Wettstreit autonomer Autos

Im ersten Anlauf scheiterten alle Teilnehmer. Der Veranstalter DARPA sieht das Rennen dennoch als Erfolg.

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Von
  • Erich Bonnert

Ein historisches Rennen hat ein unrühmliches Ende gefunden - sagen jedenfalls viele Beobachter. Der „Grand Challenge“, die Wettfahrt autonomer Fahrzeuge über gut 200 Kilometer quer durch die kalifornische Wüste, war schneller als geplant vorbei. Der beste Wettbewerber scheiterte nach knapp zwölf Kilometern an der unwegsamen Strecke. Die meisten der 15 Teilnehmer fielen schon kurz nach dem Start oder nach wenigen hundert Metern aus.

Der Veranstalter, die US-Militärforschungsbehörde DARPA, hatte allerdings schon vor dem Startschuss alle Beteiligten zu Siegern erklärt. Die Ingenieure würden mithelfen, die Schlachtfelder der Zukunft zu verändern und Menschenleben zu retten, sagte Oberst José Negron, einer der Initiatoren des Rennens. Der Wettbewerb diente dazu, sowohl Konzepte als auch fertige Technologien für ein unbemanntes Transport- und Gefechtsfahrzeug zu finden.

Der Einsatz autonomer Vehikel ist ein erklärtes Ziel des Pentagon. Bis 2015, so das Mandat des US-Gesetzgebers, müssen ein Drittel aller Militärfahrzeuge unbemannt einsetzbar sein. Die ausgesetzte Prämie von einer Million US-Dollar hätte DARPA-Direktor Anthony Tether also sicher liebend gern einem Sieger übergeben. Doch das Rennen, um sechs Uhr morgens gestartet, um den mit Fotosensoren sehenden Robotern genügend Tageslicht zum Erreichen des Ziels zu bieten, war schon um elf Uhr offiziell beendet. Zu diesem Zeitpunkt hatte kein Fahrzeug mehr eine Chance, sich selbstständig vorwärts zu bewegen.

Am mangelnden Einsatz der 15 Teams hat es sicher nicht gelegen, ebenso wenig fehlte es an Rechenpower. Alle Roboter arbeiten nach einem ähnlichen Prinzip: Mit Fotosensoren und Videokameras inspiziert das Gefährt seine Umgebung. Laserscanner und Radargeräte liefern die Daten für Entfernung und Geschwindigkeit. Die Richtungsvorgaben erfolgen anhand von GPS-Koordinaten. Dies alles erfordert in der Regel mehrere CPUs und Speicher sowie eine zentrale Kontrolle.

Die Wettbewerber hatten sich auf Konstruktionen aus Standardbausteinen verlassen. Diese waren jedoch, genau wie die Programmierung, von ganz unterschiedlicher Ausprägung: Zirka drei Millionen US-Dollar und jahrelangen Aufwand investierte beispielsweise die Carnegie-Mellon-Universität in die Entwicklung des „Sandstorm“. Der Hummer-Geländewagen wird von einem Computer-Cluster gesteuert. Ein 4-Wege-Itanium-System wird dabei von vier Xeon-CPUs unterstützt. Bildverarbeitung, Berechnung der Karten, Routenplanung und Fahrzeugsteuerung laufen jeweils auf eigenen Modulen und werden von parallel auf dem Itanium laufenden Prozessen koordiniert. Trotzdem kam das von über 100 Leuten betreute Gefährt nach zirka zwölf Kilometern vom Kurs ab. Ein Vorderrad wurde zwischen Felsen eingekeilt und drehte sich so lange weiter, bis der Reifen Feuer fing - der Geländewagen musste per Notfernbedienung abgestellt werden.

Das Hobby-Team Digital Auto Drive - im Kern die Gebrüder Bruce und David Hall aus Morgan Hill in Kalifornien - hatte einen Toyota Tundra-Pickup gewählt. Intensiv haben sich die beiden um die Bildverarbeitung gekümmert, die ganz auf zwei DSP-Chips von Texas Instruments zugeschnitten ist. Die Signalprozessoren verarbeiten über 30 Milliarden Bildpixel pro Sekunde, die von zwei Fernsehkameras kommen. Der Roboter soll so fast 300 Meter weit voraussehen können. Aus den aufgenommenen Daten wird jede Sekunde 60-mal eine dreidimensionale Karte der vorausliegenden Strecke berechnet. Aus über 100 möglichen Routen wählt DAD dann in Echtzeit die beste aus. Für andere Funktionen wie GPS-Verarbeitung und Fahrzeugsteuerung sind sechs weitere Pentium-4-Rechner eingebaut. „Autofahren ist kein kreativer Prozess,“ sagte Dave Hall vor dem Rennen. „Es besteht aus erlernten Abläufen und das können wir programmieren.“ Als einziges Fahrzeug hatte der DAD-Toyota in den vorhergehenden Tests drei komplette Läufe absolviert und dabei jedes Mal seine Zeit verbessert. Auch im Wüstenterrain war das Auto flott unterwegs, geriet aber nach etwa zehn Kilometern in lockeres Geröll und blieb mit den Rädern stecken. DAD rechnete unentwegt weiter, fand jedoch keinen Ausweg mehr. „Ein Fahrer hätte einfach ein bisschen mehr Gas gegeben,“ räumte Hall etwas betrübt ein.

Mehrere Roboter kamen kaum über die kurze Distanz der Startzone hinaus. Der Honda Acura-Geländewagen des einzigen High-School-Teams rammte nach wenigen Metern die seitliche Betonbegrenzung. Der hochfavorisierte Militärlaster Terramax der Firma Oshkosh hatte zwar keine Probleme am Start, blieb jedoch nach rund zwei Kilometern aus unerfindlichen Gründen stehen und setzte zurück. Er hatte wohl ein Hindernis erkannt, wo keines war.

Etwas peinlich geriet der Kürlauf des einzigen Motorrads - der Ghostrider des Berkeley-Absolventen Anthony Levandowski, der mit seinem autonomen Zweirad im Training zum Medien- und Publikumsliebling avanciert war. Wieder und wieder wurde er gefragt, warum er sich denn mehr Schwierigkeiten aufgehalst habe als unbedingt nötig. Unzählige Male erläuterte er staunenden Reportern und Zuschauern dann mit ungebrochenem Enthusiasmus, dass ein Zweirad jedem vierrädrigen Roboter in der Wüste überlegen sei. Dies alles werde sich in vielleicht fünf bis zehn Jahren bewahrheiten, glaubt Levandowski. Für dieses Rennen allerdings werde er froh sein, wenn sein Ghostrider die ersten 15 Meter schafft - doch das Dexterit-Motorrad fiel nach dem Startschuss praktisch mit der ersten Bewegung um. Trotzdem will der gebürtige Belgier, falls die Grand Challenge wiederholt wird, auch beim nächsten Mal dabei sein.

Dass sämtliche Teilnehmer innerhalb kurzer Zeit auf der Strecke blieben, konnte den Eindruck erwecken, der ganze Wettbewerb sei eher einer Bierlaune als nüchternem Kalkül entsprungen. Oberst Negron stellte jedoch klar, dass sich die in den Grand Challenge investierten 13 Millionen Dollar bereits durch die Beteiligung der Teams gelohnt hätten. „Für so viele Ideen und Ansätze in so kurzer Zeit hätten wir gar nicht die Ressourcen gehabt.“ Das Beste aber sei, dass man beim nächsten Grand Challenge mit noch mehr Bewerbern rechnen könne. Der soll voraussichtlich 2006 stattfinden. (wst) (wst)