‘Design ist keine Demokratie’
Starentwickler Kai Krause trat seit langer Zeit erstmals wieder öffentlich auf - und gewährte vorsichtige Einblicke auf das, was in seiner ‘Byteburg’ am Rhein vor sich geht.
- Dr. Thomas J. Schult
Als Späthippie und Fotoknautscher fühlt er sich verunglimpft, seit er den ‘Riesen-Scheiߒ (Krause über den Bilddateien-Verzerrer PowerGOO) auf den Markt gebracht hat. So hatte er sich eigentlich geschworen, erst wieder vor die Öffentlichkeit zu treten, wenn er beweisen kann ‘Ich ziehe nicht nur Nasen lang’ und die versprochenen Innovationen aus deutschen Landen vorzeigen kann.
Um so erstaunlicher, dass er am 25. März doch auf ein Podium stieg - nicht auf einer Computermesse, nicht auf einer Investorenparty, nicht auf einem Tag der offenen Burg, sondern im Literarischen Salon der Universität Hannover.
In diesem allmontaglichen Forum stellen sich sonst Literaten, Schauspieler und andere Kulturschaffende den Fragen von Moderator und Publikum. Doch der vom Time Magazine zu den ‘50 einflussreichsten Denkern der nächsten Dekade’ gezählte Krause hatte den Salonbetreibern schon vor über einem Jahr zugesagt und stand nun in der Pflicht, Rede und Antwort zu stehen. Seine drei wichtigsten Botschaften: Gebt mir noch weitere eineinhalb Jahre - dann will ich die neuen Produkte zeigen. Deutschland sei ein hartes Pflaster für gute Ideen, dennoch: Kreative Köpfe, kommt in meine Burgen - ich gebe euch Raum, Zeit und Geld.
Weil das - teilweise von weit her angereiste - Publikum am liebsten doch schon die nächste Killerapplikation aus den Händen des von den Medien hochgepushten ‘Softwaregurus’ sehen wollte, gab Krause dann wenigstens noch einige Hinweise, was hinter den 950 Jahre alten Mauern seiner Byteburg vor sich geht.
Mehr Spaß im Bett
Eines seiner Produkte werkelt sogar unter der Bettdecke. Es verspricht indes nur mittelbaren Lustgewinn - die Fernseh-Fernbedienungen haben es dem einstigen Softwaretüftler besonders angetan. Seine Vision: Mit einer Hand (die eben auch unter der Bettdecke sein kann) die Flimmerkiste anfunken zu können. Mit Abscheu berichtet er von 79-tastigen Fernbedienungsmonstern, die auch nach Jahren nicht intuitiv zu bedienen seien. Seine Lösung sieht dagegen aus wie der Griff eines Skistocks: Eine Mulde für jeden Finger, und darin liegt jeweils eine Taste. Jeder Finger bekommt so seine eigene Aufgabe (etwa ‘nächstes Programm’ oder ‘lauter’), die sich im Laufe der Zeit einprägt.
Besonders haben es Krause faltbare Displays angetan. Mit einem aus der Automobilindustrie stammenden Designer entwarf er eine ganze Reihe von Studien, die eines gemein haben: unterwegs für mehr Spaß und Information zu sorgen. Dazu gehören Handys mit auffaltbaren Riesendisplays und Personal Digital Assistants, deren Anzeige sich bei Bedarf auf Notebookgröße aufplustern kann.
Burgen im Doppelpack
Zu seiner Burg in Bad Breisig bei Bonn gesellt sich mittlerweile ein Ableger in Kerpen bei Köln - die Wasserburg Hemmersbach mit 6000 Quadratmetern Nutzfläche, als eine Art Technologiezentrum für 31 Firmen mit 160 Leuten ausgelegt. Doch Krause will mehr als nur eine gemeinsame Nutzung von Kopierer und Versammlungsraum: ‘Ich halte die Burg wie eine Fackel hoch und sage: Kommt her, wenn ihr Ideen habt.’ Er will besondere Leute und ist bereit, ihnen besonderes Equipment, Zeit und Kapital bereit zu stellen, um sie ‘dann einfach loslaufen zu lassen’. Ein ganzes Konsortium von Banken ist auch mit dabei und sorgt für frisches Kapital. Ein Netzwerk von Burgen soll entstehen, die als ‘regionale Magneten’ für die besten Ideen dienen.
Krause sieht sich nicht nur als ‘Business Angel’, sondern auch als Software-Revolutionär im Wartestand. Seine Abneigung gegen gängige Betriebssysteme und Standardsoftware ist oft zu spüren: ‘Es ist absolut lächerlich, womit wir uns heute rumschlagen. Es gibt nichts Obszöneres als diese Durchschnittlichkeit bei Microsoft.’
Er weiß: ‘Es muss ganz anders gehen. Ich hab es schon auf diesem Rechner, aber es ist noch ein bisschen zu früh.’ Rettung vor den Office-Boliden kommt seiner Ansicht nach nicht von offener Software, die eine Community im Web pflegt und weiterentwickelt. Das könne genau so wenig zum Erfolg führen wie die ‘2000 Köche bei Microsoft’, welche die Office-Menüs verbrochen hätten. Er plädiert für eine Art ‘Design-Faschismus’ und stellt fest: ‘Design ist keine Demokratie’.
Führerprinzip
Bei herausragenden Produkten müsse eben einer sagen, wo es lang geht, und der soll wohl Kai Krause heißen. Sonst würde die Technik nie von allen verstanden und genutzt werden können, von Oma bis Enkelin. ‘Wir haben gerade erst angefangen, alles wird komplett neu erfunden. Word und Excel sind in zehn Jahren weg. Statt dessen kommen Sachen von schräg links, die vier Jungs in einer Garage in Palo Alto machen. Oder in einer Burg am Rhein.’
Warum die Revolution aus Deutschland kommen soll? Er mache nicht auf ‘Onkel Dagobert kommt nach Hause’, aber es gebe viele kreative Köpfe und originelle Ideen, die sich nicht richtig entfalten können: ‘Es ist so schwer, hier eine Firma aufzumachen.’ In den USA könnten Neugründungen einfach Aktien drucken und ihren Mitarbeitern anstelle eines hohen Gehalts geben. Doch gegen das Auswandern spricht einiges: ‘Ihr habt es so schön hier, ihr wisst es nur nicht.’ (fm)
Literatur
[1] Zeit ist der wahre Reichtum, Der Visionär meldet sich zurück - Kai Krause im Gespräch mit c't, c't 15/2000, S. 74 (fm)