Britische Pläne zur Netzüberwachung in der Kritik

Das von der britischen Regierung vorgestellte Gesetz zur Netzüberwachung wird vor allem von Datenschützern und Menschenrechtsorganisationen abgelehnt.

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Überwachung, Kamera
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Von
  • Detlef Borchers

Sollte das Investigatory Power Bill in dieser Form vom Parlament umgesetzt werden, werde Großbritannien ein Überwachungsstaat, befürchtet Amnesty International. Die Menschenrechtler weisen darauf hin, dass der Geheimdienst GCHQ widerrechtlich Amnesty überwachte, dies aber nach dem geplanten neuen Gesetz erlaubt werden könnte.

Die schärfste Reaktion zum geplanten Gesetz kam von der Organisation Liberty and Human Rights Act, kurz Liberty genannt. Direktorin Shami Chakrabarti bezeichnete den Entwurf als eine "atemberaubende Attacke auf die Internet-Sicherheit" aller Menschen in Großbritannien. Verhaltener fiel die Reaktion von Big Brother Watch aus. Dort wird bezweifelt, ob das "Doppelschloss" ein praktikables Verfahren darstellt: Ehe die 25 zugelassenen Behörden auf die Vorratsdaten von britischen Bürgern zugreifen können, muss das Innenministerium und ein eigens bestallter Richter die Zustimmung erteilen.

Begrüßt wurde das Gesetz von David Anderson, dem unabhängigen Berichterstatter über die Gesetze gegen den Terrorismus. Viele seiner Vorschläge seien in den Gesetzentwurf eingeflossen. Nun sei es Sache des Parlamentes, aus dem Entwurf ein praktikables Gesetz zu machen. Eher enttäuscht äußerte sich Ben Emmerson, der UN-Berichterstatter für Menschenrechte und Anti-Terror-Initiativen. Es gebe höchst unterschiedliche Ansichten darüber, ob ein solch breites und umfassendes Gesetz notwendig sei. Aber jedes Land habe das Recht, sich auf seine Weise gegen den Terrorismus zu wehren. Nun müsse das Parlament entscheiden, aber auch darauf achten, dass Artikel 17 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte eingehalten wird.

Ähnlich äußerten sich die Datenschützer von Privacy International. Sie betonten, dass die Debatte erst jetzt richtig beginnt. Nach all den Jahren, in denen die von Edward Snowden verbreiteten Erkenntnisse heruntergespielt oder ignoriert wurden, stelle sich die Regierung endlich der Debatte. "Zum ersten Mal werden das Parlament und die britische Öffentlichkeit darüber diskutieren, was die massenhafte Überwachung, die Massenausleitung von Daten und das Data-Mining von personengebundenen Daten für die Gesellschaft bedeutet." Die Datenschützer machten darauf aufmerksam, dass die IP-Bill im Abschnitt 66 einen Passus enthält, der Whistleblowing im Stil von Snowden unter Strafe stellt.

Weitere Stellungnahmen sammelte die Initiative Don't spy on us. Eine erste technische Einschätzung des Gesetzentwurfs präsentierte Statewatch. Stellungnahmen der Provider stehen noch aus. Sie müssen beim Internet-Verbindungsnachweis (Internet Connection Record) neben den IP-Adressen die Namen aller von einem Bürger besuchten Domains über einen Zeitraum von zwölf Monaten speichern. (axk)