‘Für 1,5 Millionen Domains gerüstet’
Der Internet-Provider Strato Medien AG hat in der jüngsten Vergangenheit mehrfach Negativschlagzeilen gemacht: Von Missmanagement, schlechtem Service und vorenthaltenen Leistungen war die Rede. Das Management hat zwar die Krise für beendet erklärt, doch auch danach nervten Serverausfälle immer noch die Kunden.
- Christian Rabanus
Wer bei Strato seinen Internetauftritt hat, zahlt zwar wenig, musste aber in letzter Zeit immer wieder mit technischen und organisatorischen Problemen rechnen. Und wer auf ein gutes Krisenmanagement hoffte, sah sich enttäuscht - gerade das funktionierte bei Strato oft überhaupt nicht. Im Internet häufen sich Beschwerden über schlechten Service und lange Bearbeitungszeiten. Auch die Wissenschaft hat sich dem Fall angenommen: Frank Roselieb von der Universität Kiel hat eine Untersuchung veröffentlicht, in der er Stratos Management-Fehler analysiert.
Die günstigen Pauschalpreise für komplette Internet-Präsenzen verschafften dem Anbieter binnen kürzester Zeit einen ungeahnten Kundenzustrom. Bis heute konnte Strato mehr als 300 000 Kunden mit über 500 000 Internet-Präsenzen gewinnen. Diese rasante Wachstumswelle hat das vergleichsweise kleine Unternehmen schlicht überrollt: Gegenwärtig hat es rund 120 Mitarbeiter. Roseliebs Meinung nach versäumte es der Strato-Vorstand aber, ein leistungsfähiges Kunden-, Wissens- und Krisenmanagement aufzubauen.
Die Teles AG, die Ende 1998 das florierende Unternehmen übernahm, plante die Zukunft des Berliner Web-Hosters, ohne die Belegschaft mit einzubeziehen. Auch als die Gerüchte über einen bevorstehenden Verkauf ins Kraut schossen und die Strato-Mitarbeiter um ihre Arbeitsstellen bangten, suchte das Teles-Management nicht den Dialog, kritisiert Roselieb. Dies hält er für einen großen Fehler: ‘Der Kundenstamm alleine ist relativ wenig wert. Erst seine Kombination mit dem Engagement und dem Wissen der Mitarbeiter ergibt den eigentlichen Wert des Unternehmens für einen potenziellen Käufer.’ Der der Verunsicherung folgende personelle Aderlass wirkte sich fatal auf die Leistungsfähigkeit von Strato aus.
Roselieb hält dem Berliner Management weiter vor, eine falsche Service- und Informationspolitik betrieben zu haben. Vor allem während der Krisenzeit im Herbst 1999 waren Hotlines zu kurz besetzt, war Servicepersonal unzureichend informiert. Kunden- und Mitarbeiterinformationen kamen zu spät und zu zögerlich und bestanden oft in Anschuldigungen von Stratos Partnern, vor allem des Karlsruher Providers Xlink.
Technische Probleme
Auch auf technischer Seite bleiben einige Frage offen. Sicherlich hat die Serie nicht vorhersehbarer Hardware-Pannen bei Xlink - Orkanschäden, Wassereinbruch - dazu beigetragen, die Strato-Probleme zu verschärfen. Aber die Entscheidung, alle Strato-Präsenzen auf einem einzigen Hochleistungsserver, einer Sun E6500, ohne ausreichende Redundanz laufen zu lassen, widerspricht den Grundsätzen der Netzwerkadministration. Es ist außerdem bekannt, dass Xlink ein Bandbreitenproblem zwischen Karlsruhe und Frankfurt hat. Beide Probleme wären mit entsprechendem finanziellen Aufwand lösbar.
Strato und Xlink verbreiten wieder Optimismus. Bei Xlink ist man zuversichtlich, dass sich die Serie technischer Defekte nicht fortsetzen werde. Man sei in ständigem Kontakt mit Strato, berichtet Thilo Heuys von Xlink. Er sei natürlich nicht begeistert davon, dass Strato den Grund für Pannen bei seinen Partnern suche und seine Kunden an Xlink verweise. Allerdings wolle man die Geschäftsbeziehung mit dem Berliner Provider fortsetzen.
Besserungsversprechen
Strato meint die Krise überstanden zu haben. Sprecher Sören Heinze räumte zwar ein, dass der Kundenservice in den letzten Monaten nicht zufrieden stellend war. Man werde aber bald ein völlig neues Servicekonzept präsentieren. Auch werde massiv neues Personal eingestellt. Die Zusammenarbeit mit Xlink stehe ebenfalls auf dem Prüfstand: ‘Wir führen Gespräche in alle Richtungen.’ Eine grundsätzliche Änderung des Unternehmenskonzepts werde aber nicht erwogen. Weiterhin ist Expansion angesagt: ‘Wir sind für 1,5 Millionen Domains gerüstet.’ Auch an der Ein-Server-Lösung werde Strato weiterhin festhalten.
Zu der Studie von Roselieb wollte Heinze nicht Stellung beziehen. Man erwäge aber rechtliche Schritte. Der Strato-Sprecher bestätigte, dass es Schadenersatzforderungen von Kunden gegeben habe - ‘die Anzahl bewegt sich aber nur im Bereich einer niedrigen dreistelligen Zahl’. Heinze konnte aber nicht beziffern, auf welche Summe sich die Forderungen insgesamt beliefen. Ihre Prüfung sei in Arbeit. Anschuldigungen, Strato stelle seinen Kunden Hürden beim Umzug zu einem anderen Provider in den Weg, wies Heinze entschieden zurück.
Die Mitglieder der Interessengemeinschaft Kunden der Strato Medien AG sehen die aktuelle Situation noch nicht so rosig wie Xlink und Strato. Am 23. 9. 1999 schaltete die Interessengemeinschaft ihre Internet-Seiten frei - auf einem Server von PureTec. Seitdem dienen diese Seiten als Anlaufstelle für Probleme und Anregungen rund um Strato. Vor allem bei akuten Problemen haben die Webseiten großen Zulauf, berichtet Bernd Bruns, Sprecher der Interessengemeinschaft.
Seit kurzem gebe es Gespräche mit Vertretern des Berliner Providers. Zwar sei man sich noch lange nicht überall einig, aber die Gespräche verliefen in einer konstruktiven Atmosphäre.
Nach wie vor ungeklärt sei der Schadenersatz: Vor allem E-Shop-Betreiber hätten Forderungen gestellt. Bislang gebe es von Strato noch keine befriedigende Reaktion, sagte Bruns. Er empfiehlt dem Strato-Management, ihre aggressive Werbekampagne auszusetzen und erst einmal das ‘Altkundenproblem’ zu lösen - sprich: den Kunden die Leistungen verlässlich zugänglich zu machen, für die sie bezahlen. (chr) (ole)