HTML-Rechtschreibung

Das Web soll möglichst vielen Anwendern Informationen unkompliziert zugänglich machen, auch über die Grenzen von Rechnerplattformen hinweg. Gutes Web-Design endet daher nicht beim Layout, verständlicher Navigation oder schnell ladbaren Seiten, sondern erfordert auch eine saubere technische Umsetzung, weil man sonst all die Benutzer mit Browsern abseits des Mainstreams nicht erreicht.

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Von
  • Detlef Beyer
Inhaltsverzeichnis

Über gutes Web-Design herrscht mittlerweile in vielen Belangen Konsens: ”Weniger ist mehr“ lautet die Devise, also etwa keine überfrachteten Seiten in winziger Schrift, keine Farborgien, Verzicht auf extravagante Zutaten wie Animationen oder Videos, die sich womöglich erst nach dem Laden eines Plug-ins erschließen.

Wie sinnvoll sind aber im Prinzip perfekt gestaltete Seiten, wenn sie nur mit genau einem Browser, womöglich nur in der aktuellen Version, sauber darstellbar sind und bei allen anderen Besuchern Zeichensalat über den Bildschirm fetzt?

Der Schlüssel zu universell verträglichen Websites liegt seit eh und je in der Technik: im richtigen HTML-Code. Eigentlich ist das ein Anachronismus, denn im Zeitalter grafischer Programmier-Tools und Textverarbeitungen, die ihren Output direkt in HTML ausgeben können, sollte sich ein Website-Entwickler nicht mehr um die Qualität des Codes scheren müssen. Er sollte sich vielmehr auf die Gestaltung und den Inhalt konzentrieren können.

In der Praxis sieht das anders aus, und selbst absolut standardkonformes, also korrektes HTML erweist sich nicht immer als das richtige HTML für jeden Browser. Wer es daher vielen Browsern, Browser-Versionen und Plattformen recht machen will, kommt um die Beschäftigung mit HTML nicht herum. Und damit man später nicht in zig Seiten mit handgefertigtem Spezial-Code untergeht, sollte man das Vorhaben gründlich planen. Dann wird Ihre Website mit nur wenig Mehraufwand für deutlich mehr Besucher attraktiv. Um diese Aspekte des Website-Designs geht es in diesem Artikel.

Interaktive Elemente wie ein Gästebuch oder eine Suchfunktion schaffen weitere Anreize, gerade Ihren Webauftritt regelmäßig zu besuchen. Ab Seite 92 in c't 8/2003 finden Sie eine Einführung in die gängigen Sprachen für solche Erweiterungen. Die regelmäßige Pflege der Inhalte erleichtern Content Management Systeme. Wie das in der Praxis funktioniert, beschreibt der Artikel ab Seite 98 in c't 8/2003 am Beispiel des kostenlosen, aber sehr mächtigen Typo 3. Und ab Seite 102 in c't 8/2003 gibt es einen Leitfaden für die Wahl eines Webspace-Providers, der Ihnen alle benötigten Funktionen bietet, ohne dass Sie für überflüssige Features bezahlen müssen.

Technisch mangelhafte Websites stammen nicht nur von Freizeitprogrammierern. Das Web ist voll schlechter Beispiele von professionellen Agenturen. Da wird dem Besucher gleich auf der ersten Seite vorgeschrieben, welchen Browser in welcher Version er zu benutzen hat, welche Auflösung er einstellen oder welche Plug-ins er installieren soll. Solche Sites gleichen einem Kaufhaus, das seinen Kunden die Farbe der Strümpfe vorschreibt und Nonkonformisten die Tür weist - undenkbar.

Dabei ist die Grundprämisse im Web ganz einfach: Eine Site soll möglichst viele Interessenten erreichen und Informationen einfach nutzbar und ansprechend darstellen. Davon ausgehend stellt man Überlegungen über die Strukturierung und mediengerechte Aufbereitung der Inhalte, das Design und die Bedienerführung an. Aber alle diese Ansätze müssen in eine Form gebracht werden, die aus technischer Sicht eine Nutzung im World Wide Web ermöglicht.

Bei der Erstellung von HTML-Seiten gilt es die Regeln zu beachten, nach denen Browser die Seiten darstellen. Diese Regeln ändern sich unter dem hohen Innovationsdruck im World Wide Web ständig.

Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat 1994 auch das World Wide Web Consortium (W3C) gegrĂĽndet. Hier werden bis heute die wichtigen Standards fĂĽr das World Wide Web definiert - und leider von Browser-Herstellern wie Netscape und Microsoft fleiĂźig ignoriert.

Im November 1995 erscheint die HTML-2.0-Definition des W3C; im Dezember folgt JavaScript 1.0. Die Software-Industrie war schneller: Netscape 1.2 gab es im Juli, den Internet Explorer 1.0 im August. Im Mai 1996 wird, sehr zur Freude der Grafik-Designer, das TABLE-Element vorgestellt, mit dem sich Texte und Grafiken auf der Seite platzieren lassen. Schon im Dezember 1996 folgt die CSS1-Definition durch das W3C. Die Cascading Style Sheets sollen anspruchsvollere Layouts ermöglichen und die Aufgabe der HTML-Elemente wieder auf die Strukturierung des Inhalts reduzieren.

Der wichtige Standard HTML 3.2 wird im Januar 1997 publiziert. Doch weder Netscape 4.0 (Juni 1997) noch Internet Explorer 4.0 folgt diesem Standard vollständig. Um sich Marktanteile zu sichern, bauen Netscape und Microsoft vielmehr proprietäre Neuerungen in ihre Browser ein, die für ein paar Aha-Effekte und viele graue Haare bei den HTML-Entwicklern sorgen. Bekanntestes Beispiel ist der Layer-Tag, den Netscape mit der Version 4 vorgestellt hat, obwohl er nie in den W3C-Dokumenten aufgetaucht ist. Mit Version 6 ist der Tag denn auch wieder verschwunden.

Die aktuellen Browser-Versionen setzen die seit 1999 gültige HTML-4.01-Definition und den CSS1-Standard zwar relativ gut um, doch längst nicht alle Probleme sind gelöst. So hapert es immer noch bei der Unterstützung des CSS2-Standards von 1998. Auch JavaScript und das DOM (Document Object Model) blicken auf eine ähnlich chaotische Evolutionsgeschichte zurück wie HTML. Und die mangelhafte Unterstützung von Standards durch WYSIWYG-Editoren verschärft die Situation weiter. Eine Website trotz aller Browser-Eigenheiten weitestgehend fehlerfrei zu produzieren schlägt grob geschätzt mit rund 25 Prozent Mehraufwand für spezielle Anpassungen zu Buche.

”Code once, run anywhere“ ist dabei ein Anspruch, der sich im Zeitalter von mobilen Devices nicht halten lässt. Ein PC mit 21-Zoll-Monitor einerseits und das 3-Zoll-Display in einem Internet-fähigen PKW-Infosystem andererseits setzen hier natürliche Grenzen. Man kommt daher nicht umhin, eine Liste der zu unterstützenden Systeme und Browser aufzustellen. Der Web-Auftritt einer Online-Zeitschrift, die eine möglichst breite Nutzerschicht ansprechen will, muss dabei universeller gestaltet werden als der vollständig in Flash realisierte Game-Park innerhalb eines Spiele-Portals.

Um die Auswahl der Zielbrowser kompetent treffen zu können, braucht es möglichst viel Hintergrundwissen über die Stärken und Schwächen einzelner Standards und darüber, wie die verschiedenen Browser damit umgehen. Das Wissen um die zu erwartenden Probleme und den Aufwand, diese zu umgehen, setzt man in Relation zum Anspruch, einer möglichst großen Gruppen von Nutzern den ungehinderten Zugang zu den Web-Angeboten zu ermöglichen. Dabei muss es nicht unbedingt um die uneingeschränkte, fehlerfreie Wiedergabe der Website inklusive aller Funktionen und Designvorgaben gehen. Kleine Abweichungen in der Darstellung oder eingeschränkte Funktionen wie ein fehlender Roll-over-Effekt lassen sich verschmerzen, solange sie die Nutzung nicht unmöglich machen.

Zurzeit surfen die meisten Nutzer mit dem Internet Explorer durchs Netz. Er hat es bei einer Studie der Unternehmensberatung Fittkau & MaaĂź mit 99 000 Befragten Anfang 2003 auf 90 Prozent gebracht. In den Statistiken von heise online liegt er mit allen Versionen zusammen knapp ĂĽber 60 Prozent. Interessant ist hier die mit ĂĽber drei Prozent noch recht hohe Verbreitung von Netscape 4.7, da dieser Browser mit HTML 4 und CSS groĂźe Probleme hat.

Die Zugriffsstatistiken von heise online erlauben Rückschlüsse über die Verbreitung der einzelnen Browser. Die, deren Anteil unter 0,5 Prozent liegt, sind der Kategorie ”Andere/Unbekannt“ zugeschlagen.

Hat man die zu unterstützenden Zielbrowser festgelegt, müssen diese für Tests zur Verfügung stehen. Leider lassen sich nicht alle ohne Weiteres auf einem Rechner installieren. Der Internet Explorer läuft unter Windows immer nur in einer Version. Netscape 7 und Mozilla 1.0 nutzen auf dem Macintosh identische Ressourcen, was den gleichzeitigen Betrieb verhindert. Opera macht hier weniger Probleme.

Da sich Browser der gleichen Versionsnummer auf verschiedenen Betriebssystemen durchaus anders verhalten, mĂĽsste die perfekte Testumgebung auch mehrere Windows-Versionen berĂĽcksichtigen. Wer nur einen Rechner besitzt, kann entweder ĂĽber einen Bootmanager verschiedene Systeme betreiben oder sich mit Images der Festplatte behelfen.

Bei der Definition der Zielbrowserliste kann man Browser mit Versionsnummern unterhalb 4 vernachlässigen. Die nächste wichtige Entscheidung betrifft den Umgang mit 4er-Browsern, die noch in nennenswerten Zahlen in den Log-Dateien auftauchen. Wer sie ausschließt, erleichtert sich das Leben deutlich, grenzt aber auch potenzielle Besucher aus. Gleiches gilt für Macintosh-Nutzer.

Je komplexer man die Seiten aufbaut, desto problematischer wird es, dem Anspruch an die fehlerfreie Unterstützung von verschiedenen Browsern zu genügen. Pixelgenaue Designvorgaben bedeuten zwangsläufig das Verabschieden von sauberem HTML-Code - und von der Grundidee des World Wide Web. Das kaum als ”mediengerecht“ zu bezeichnende Ergebnis sind komplexe Tabellen-Strukturen, frustrierte HTML-Entwickler und als Folge die Beschränkung auf wenige Zielbrowser. Je tiefer man HTML-Tabellen verschachtelt, desto größer werden die Probleme und umso langsamer wird der Browser die Seite aufbauen. Die kritische Masse ist bei drei ineinander verschachtelten Tabellen erreicht. Insbesondere bei Netscape 4.x ist das Ergebnis ab der nächsten Verschachtelungsebene nicht mehr vorhersehbar.

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