Prozessorgeflüster

Nun ist es raus: Der im Herbst erwartete Pentium IV (Codename Willamette) heißt nicht Potter IV, sondern ... Pentium 4. Und wer erwartet hat, der Neuling melde sich nach 286, 386, 486, P5 und P6 nun folgerichtig als siebente Generation ... so irrt sich der. Stolz trägt der Pentium 4 gleich die 15 als Familien-Kennung - höher gehts mit der klassischen CPUID nicht. Sollte das etwa gleichzeitig das Ende der 32-Bit-Fahnenstange symbolisieren?

vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Rund um den 423-beinigen Pentium 4 kocht die Gerüchteküche geradezu über. So sickerten bereits Preise durch, und zwar 795 Dollar für 1,3 GHz und 895 Dollar für 1,4 GHz - typische Einstandspreise für neue Intel-Desktop-Prozessoren. Auch vom Nachfolger in 0,13 µm mit 479 Pins mit Codenamen Prescott ist zumindest in einer der Hauptküchen, www.theregister.co.uk, schon die Rede. Anderswo hört man von einem geheimnisvollen Nebenfluss des Willamette namens Tualatin, der in 0,13-µm-Technik und mit 256 und 512 KByte L2 als eine Art Pentium-4-Celeron wieder in den Sockel 370 passen soll.

Verschiedentlich waren einige schöne Fotos von Willamette samt Board zu bewundern, nur von technischen Daten und von Performance-Werten erfuhr man bislang wenig. Was wurden doch allerorten für fantastische Cachegrößen vermutet. Dabei werden sich Willamettes integrierte Zwischenspeicher zunächst vergleichsweise bescheidenen vorstellen: nur 8 KByte für den L1-Daten-Cache und 12 KByte für den Execution-Trace-Cache. Und der L2-Cache entspricht in seiner Größe von 256 KByte dem des Coppermine. So ungefähr hätte man sich das schon aus Worten von Albert Yu, Chef der Intel Microprocessor Division, auf dem Developer Forum im Frühjahr zusammenreimen können, der dem Willamette nur eine geringfügig größere Die-Größe als dem Coppermine zugestand.

Willamette soll bei gleichem Takt 30 Prozent schneller als der Coppermine sein. Dank ‘Doppelpumpentechnik’ können die beiden ALUs bis zu vier einfache arithmetische und logische Operationen nahezu gleichzeitig beackern. Das wäre theoretisch der doppelte Durchsatz, jedenfalls, wenn es keine Nachschubprobleme gäbe. Pro Takt kann der Trace-Cache aber nur maximal drei Befehle, so genannte µOPs, liefern. Außerdem warnt der auf der Intel Website verfügbare Willamette Software Guide, dass es auch diverse Operationen gibt, die deutlich langsamer als beim Coppermine vonstatten gehen. Das betrifft neben etlichen seltenen Befehlen auch Shift und vor allem die wichtige Integer-Multiplikation, für die Willamette immerhin zwölf Takte statt derer vier des Coppermine verschlingt. Das jedenfalls kann er auch mit dem viel höheren Prozessortakt nicht ausgleichen. Aber dafür glänzt er ja mit einer gegenüber Coppermine dreimal so hohen Bandbreite von 3,2 GByte/s, mit der er auf den Speicher zugreifen kann. Und schließlich bietet er eine erheblich verbesserte SSE-Einheit, die aber erst einmal programmiert werden will.

Die für Frühjahr 2001 vorgesehene Servervariante (Codename Foster) wird vermutlich etwas größere Caches aufweisen. Doch die alten Pentium-III-Xeons mit den großen 1-MByte- und 2-MByte-Caches sollen anders als es hier und da anklang so schnell nicht aussterben. Intel lässt mangels Nachfrage nur die geplante 800-MHz-Version aus und will etwas später dann gleich 900 MHz offerieren. Die Foster-Familie lockt allerdings in ihrer Roadmap mit interessanten zukünftigen Merkmalen: nämlich mit mehreren (logischen) Prozessoren in einem Gehäuse. Ob die nun auf einem Chip sitzen oder in einem Multi-Chip-Modul, bleibt offen. Intel nennt dieses Multiprozessor-Feature ‘Jackson Technology’. Im Internet findet man unter diesem Begriff eine amerikanische Firma, die Hardware für Behinderte herstellt - die Suchmaschinen liefern auch den ‘Technology’-Experten Tim Jackson, der das Buch ‘Inside Intel’ geschrieben hat.

Um die erwähnte hohe Busbandbreite mit dem Willamette-Chipsatz Tehama nutzen zu können, benötigt man teuren Rambus, und zwar gleich zwei Kanäle. Ob das dieser Speichertechnologie zum Durchbruch verhilft, bleibt jedoch weiterhin fraglich, obwohl derzeit die Rambus-Preise fallen und die für SDRAMs steigen. Für neuen Zündstoff in der Debatte hat Intel selbst gesorgt: durch die Veröffentlichung eigener Messergebnisse. Danach ist der neue Solano-Chipsatz i815 mit PC133 in den meisten Benchmarks schneller als Rambus im Intel-Board VC820.

Andererseits hat sich Intel, wie erst kürzlich bekannt wurde, in dem 1996 geschlossenen Vertrag mit Rambus eine Option einräumen lassen, bis zu vier Millionen Aktien zum Spottpreis von 2,5 Dollar erwerben zu können, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Marktführer in zwei aufeinander folgenden Quartalen mindestens 20 Prozent aller Chipsätze mit Rambus-Interface verkauft. Das würde sich heute, angesichts eines Rambus-Kurses von 100 Dollar, nicht schlecht rechnen - und so bekommt so manche Entscheidung der letzten Zeit, etwa die Verschiebung der Timna-CPU (zwar mit Rambus-Interface ausgestattet, aber mit SDRAM-Übersetzung), in diesem Lichte einen ganz anderen Glanz. Und vielleicht ist Intel auch deshalb zu der kleinen Firma ServerWorks so freundlich, die einen Steinwurf weit weg von der Zentrale in Santa Clara residiert und die Chipsätze für Server und Workstations - natürlich mit SDRAM-Bestückung - designt.

Zum anderen, wesentlich größeren Chipsatz-Konkurrenten VIA ist Intel jetzt auch etwas freundlicher. Das Streitthema P6-Bus und PC133 ist gegen Zahlung einer Lizenzgebühr unbekannter Höhe vom Tisch. Allerdings streiten sich die beiden noch darum, ob VIA auch für andere Prozessoren Chipsätze mit PC133 herstellen darf und ob VIA darüber hinaus berechtigt ist, eigene x86-Prozessoren zu fertigen. Ein Standbein für VIAs ‘Berechtigung’ wackelt jedenfalls derzeit: Das geplante Joint Venture mit S3 wurde von der taiwanischen Regierung hinausgeschoben (S3 hat ein Patentaustauschabkommen mit Intel).

Nach so viel Intel-Dominanz nun zum Schluss noch zwei kurze Meldungen aus dem AMD-Lager. Zunächst die unangenehme: Die Firma Gateway hat in ihren Systemen ein Problem im Zusammenspiel zwischen Board und Gigahertz-Thunderbird entdeckt und die Systeme erst einmal zurückgezogen. Weitere Info dazu gibt es noch nicht. Und die angenehme: Von Codeplay ist ein C-Compiler erhältlich, der neben PII/PIII und Willamette auch die AMD-Familie bis hin zum Athlon unterstützt. C++ kennt er derzeit allerdings noch nicht. (as) (as)