Großbritannien: Entwurf für Netzüberwachungsgesetz vorgestellt

Die britische Innenministerin Theresa May hat im Parlament den Entwurf für ein neues Gesetz zur Netzüberwachung vorgestellt und verteidigt. Er sieht weit reichende Speicher- und Entschlüsselungspflichten für alle TK-Provider vor.

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Theresa May

May im britischen Unterhaus

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers
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Die britische Innenministerin Theresa May hat ihren Entwurf des Investigatory Power Bill (IP) im britischen Unterhaus vorgestellt. Sie bezeichnete das Gesetz zur Netzüberwachung als "zentrales und zeitgemäßes Aktionsmittel gegen Kriminelle, Terroristen und Kinderschänder". Es könne nicht angehen, "dass wir Kinderschänder fangen können, wenn sie Telefone benutzen, aber hilflos sind, wenn sie über Social Media miteinander kommunizieren".

Deshalb sollen Provider unter dem IP zwölf Monate lang die von ihren Kunden besuchten Domain-Namen speichern, nicht aber die einzelnen abgerufenen Seiten. Außerdem sollen sie die Fähigkeit sicherstellen, verschlüsselte Kommunikation entschlüsseln zu können, sofern sie Verschlüsselungsmöglichkeiten offerierten.

Zuvor hatte der britische Premierminister David Cameron das geplante Gesetz als die wichtigste Gesetzesinitiative seiner (zweiten) Amstzeit bezeichnet. May betonte anschließend, dass es nach gründlicher Vorarbeit eine veraltetes Gesetz ablösen soll, das vor 15 Jahren entwickelt worden war und keineswegs eine Fortführung des Kommunikationsgesetzes von 2012 darstelle, das am Widerstand der damals mit regierenden Liberaldemokraten gescheitert war. "Wir wollen ein modernes Gesetz, das die Technik und Möglichkeiten von heute berücksichtigt und von den strengsten Schutzmaßnahmen in der gesamten demokratischen Welt begleitet wird."

Der Zugriff von Polizei und Geheimdiensten auf die zwölf Monate lang gespeicherten Vorratsdaten werde unter einem strengen Richtervorbehalt durch eigens ausgebildete Richter stehen, die von einem "Investigatory Powers Commissioner" kontrolliert werden. Der Zugriff auf die Kommunikationsdaten von Parlamentariern sei zudem nur mit Genehmigung des Premierministers möglich. Allerdings sieht das Gesetz eine fünftägige Notfallregelung ohne richterliche Genehmigung vor, wenn Eilbedürftigkeit besteht.

Neben der verpflichtenden Speicherung von IP-Daten durch die Provider verteidigte May die Vorschrift, die Namen besuchter Internet-Domains zu speichern. Dies sei notwendig, um Licht in Verbrechensstrukturen zu bringen, etwa um zu wissen, welcher Social-Media-Dienst benutzt worden ist: "Das Gesetz ist in diesem Punkt nichts anderes als ein Einzel-Gesprächsnachweis auf der alten Telefonrechnung." Sie bestätigte, dass der Gesetzentwurf auch die bislang rechtlich nicht abgesicherte Speicherpraxis des Geheimdienstes GCHQ legalisiert.

Andy Burnham von der oppositionellen Labour Party begrüßte die Gesetzesinitiative, sorgte sich aber um den Schutz von Journalisten und Gewerkschaftern, deren Arbeit nicht beeinträchtigt werden dürfe. Burnham fragte auch, wie das Gesetz von Unternehmen befolgt werden müsse, die nicht in Großbritannien angesiedelt sind.

Als erste ausländische Firma hat Microsoft UK zum Gesetz Stellung genommen. Es werde darauf zu achten sein, wie sich das Gesetz auf Beziehungen außerhalb Großbritannien auswirken wird, und ob es "innovationen oder Beziehungen mit alliierten Ländern" beeinträchtige.

Die Beratungen über den Gesetzentwurf sollen May zufolge im Frühling 2016 abgeschlossen werden, damit das Gesetz zügig verabschiedet werden kann. (anw)