ProzessorgeflĂĽster

Noch leckt sich Intel die durch AMDs Athlon geschlagenen Wunden, da bahnt sich schon neues Unheil an: Mitstreiter HP scheint nicht mehr so überzeugt von den Fähigkeiten des gemeinsam entwickelten Merced-Prozessors zu sein.

vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Intel hat es derzeit wirklich nicht leicht: Erst stößt der längst totgeglaubte Rivale AMD mit dem Athlon den Pentium III vom x86-Performance-Thron, dann wird auch noch der Gefolgsmann HP abtrünnig und zieht die eigenen PA-RISC-Prozessoren der gemeinsam entwickelten Merced-CPU vor. Dabei sollte Merced doch endlich die bislang getrennten Welten von x86 und PA-RISC vereinen. Als echter 64-Bit-Prozessor soll er als erster die neue Intel-/HP-Architektur (IA-64) aufweisen und damit sowohl x86- als auch PA-RISC-Code verstehen können. Zudem sollte die neue Architektur den Sprung über die 1-GHz-Taktgrenze ermöglichen und Intel damit endlich auch den Markt für große Server öffnen.

Sollte -, aber in der Branche ist man eher skeptisch, ob der komplett neu entwickelte Prozessor auf Anhieb ein groĂźer Wurf wird. Viele betrachten den Merced vielmehr als eine Art Probelauf fĂĽr die neue Architektur und trauen den groĂźen Durchbruch erst dem Nachfolger McKinley zu. Diese Stimmen erhielten Mitte August Auftrieb, als Eric Clow auf der HP World Conference in San Francisco verkĂĽndete, dass HP in seine neuen Server entgegen den AnkĂĽndigungen der letzten Monate nun doch nicht den Merced, sondern den PA-RISC 8500 beziehungsweise 8600 einbauen will. Erst die nachfolgende Server-Generation soll mit einem IA-64-Prozessor laufen, dem McKinley. Dieser wird nach Intels aktueller Roadmap aber erst Ende 2001 verfĂĽgbar sein.

Aus Intel-Kreisen war zu HPs Linienuntreue bislang keine offizielle Stellungnahme zu bekommen. Inoffiziell hieß es nur, dass man - wenn überhaupt - nur eine sehr moderate Reaktion zeigen werde. HP sei schließlich ein Entwicklungspartner, der schon seine Gründe dafür habe, jetzt doch lieber die eigenen Prozessoren einzusetzen. Intel selbst sieht den Merced keinesfalls als Probelauf, im Gegenteil, die Performance, die sich aus den bislang durchgeführten Simulationen ableiten lasse, sei sehr ermutigend. Beim kürzlich erfolgten Tape-Out habe es auch keine Überraschungen gegeben und mit etwas Glück könne man bereits auf dem am 31. August beginnenden Intel Developer Forum einen ersten Prototypen vorführen. Angesichts der aktuellen Marktsituation - gemeint ist hier wohl der Athlon - ist es sogar wahrscheinlich, dass der für Mitte nächsten Jahres geplante Vorstellungstermin vorgezogen wird. Wir sind jedenfalls gespannt, was wir auf dem IDF zu sehen bekommen werden ...

AMD sonnt sich unterdessen im Benchmark-Erfolg des Athlon: beinahe in allen Disziplinen lässt er den Pentium-III bei gleicher Taktrate im Regen stehen. Die kleine Gewitterwolke, die Futuremark, Hersteller des 3DMark 99 MAX, ans Firmament zauberte, stört da kaum. Angeblich soll AMD bei der Vorführung des Athlon eine manipulierte Version des Benchmarks benutzt haben, die den Athlon etwa 34 Prozent schneller erscheinen ließ als den Pentium-III. Von einer echten Manipulation kann hier aber wirklich nicht die Rede sein: AMD hat vielmehr eine DLL des Benchmarks durch eine optimierte Version ersetzt. Dies geschah nicht heimlich, sondern wurde dokumentiert. Die Original-DLL wurde laut AMD ersetzt, um von der Befehlserweiterung des Athlon Gebrauch machen zu können. Nur so sei schließlich ein Vergleich zwischen Intels SSE- und AMDs erweiterter 3DNow!-Architektur möglich. Das ist zwar soweit richtig, erweist sich im Nachhinein aber als störend und unnötig, zumal der Athlon auch mit dem unveränderten Benchmark gut 15 Prozent schneller ist als der Pentium-III.

Störfeuer aus ganz anderer Richtung könnten AMD da schon eher aus der Ruhe bringen. So verlautbarte PC-Specialist, einer der Athlon-Vorstellungspartner von AMD, er könne erst im September mit Athlon-Systemen auf den Markt kommen, weil es keine passenden Mainboards gäbe. Andere, etwa Comtech, scheinen sich aber rechtzeitig eingedeckt zu haben und konnten zum offiziellen Verkaufsstart am 18. August zumindest einige Systeme vorweisen. Allerdings war hier die erste Serie von 500 PCs bereits am ersten Tag ausverkauft, und auch für die zweite Auflage von gut 1000 Stück liegen laut Comtech schon Vorbestellungen vor. Spontane Rundrufe bei mehreren norddeutschen Comtech-Filialen bestätigten diese Angaben: Überall war man bereit, eine Vorbestellung entgegenzunehmen; Lieferzeit: 2 Wochen; einen Athlon-PC zum sofort Mitnehmen gab es aber nirgends mehr. Der Prozessor selbst, so erfuhren wir, ist in ausreichenden Stückzahlen vorhanden. Den Engpass bilden die Motherboards. Selbst MSI, die neben Comtech auch Lion mit Athlon-Boards beliefern, können derzeit keine ausreichenden Stückzahlen anbieten. Die erste Charge von 1500 Boards sei bereits ausverkauft und ein Rückstand von über 5000 Platinen stehe noch in der Auftragsbüchern, erfuhren wir aus Insiderkreisen.

Der Grund für die schlechte Liefersituation liegt vermutlich in der übergroßen Vorsicht der Motherboard-Hersteller. Die wenigen Firmen (MSI, FIC, Gigabyte), die überhaupt schon Athlon-Boards im Programm haben, gingen bei der Erstauflage auf Nummer sicher und produzierten nur kleine Stückzahlen. Die Mehrzahl der Boardproduzenten wollte sich wohl lieber nicht auf das riskante Abenteuer Athlon einlassen: zu groß ist die Angst, dass Intel den Seitensprung mit AMD übel nimmt und es deshalb zu Einschnitten bei der Versorgung mit Intel-Chipsätzen kommt. Besonders die Versorgung mit den immer knapper werdenden BX-Chips, auf denen nach wie vor die Mehrzahl der Slot-1-Platinen basiert, ist hier ein gefürchtetes Druckmittel. Firmen wie etwa Asus, die gut 90 Prozent ihres Geschäfts mit Intel-basierenden Platinen machen, können oder wollen es sich derzeit nicht leisten, Intel zu verärgern. Athlon-Boards gibt es also einstweilen nur klammheimlich für ausgewählte Systemintegratoren, ansonsten bleibt man brav auf Intel-Linie und entwickelt Camino-Boards (i820) mit dem teuren RAM-Bus.

Bis zu deren Erscheinen dürfte sich auch die Auswahl bei Athlon-tauglichen Chipsätzen deutlich verbessert haben. VIA hat nach eigenem Bekunden bereits erste Muster des neuen KX-133 an Boardentwickler verschickt, und sowohl ALi als auch SiS bereiten solche Athlon-Steuerchips vor.

Die erste Runde im Preiskrieg Intel versus AMD ist eingeläutet: Zum 23. August hat Intel die OEM-Preise für den Pentium III zum Teil drastisch gesenkt. So fiel die 500-MHz-Ausführung um gleich 41 Prozent auf jetzt 251 US-Dollar pro 1000 Stück (Athlon: 249 Dollar), der 450-MHz-Typ kostet nun 183 Dollar und ist damit genauso teuer wie der Pentium-II-450. Schließlich fällt die 550-MHz-Variante noch auf 487 Dollar (Athlon: 449 Dollar). Allein das 600-MHz-Top-Modell bleibt vorerst auf seinem alten Preis von 669 US-$ (Athlon: 615 Dollar). AMD Deutschland sieht Intels Preissenkung als Bestätigung des Athlon an, denn dieser sei bei gleichem Takt und etwas niedrigerem Preis leistungsfähiger als der entsprechende Pentium-III-Typ. Die erste Athlon-Verbilligung könnte demzufolge Ende September ins Haus stehen.

Ungemach droht AMD dagegen im nächsten Jahr im Lowend-Segment: Intel will dann die Celeron-Architektur auf den Stand der Coppermine-Technik (0,18-µm-Kupferprozess, 100-MHz-Front-Side-Bus, SSE-Befehle) aufmöbeln und so AMDs K6-2- und K6-III-CPUs das Leben schwer machen. Der neue Celeron soll anfangs mit 550 MHz erscheinen, wobei der Cache dann angeblich auch mit vollem CPU-Takt läuft.(gs/ea) (gs)