen. Den Versuch traditioneller Emulatoren, die Funktionen des einen Betriebssystems mit einem Heidenaufwand auf ein anderes abzubilden, hat VMware erst gar nicht unternommen. Ausreichende Power vorausgesetzt laufen so Windows und Co. tadellos im X-Fenster.
VMware empfiehlt ein System mit 64 MByte RAM und Pentium II mit 266 MHz. In der Praxis genügt ein normaler Pentium. Essentiell ist ausreichend Hauptspeicher. Es sollte physisch so viel vorhanden sein, daß sowohl Wirts- als auch Gastsystem(e) frei atmen können, das System also nicht zum Auslagern gezwungen wird. Auf aktuellen Linux-Systemen (Kernel 2.2.x) profitiert VMware von einer zweiten CPU. Sie kommt allerdings kommt nur dem Wirtssystem zugute. Die Gastsysteme bekommen nur einen Prozessor zu sehen.
Start me up
Die Software ist bescheidene 2 MByte groß. Für Windows 9x und NT sowie für Linux als Gastsystem angebotene Utilities bringen je nochmals 1 MByte auf die Waage. VMware vertreibt die Software allein über seine Website (www.vmware.com). Kostenlose 30 Tage lauffähige Lizenzen erhält jeder, der sich online registriert. Kaufen kann man VMware ebenfalls nur online, eine Kreditkarte vorausgesetzt.
Bis Mitte Juli ist man pro Benutzer mit 199 US-Dollar für die kommerzielle Lizenz dabei (danach 299 US-Dollar). 75 US-Dollar kostet zur Zeit die Lizenz für den rein privaten Einsatz (später 99 US-Dollar). Als Supportangebot für alle betreibt VMware einen eigenen News-Server (news.vmware.com).
Die Installation (und gegebenenfalls Updates) der als tar.gz-Archiv gelieferten Software übernimmt ein Perl-Skript. Auf einer gängigen Distribution, ich habe SuSE 6.1 benutzt, klappt das reibungslos. VMware fragt beim Start nach, ob man einen simulierten PC, virtuelle Maschine (VM) genannt, starten oder eine neue Konfiguration anlegen will. Ein Assistent hilft, indem er einige Standardkonfigurationen bereitstellt.
Beim Start einer virtuellen Maschine (VM) tauchen auf dem Bildschirm die PC-typischen Meldungen auf. Das BIOS stammt übrigens von Phoenix. Liegt eine bootfähige CD im Laufwerk, so beginnt eine herkömmliche Installation, etwa von NT, allerdings in einem X-Fenster. Gastsysteme finden in einer VM einen klassischen PC mit zwei IDE-Ports, seriellen und parallelen Schnittstellen, VGA-Karte, Soundblaster- sowie AMD-Netzwerkkarte vor.
Die Geräte in einer VM sind unabhängig von der tatächlichen Hardwareausstattung: So kann unter Linux ein Microsoft Soundsystem als Soundkarte eingerichet ein, Windows sieht in einer VM trotzdem eine Soundblaster-Karte et cetera. Lediglich die CPU einer VM entspricht der tatsächlichen Ausstattung des Wirtssystems.
Die Zuordnung zwischen physischen Ports und Ressourcen in einer VM läßt sich beliebig verdrehen, etwa kann VMware den ersten seriellen Port unter Linux (/dev/cua0) einer VM als COM3 bereitstellen. Jeder der vier (virtuellen) IDE-Ports nimmt wahlweise ein CD-ROM-Laufwerk oder eine ‘virtuelle’ Platte auf. Hinter einer virtuellen Platte steckt entweder eine Image-Datei, die je nach Belegung mitwächst, oder eine tatsächlich im System vorhandene Platte oder Partition (etwa /dev/sda oder /dev/sda5), die das Gastbetriebssystem transparent nutzen kann.
Virtuelle Platten, die VMware auf Dateien abbildet, können derzeit nur bis zu 2 GByte groß sein (eine Beschränkung des Linux-eigenen ext2-Dateisystems). Für das Einrichten virtueller Platten, egal ob als Image-Datei oder über eine vorhandene Partition, bietet VMware drei Optionen: Änderungen können direkt ausgeführt (persistent), nur am Ende einer Sitzung auf Nachfrage übernommen (undoable) oder automatisch verworfen werden (non-persistent). Mit der letzten Option läßt sich eine neben Linux bereits bestehende Windows-Installation gefahr-los booten - Änderungen daran, etwa durch in diesem Fall zwangsläufig neu erkannte Geräte, verwirft VMware.
Auch für die Netzwerkseite sieht VMware zwei Möglichkeiten vor. In der ‘bridged’ genannten Betriebart fungiert die Netzwerkkarte des Linux-Systems als Bridge. Den Datenverkehr, der dort ankommt, leitet VMware durch (wenn die jeweilige Karte den Promiscuous Mode beherrscht). Eine Windows-Installation in einer VM kommuniziert also unabhängig vom Wirtssystem mit einem LAN, besorgt sich dort etwa die IP-Adresse und ist dort auch als eigenständiges System sichtbar, etwa mit seinen Freigaben für Datei und Druckdienste.
In der zweiten Netzwerkbetriebsart (host-only) kann VMware ein virtuelles LAN im Wirtssystem bilden. Jede VM bekommt eine eigene Schnittstelle, über die sie mit anderen Gast- und dem Wirtssystem kommunizieren kann. Wer einen Windows-Client und einen Linux-Server benötigt, um Software zu entwicklen oder zu testen, braucht also weder Kabel noch Zweitrechner. Mit entsprechendem Routing läßt sich das virtuelle Netz auch ins vorhandene LAN integrieren.
Wunschlos glücklich
In der Praxis läßt der Einsatz von VMware wenig zu wünschen übrig. Das einzige, was fehlt, ist ein direkter Dateiaustausch zwischen einer VM und Linux. Hierzu sieht VMware lediglich das (gegebenenfalls rein virtuelle) Netzwerk vor. Unter Linux sollte deshalb tunlichst geeignete Fileserver-Software laufen, damit der Zugriff aufs Linux-Dateisystem aus einer VM heraus klappt. Das unter Linux übliche Mounten von Dateien als Dateisystem übers loop-Device kann VMware nicht, weil es ein proprietäres Format für seine Image-Dateien verwendet. VMware gelobt aber Besserung.
Die Version 1.0 von VMware erlaubt als Gastbetriebssysteme derzeit DOS, Windows 3.x, 9x und NT 4.0, Linux und FreeBSD. Eine nur für registrierte Kunden benutzbare Vorabversion (Build 179) unterstützt neben der aktuellen Beta von Windows 2000 zusätzlich Solaris für Intel, Netware (Client und Server) und DR-DOS. BeOS und OS/2 fehlen weiterhin. VMware empfiehlt den Einsatz der Vorabversion allerdings nicht, sondern faßt sie als Demonstration für die Version 1.1 auf. Für registrierte Kunden ist das Update auf diese (Minor-)Folgeversion kostenlos.
Für den Einsatz von DOS, Windows 3.1 und FreeBSD liefert VMware keine weitere Software mit. Das heißt, wer diese Systeme einsetzen möchte, muß mit Standard-VGA-Auflösungen vorliebnehmen. Anders bei Windows 9x, NT 4.0 und Linux: Spezielle VMware-Utilities sorgen hier dafür, daß man beliebige Auflösungen bis hin zu der auf dem Wirtssystem eingestellten in einer VM aktivieren kann. Unter Windows sorgt dafür ein beschleunigend wirkender Grafiktreiber, unter Linux ein spezieller X-Server. Das Umschalten einer VM in den Vollbildmodus ist möglich, für beschleunigte Zugriffe allerdings ist eine spezielle X-Erweiterung für das Wirtssystem nötig, die VMware ebenfalls zum Download anbietet.
Ich habe sowohl Windows 95 als auch Windows NT 4.0 unter VMware mit dem Benchmark BAPCo SYSmark 98 gequält. Das liefert nicht nur einen Eindruck, wieviel Performance von Windows in einer VM zu erwarten ist, sondern zeigt auch, wie kompatibel und stabil Windows unter VMware-Kontrolle tatsächlich läuft.
Laut BAPCo entspricht die Performance dem subjektiven Eindruck: Auf einem System mit 266 MHz Pentium II darf man bei Windows 95 etwa die Performance eines Pentium mit 133 MHz (Rating 42), mit NT 4.0 die eines 200 MHz Pentium (Rating 70) erwarten (gemessen mit je 64 MByte RAM für die VM bei insgesamt 128 MByte physischem Speicher). Die Ergebnisse sind im Vergleich zum BAPCo-Resultat (Rating 113) für das Wirtssystems zwar nicht sensationell, zeigen aber, daß VMware alltagstauglich ist.
Untermauert wird das von der Stabilität: Trotz mehrerer BAPCo-Läufe von NT 4.0 unter VMware gab es nicht einen Absturz. Unter Windows 95 kam es gelegentlich zu den üblichen Aussetzern, wie sie auch ohne VMware auftreten.
Der Performance von Linux innerhalb einer VM von VMware bin ich nicht weiter nachgegangen. Laut unserer Schwesterzeitschrift iX mangelt es dabei vor allem an der Plattenperformance. Das erklärt auch die nicht gerade berauschenden Ergebnisse bei der BAPCo. MSDOS 6.22 lief in einem kurzen Funktionstest sogar inklusive Netzanbindung über den von Microsoft mit dem NT-Server bereitgestellten DOS-Client einwandfrei. Auch die Installation von FreeBSD klappte reibungslos.
Etwas eigenwillig ist das Handling des VMware-X-Fensters. Durch die Installation der VMware-Utilities unter Linux hält es immerhin die Maus nicht mehr gefangen (ohne die Utilities muß man sie mit einer Tastenkombination befreien). Dennoch kam es im Zusammenspiel mit dem KDE der SuSE 6.1 zu merkwürdigen Effekten. Statt des Fensters, das als selektiert dargestellt ist, behält VMware den Fokus. Ferner ließ sich der Screensaver erst beenden, wenn man VMware den Fokus wegnimmt (via Tastenkombination).
Unschön wird das Systemverhalten dann, wenn VMware auf defekte CD-ROMs stößt: Der PC scheint sich aufzuhängen. Aber hier genügt es, kurzerhand auf eine Text-Konsole zu wechseln und die lange Wartezeit durch das Abschießen des VMware-Prozesses zu verkürzen. Unbeeindruckt zeigt sich VMware übrigens von etwaigen Windows-Übeln. Den NT-Bluescreen etwa zeigt es einfach an, ohne daß das Wirtsbetriebssystem beeinträchtigt wird.
Alltagstauglich
Für den Einsatz von Windows-Applikationen unter Linux stellt VMware bisher den einzigen alltagstauglichen Ansatz dar. Entwicklungen wie Wine oder Wabi können da nicht mithalten. Für den gelegentlichen Einsatz von DOS unter Linux bleibe ich dennoch bei dosemu. Es bietet gerade für den Einsatz älterer Entwicklungsumgebungen besseren Komfort, etwa in einer 43/50-Zeilen Darstellung.
Für alle, die häufig testhalber mit verschiedenen Betriebssystemen zu hantieren haben, ist VMware eine Spielwiese sondergleichen. Die in den Image-Dateien abgelegten Installationen sind beliebig sicherbar und dazu noch hardwareunabhängig. Sie lassen sich daher von Rechner zu Rechner transportieren.
Einzigartig ist der gleichzeitige Einsatz mehrerer Betriebssysteme, als liefen sie auf getrennten Rechnern. Wer einfachere Szenen in einem Netzwerk zu Testzwecken nachstellen muß, hat damit die Lösung schlechthin gefunden. Ich warte gespannt auf die von VMware angekündigte Version, die NT als Wirtsbetriebssystem verwendet. Mit ihr bekommt jeder NT-Anwender die Möglichkeit, Linux zu beschnuppern - leider hat VMware den Beginn der Testphase auf Anfang Juli 1999 verschoben. (ps) (ps)