Amt im Netz

E-Government füllte auf der CeBIT eine ganze Halle. Bund, Länder und Kommunen zeigten stolz, was sie im Internet an Diensten anbieten. So mancher Besucher dürfte sich gewundert haben, was ihm bisher entgangen ist. Doch leider eignen sich viele Projekte mehr zur Präsentation als zur Nutzung. In der Praxis sind es Kleinigkeiten wie eine fehlende Signaturkarte, wegen der man doch aufs Amt gehen muss. Ist E-Government nur ein kostenträchtiges Prestige-Projekt?

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Lesezeit: 23 Min.
Von
  • Jörg Birkelbach
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Die öffentliche Verwaltung muss modernisiert werden, da sind sich ausnahmsweise alle einig. Das soll Kosten senken und Bürgern wie Wirtschaft den Kontakt zu Behörden erleichtern. Das Zauberwort heißt E-Government: Vorgänge werden durch die Vernetzung aller Beteiligten vereinfacht, das macht die Verwaltung effizienter, schlanker und spart somit Geld. Den Bürger freuts, wenn er nicht mehrmals Schlange stehen muss, um sein Auto anzumelden oder seinen Pass zu verlängern. Firmen können Anträge oder Angebote online einreichen, die dann gleich auf Vollständigkeit geprüft werden, um eine reibungslose und zügige Bearbeitung zu garantieren.

Es gibt verschieden Kategorien von E-Government. Die erste spielt sich zwischen Behörden und Bürgern ab (Government-to-Citizen, G2C), die zweite zwischen Behörden und der Wirtschaft (Government-to-Business, G2B). Die dritte, Government-to-Government (G2G), ist quasi das Fundament: Nur wenn die Behörden untereinander reibungslos zusammenarbeiten, können sie ihren „Kunden“ zeitgemäße Leistung bieten. Und die fordern sowohl Bürger als auch Unternehmen von der Verwaltung. In Zeiten, wo E-Mail Fax und Brief verdrängt, wir online einkaufen und unsere Konten daheim verwalten, ist behäbiges Stempelschwingen während eingeschränkter Öffnungszeiten nicht mehr akzeptabel. Die Kommunikationsgesellschaft sucht ihre Ämter im Internet, nicht am anderen Ende der Stadt. E-Government ist ein wichtiger Standortfaktor.

Mit einer Website, so informativ sie auch sein mag, ist es nicht getan. Es reicht nicht, wenn man Öffnungszeiten nachlesen und Formulare herunterladen kann. E-Government bedeutet interaktive Dienste, Zugriff auf Datenbanken wie das Melderegister, Online-Anträge und sogar den Video-Chat mit dem Sachbearbeiter.

Vieles davon ist Zukunftsmusik; in der Praxis hapert es oft noch an der Basis, beim G2G: Jeder Sachbearbeiter braucht einen PC, und zwar nicht als Ersatz für die Schreibmaschine, sondern als vernetztes Terminal mit Zugriff auf alle Daten seines Fachbereichs. Die BS2000-Mainframes in den Kellern müssen sich über sichere Schnittstellen den Behördennetzen und dem Internet öffnen und ihre Daten in einheitlichem, für andere nutzbarem Format verfügbar machen.

Das alles kostet viel Geld, doch die Kassen sind leer und lassen sich mit geschätzten Einsparpotenzialen nicht füllen. Die Bundesländer haben ihre Ausgaben im IT-Sektor gerade um durchschnittlich etwa zehn Prozent zurückgefahren.

Das Rezept, nach dem E-Government dennoch erschwinglich werden soll, klingt einfach: Man entwickelt einmal Standardbausteine, die dann viele Behörden von Bund, Ländern und Kommunen nutzen können. Damit hat Deutschland schon einiges erreicht. Immerhin lag es 2003 in der E-Government-Benchmark-Studie der Vereinten Nationen auf Platz 9 der 191 Mitglieder [1|#literatur].

Das von der Bundesregierung geförderten Leitprojekt MEDIA@Komm wurde 1998 als Städtewettbewerb gestartet und lief 2003 aus. Mehr als 300 praktische E-Government-Lösungen zum Aufbau virtueller Rathäuser und Marktplätze wurden dabei in verschiedenen Modellregionen umgesetzt. Im Rahmen einer Begleitstudie ließ das Wirtschaftsministerium die Fortschritte dokumentieren, auswerten und aufbereiten. Die Wissenssammlung „Erfolgsmodell Kommunales E-Government“ [2|#literatur] macht die Ergebnisse öffentlich zugänglich.

MEDIA@Komm hat gezeigt, dass kommunales E-Government ein Erfolgsmodell sein kann, von dem Bürger, Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen profitieren. Leider waren die Erfolge aber nur punktuell. So legte Bremen früh los und hat heute ein umfangreiches Portfolio an Online-Dienstleistungen sowie eine Lösung für die elektronische Signatur. Das brachte der Stadt zwar internationale Auszeichnungen wie den „E-Government-Award“ der EU ein, zeigt aber auch, wie weit andere Kommunen hinterherhinken.

Der Bund startete im Expo-Jahr seine Initiative BundOnline 2005 mit dem Ziel, bis Ende nächsten Jahres alle 451 Internet-fähigen Dienstleistungen seiner Verwaltung online verfügbar zu machen. Über hundert Einzelbehörden und Behördenbereiche sind an diesem Projekt beteiligt, das als größtes in Europa gilt. Zentraler Zugang ist das Portal www.bund.de, das derzeit rund 300 000 Zugriffe im Monat verzeichnet.

Der Fortschrittsanzeiger von BundOnline 2005: Bislang sind 259 der geplanten 451 Dienste gestartet. Bis Ende 2005 müssen sich die Behörden noch kräftig anstrengen.

Mit Basiskomponenten liefert die Initiative allen Bundesbehörden eine einheitliche Grundlage, um Online-Dienstleistungen aufzubauen. Dazu zählen ein Formular-Center, in dem über 500 Formulare diverser Behörden online zur Verfügung stehen, und eine Zahlungsverkehrsplattform, die Zahlungen per Lastschrift, Überweisung sowie Kreditkarte erlaubt. Derzeit nutzen sie drei Behörden, insgesamt sollen 30 weitere Dienstleistungen darüber abgerechnet werden. Ein Content-Management-System soll die einheitliche Gestaltung der Angebote unterstützen; bis Ende 2004 wollen es 27 Behörden nutzen. Geplant ist außerdem eine virtuelle Poststelle zur sicheren Kommunikation.

Der 183 Seiten starke Leitfaden SAGA 2.0 (Standards und Architekturen für E-Government-Anwendungen) beschreibt die Referenzinfrastruktur und -architektur für E-Government-Angebote [3|#literatur]. Einheitliche Formate sollen den reibungslosen Datenaustausch zwischen verschiedenen Kommunikationspartnern und Anwendungen sicherstellen. Der Leitfaden geht auf nahezu alle Techniken und Standards rund ums Internet ein und bewertet sie. So wird Java 2 als „obligatorisch“, PHP als „empfohlen“ und Microsoft .NET als „unter Beobachtung“ eingestuft. SAGA geht auch auf die Sicherheit ein. So sollen Behörden aktive Inhalte wie Java-Applets nur dann einsetzen, wenn diese „signiert und qualitätsgesichert“ sind. Die Standards sollen sowohl für die Kommunikation mit Bürgern und Unternehmen als auch verwaltungsintern gelten.

Die Bilanz von BundOnline kann sich sehen lassen: Immerhin rund 260 Dienstleistungen bietet die Bundesverwaltung bereits im Internet an, 113 sollen bis Ende 2004 hinzukommen. Das geschätzte Einsparpotenzial durch allgemeine Antragsverfahren, die online angeboten und genutzt werden, liegt bei 116 Millionen Euro für 2004 (es fehlen also nur noch 50 Millionen, um die Online-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit zu finanzieren).

Allerdings richten sich die Aktivitäten des Bundes naturgemäß mehr an die Wirtschaft als an den Bürger. Zu den großen Projekten gehören die Ausschreibungsplattform „e-Vergabe“ des Beschaffungsamts [4|#literatur], das Außenwirtschaftsportal iXPOS als Gemeinschaftsprojekt von Bund, Ländern, Verbänden und Kammern, aber auch die Online-Zollauktion der Bundeszollverwaltung.

2003 erkannte man, dass es immer noch zu viele unkoordinierte E-Government-Strategien gibt. Um die Initiative von BundOnline mit denen der Bundesländer und Kommunen zu verzahnen, wurde im Juni vergangenen Jahres Deutschland-Online ins Leben gerufen. Künftig können alle Verwaltungsebenen die im Rahmen von BundOnline entwickelten Basisdienste nutzen. Auch hier soll Zusammenarbeit Doppelentwicklungen vermeiden und Kosten sparen.

Mitte Dezember 2003 einigten sich die Regierungschefs auf zwanzig gemeinsame Internet-Vorhaben. Dazu gehören Online-Verfahren von der Kfz-Anmeldung über das Meldewesen bis zu Gewerberegistern. Bund, Länder und Kommunen wollen ihre Portale vernetzen und eine einheitliche Infrastruktur sowie Standards entwickeln. Für den Nutzer soll es keinen Unterschied mehr machen, wer ihm eine Dienstleistung im Internet anbietet. Einmal erfasste Daten muss er nicht erneut eingeben, sofern der Datenschutz die automatische Übertragung zulässt.

In der Praxis sieht vieles freilich noch ganz anders aus: Der Wildwuchs miteinander konkurrierender Projekte auf kommunaler Ebene und zwischen den verschiedenen Bundesländern und dem Bund droht die Idee der zentralen Initiative ins Gegenteil zu verkehren. So entstehen mit Steuergeldern Plattformen, die hinterher niemand nutzt, weil sie am Bedarf der Bürger oder Firmen vorbeigehen. Nicht selten dienen sie nur zur politischen Profilierung. Der ehemalige IBM-Chef Erwin Staudt warnte vor einer „Kleinstaaterei“ der vielen unterschiedlichen Systeme und Anwendungen in Bund, Ländern und Kommunen, die es zu stoppen gelte.

Doch das ist nicht so einfach, schließlich garantiert die Verfassung den Kommunen ihre Selbstverwaltung. Gemeinden und Städte handeln bei der Umsetzung von E-Government-Initiativen eigenverantwortlich; der Bund kann bezüglich der Umsetzung keine Vorgaben machen, sondern nur Empfehlungen formulieren. Die erreichen aber oftmals nicht ihr Ziel, wie eine unter Federführung der Bertelsmann-Stiftung erstellte Studie belegt: Die beiden führenden Projekte „BundOnline 2005“ und „MEDIA@Komm“ sind demnach zwar der Mehrzahl kommunaler Führungskräfte bekannt, diese fühlen sich davon aber zu wenig angesprochen. Der Transfer des aufwendig in Modellprojekten erarbeiteten Wissens gerät ins Stocken, so eine der Kernaussagen der Studie.

Die technische Vereinheitlichung des E-Government scheitert häufig an den Zielvorstellungen der jeweiligen Initiatoren. In Bremen steht die rechtssichere Online-Transaktion zwischen Bürger und Verwaltung ohne Medienbruch im Vordergrund. Hamburg will hingegen den Behördengang nicht überflüssig machen, sondern verkürzen und vereinfachen. Wer nach Hamburg zieht, soll nur 15 Minuten in einem Kundenzentrum verbringen, um sich sowie sein Auto umzumelden, und kann die geänderten Papiere gleich mitnehmen. Eine Sachbearbeiterin hat Zugang zu allen notwendigen Daten und kann alle Änderungen online durchführen. Dieses Konzept will Hamburg in die umliegenden Regionen tragen, den Speckgürtel oder, vornehmer, die Metropolregion Hamburg. Das ist bemerkenswert, da dabei Grenzen zu Niedersachsen und Schleswig-Holstein überschritten werden.

E-Government ist kein Privileg der Großstädte. So können etwa in der kleinen Gemeinde Wannweil in Sachsen die Einwohner ihre Personalausweise und Lohnsteuerkarten übers Internet beantragen. Die Änderung der Lohnsteuerkarte, die Steueranmeldung des Hundes, das Beantragen eines polizeilichen Führungszeugnisses oder der Antrag auf Wohngeld gehören zu den typischen Behördengängen, die oftmals viel Zeit kosten, obwohl nur wenige Daten erfasst werden. Hier reicht der Besuch im Internet, während man bei der oft zitierten Kfz-Anmeldung Schilder anfertigen und mit Plaketten versehen lassen muss.

Anderswo konzentriert man sich aus Kostengründen weniger auf den Bürger, sondern mehr auf die Wirtschaft. So propagiert Dr. Rudolf Büllesbach aus der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz „branchengetriebenes“ E-Government, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Unternehmen. Die Umsetzung dürfe nicht von zehn Prozent mehr oder weniger im IT-Etat abhängen. Ziel sei es, die Prozessketten der Unternehmen mit denen der Verwaltung zu verknüpfen. Geänderte Grenzwerte für Abwässer etwa könnten so unmittelbar auf Produktionsprozesse in der Chemieindustrie wirken. Die Verwaltung hält mit dieser engen Verzahnung die Unternehmen am Standort und diese sparen Geld. So fällt es beiden Seiten leicht, auch etwas zu investieren, meint Büllesbach.

Auch die Kommunen erkennen immer häufiger das wirtschaftliche Potenzial von E-Government. Die Öffnung vorhandener Datenbestände zum Internet hin ermöglicht es, neue Dienste kostenpflichtig anzubieten. Versandhäuser können online Bestelldaten gegen das Melderegister abgleichen oder Architekten rufen Geo-Informationen wie Katasterkarten hinterlegt mit Luftbildern ab.

Geradezu selbstlos mutet da ein anderes Vorzeigeprojekt an, das in mehrerlei Hinsicht richtungweisenden Charakter hat: Der eService der Deutschen Rentenversicherung. Hier können Versicherte ihre Rentenauskunft oder Beitragsrechnung anfordern, Termine in den Beratungsstellen vereinbaren oder ihre Adressdaten und Bankverbindung ändern. Voraussetzung, um den eService nutzen zu können, ist eine Signaturkarte und ein Kartenlesegerät. Die Rentenversicherung unterstützt diverse Karten wie die S-Card der Sparkassen oder die Signtrust Signaturkarte der Deutschen Post. Durch die obligatorische Signatur können prinzipiell alle Verfahren online abgewickelt werden.

Die Nutzung beginnt mit dem Download eines Java-Applets, das den Kartenleser ansteuert. Es identifiziert den Versicherten über seine Signaturkarte und gewährt Zugriff auf seine Daten. Über einen speziellen Briefkasten kann er signierte Nachrichten mit dem zuständigen Sachbearbeiter austauschen, die den unterschriebenen Brief ersetzen. Zusätzlich sind auch Chats und sogar Videokonferenzen mit Sachbearbeitern möglich.

Als neues Angebot führt die Rentenversicherung den eService/Antrag ein. Wer sich bereits mit dem Formularwust herumgeschlagen hat, um sich seine Schul- und Studienzeit anrechnen zu lassen, ahnt die Komplexität des Rentengesetzes. Bei einem solchen Vorgang gehen häufig mehrere Schreiben hin und her, bis alles geklärt ist. Das lässt sich online stark vereinfachen.

Für eService/Antrag wurden aber nicht wie üblich einfach die Formulare online gestellt, sondern ein mediengerechter Workflow entwickelt: Der Antragsteller beantwortet pro Webseite eine Frage, kann sich dazu eine ausführliche Hilfe einblenden und wird in Abhängigkeit seiner Antwort zur nächsten Frage weitergeleitet. Irrelevante Folgefragen tauchen nicht auf. Anschließend wird eine Übersicht der Antworten dargestellt und nach Prüfung und eventuellen Korrekturen schickt man den Antrag signiert ab. In den meisten Fällen müssen Belege nachgereicht werden. eService/Antrag zeigt diese in einer Liste an und generiert dazu ein Anschreiben mit Adresse und Bearbeitungsnummer, das man nur noch ausdrucken muss.

Ein Knackpunkt beim E-Government ist die elektronische Signatur. Leider ist es für den Bürger schwierig und teuer, ein Zertifikat für qualifizierte Signaturen zu bekommen, die vom Gesetz her der Unterschrift nahezu gleichgestellt sind. So genannte fortgeschrittene Signaturen, die einfacher und preiswerter zu bekommen sind, reichen nicht für eine rechtlich bindende Unterschrift unter einen Antrag.

Allerdings gibt es noch eine Zwischenstufe: S-Trust, ein Unternehmen des Deutschen Sparkassenverlags, gibt an Sparkassenkunden Personenzertifikate für fortgeschrittene Signaturen aus, die aber laut Steuerdaten-Übermittlungsverordnung „eingeschränkt qualifiziert“ sind. Es handelt sich hier um eine Sonderregelung für die elektronische Steuererklärung ELSTER, eines der bekanntesten E-Government-Projekte. Der eService der Rentenversicherung akzeptiert die S-Trust Signaturkarte ebenfalls.

Die Signaturkarte kostet einmalig 40 Euro; das Zertifikat gilt vier Jahre. Einfach zu bekommen ist sie aber nicht, längst nicht jede Sparkasse bietet sie ihren Kunden an. Wir fragten bei der Sparkasse Kiel an, die S-Trust als Bezugsquelle angibt. Die Kundenberaterin erklärte aber, dass die Sparkasse Kiel die Signaturkarte derzeit noch nicht anbiete. Man könne damit nur seine Steuererklärung einreichen und einen Rentenbescheid abrufen, das genüge noch nicht. Man warte mit der Einführung, bis es weitere Angebote gibt. S-Trust will im vierten Quartal 2004 Zertifikate für die echte qualifizierte Signatur anbieten. Außerdem sollen neu ausgegebene S-Cards ab Sommer mit einem Chip ausgerüstet werden, der einen Zertifikatspeicher und eine Signaturfunktion enthält.

Auch bei anderen Trustcentern muss man zumindest lange nachbohren, um Informationen über Personenzertifikate zu bekommen. Offenbar ist das Geschäft mit einzelnen Endkunden zu mühsam. Rühmliche Ausnahme ist Signtrust von der Deutschen Post. Die Signtrust Card kann man auf der Website online bestellen [5|#literatur], muss sich dann im Post-Ident-Verfahren in einer Filiale ausweisen und erhält ein Zertifikat für eine qualifizierte Signatur. Das kostet 45 Euro jährlich. Zusätzlich benötigt man einen Kartenleser für etwa 20 Euro.

Die Einwohner von Bremerhaven, Passau und Ulm können signierte Anträge am heimischen Computer einreichen. Dazu wurde eigens für dieses Projekt eine digitale Bürgerkarte entwickelt. Die von der Bundesdruckerei herausgegebene Karte vereint die Funktion einer Signaturkarte und einer digitalen Meldebescheinigung: Sie enthält neben dem Zertifikat auch den Datensatz, mit dem der jeweilige Bürger bei seiner Meldestelle registriert ist.

Im April 2003 haben sich Staat und Wirtschaft in einem Signaturbündnis zusammengeschlossen, um die stärkere Verbreitung von Signatur-Chipkarten zu fördern und durch Standards sicherzustellen, dass alle Karten und Dienste zusammenarbeiten. Dem Bündnis liegt der Gedanke zugrunde, dass vom verstärkten Einsatz elektronischer Signaturen Staat wie Wirtschaft gleichermaßen profitieren. Denn elektronische Signaturen werden sowohl für sichere und rechtsverbindliche E-Commerce- als auch für E-Government-Anwendungen benötigt. Allerdings hat das Bündnis nicht viel bewirkt, immer noch besitzt kaum ein Bürger eine Signaturkarte, weshalb Angebote wie das der Rentenversicherung nur wenig genutzt werden.

Innenminister Otto Schily hat zur CeBIT angekündigt, dass die nächste Generation des Personalausweises einen Chip enthalten wird. Als mögliche Anwendung nannte er die Bürgerkarte mit Signaturfunktion. Woher aber die Zertifikate dafür kommen sollen, ist noch offen. Die Einführung des neuen Personalausweises hängt davon ab, wann sich die EU-Mitglieder über die Einführung von Biometrie in Pässen einigen.

Die qualifizierte Signatur sorgt auch hinter den Kulissen für Probleme. Dort toben Glaubenskämpfe zwischen Anhängern einer höchstmöglichen und Verfechtern einer angemessen hohen Sicherheit bei digitalen Signaturen. Dabei geht es darum, ob die Sicherheit von Software, mit der signierte Dokumente verarbeitet werden, geprüft werden muss. Jüngster Fall ist die e-Vergabe von BundOnline 2005. Während der Bund auf eine Evaluierung der Anzeigekomponente innerhalb des Projekts verzichtet, ließ die bayerische Hochbauverwaltung die Anzeigekomponente für ihr eigenes Online-Vergabeverfahren prüfen, was rund 180 000 Euro kostete.

Für kommende Projekte musste geklärt werden, ob die teure Prüfung notwendig ist oder nicht, andernfalls können Hersteller keine Angebote kalkulieren. Bislang hatte die zuständige Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation auf ihrem Musterformular für Herstellererklärung gefordert, eine „eindeutige Referenzierung auf das Ergebnis einer durchgeführten ITSEC- oder CC-Evaluierung durch eine Prüfstelle anzugeben“. Jetzt verlangt sie keine Evaluierung für Komponenten mehr, die keine akkreditierten Signaturen bedienen. Sie spricht hierfür nur noch eine Empfehlung aus.

Das entspricht dem geltenden Signaturgesetz: Bei der qualifizierten Signatur haften akkreditierte Trustcenter für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Zertifikat zum Ausstellungszeitpunkt. Sie dürfen nur geprüfte und evaluierte Produkte einsetzen und müssen Anwender über geprüfte Produkte unterrichten. Hersteller von Signaturkomponenten sind hingegen keinen Verpflichtungen unterworfen.

Der Bund nutzt ein Signatur-Plug-in für Adobe Acrobat. Die mit Adobe 6.x erzeugten Signaturen sind lediglich fortgeschritten und nicht qualifiziert, würden eine Prüfung also nicht bestehen. Zu der ist der Bund aber eben nicht verpflichtet. Damit geben sich nicht alle zufrieden: Der Branchenverband Bitkom fordert von der Vergabe-Plattform absolute Sicherheit, um die Vertraulichkeit von Angeboten auf öffentliche Ausschreibungen zu wahren.

Viele E-Government-Macher klagen darüber, dass ihre Ideen bei den Beamten und Angestellten der betroffenen Behörden nicht gut ankommen. Kein Wunder: Bürokratie abbauen und die Verwaltung optimieren bedeutet in deren Ohren die Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes. Die Einarbeitung in neue Prozesse parallel zur fachlichen Tätigkeit führt zwangsläufig zu Stress.

Bisher kam ein Schreiben an, wurde in der Poststelle geöffnet, verzeichnet und gestempelt, hausintern verteilt und einem neuen oder laufenden Vorgang zugeordnet, also abgeheftet. Nun kommt eine E-Mail an, landet beim falschen Sachbearbeiter und muss weitergeleitet werden. Oder der Empfänger ist in Urlaub und sein Vertreter hat keinen Zugang zu dessen Mailbox. Dafür existieren in vielen Behörden noch keine Strukturen, stattdessen wird die Mail häufig ausgedruckt, mit einem Eingangsstempel versehen und in die Hauspost gegeben.

Der zunehmende Austausch sicherheitskritischer Informationen zwischen den Behörden erfordert leistungsfähige, den hohen Bandbreiten angepasste Verschlüsselungssysteme. Dabei sollen alle Leistungsmerkmale und Dienste des Netzes ohne Einschränkung weiterhin zur Verfügung stehen. Speziell für den Einsatz im ISDN hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das Kryptosystem ElcroDat 6-2 konzipiert.

SINA (Sichere Inter-Netzwerk Architektur) ist eine vom BSI entwickelte Architektur zur Verarbeitung von hoch schützenswerten Informationen in Netzen. Sie nutzt VPNs (Virtual Private Networks) und Thin-Clients an zentralen, gut gesicherten Servern. Mit modularen Komponenten lassen sich unterschiedliche Anwendungsszenarien absichern, etwa der Einsatz von mobilen Endgeräten. Im Rahmen des Projekts SPHINX wurde für Bund, Länder und Kommunen eine Public Key Infrastructure (PKI) aufgebaut, die den Austausch verschlüsselter E-Mails erleichtert. Zur IT-Sicherheit gehört auch die Vermeidung von Software-Monokulturen, die einseitige Abhängigkeiten schaffen würden. Aus diesem Grund unterstützt die Bundesregierung den Einsatz von Open-Source-Software in der Verwaltung.

Zur Unterstützung der Initiative BundOnline 2005 hat das BSI ein E-Government-Handbuch entwickelt und im Internet veröffentlicht, das ständige Aktualisierung erfährt [6|#literatur]. Es enthält umfassende Informationen zur Umsetzung von BundOnline 2005, gibt Antworten auf häufige Fragen und liefert praktische Lösungsansätze zu konkreten Problemstellungen.

Als verbindlichen Standard für Transaktionen der öffentlichen Verwaltung hat die Innenministerkonferenz das OSCI-Protokoll (Online Services Computer Interface) festgelegt. Er beschreibt Datenstrukturen auf Basis von XML und SOAP für Fachverfahren in der Verwaltung. Ab April soll es eine kostenlose OSCI-Bibliothek in einer Java- und einer .NET-Version geben [7|#literatur]. Sie soll die kostengünstige Entwicklung von E-Government-Lösungen erleichtern.

OSCI wurde im Rahmen der Bremer Projekte entwickelt. Kritiker halten die Lösung für unausgereift und würden ISIS-MTT vorziehen, das auf international anerkannten Standards für elektronische Transaktionen aufbaut. MTT war für E-Mail-Verschlüsselung nach dem verbreiteten S/MIME-Standard gedacht. ISIS ist die Erweiterung um qualifizierte Signaturen. Diese Zusammenführung sollte für Interoperabilität mit vorhandener Software sorgen, die unter anderem auch die Nutzung von Open-SSL einschließt. Auf ISIS-MTT setzt auch die bayerische Vergabelösung auf.

Auf OSCI setzen die Verfahren XMeld für das Meldewesen in Bremen, XBau für das Bauwesen in Esslingen und XSozial für den Bereich Sozialwesen in Nürnberg auf. Damit alles seine Ordnung hat, schreibt das Deutsche Institut für Normung (DIN) die Schnittstellen als so genannte Public Available Specifications fest: PAS 1034 definiert den „XML-Datenaustausch im Kfz-Zulassungswesen (XKfz)“ und PAS 1035 den „XML-Datenaustausch von Gewerbemeldungen (XGewerbe)“. Die Datensätze sind modular und lassen sich nach Bedarf kombinieren.

E-Government hat schon eine Menge Projekte hervorgebracht, von denen jedoch viele nur verhalten genutzt werden. So haben sich bei der Rentenauskunft erst ein paar Hundert Kunden mit Signaturkarte angemeldet. In Bremen werden die Angebote nach Auskunft der Betreiber dagegen fleißig genutzt. Hier und in einigen anderen MEDIA@Komm-Städten hat man früh begonnen und mittlerweile ein stimmiges Gesamtkonzept erreicht.

Doch die Diskussion darf sich nicht auf Projekte beschränken, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden können. Die Qualität von E-Government liegt weniger im Internetauftritt einer Behörde oder Kommune als vielmehr in deren internem Umbau. Dieser muss nicht nur auf technischer Ebene gelingen, sondern auch in den Köpfen der dort handelnden Personen. Erst wenn die Daten hinter den Kulissen reibungslos fließen, kann der Bürger draußen daraus Nutzen ziehen.

Die noch zu überwindenden Hürden sind hoch und die vorhandenen Budgets klein. Folglich ist Durchhaltevermögen gefragt; der eingeschlagene Weg ist in vielen Punkten richtig, aber das Ziel liegt noch in weiter Ferne. Die öffentlichen Entscheider sollten vielleicht öfter auf die Privatwirtschaft schauen. Die hat ihre Lernkurve im Bereich der Prozessoptimierung und Digitalisierung hinter sich. Es wäre klug, aus den Fehlern anderer zu profitieren, um etwa Skandale wie die Kostenexplosion bei der virtuellen Jobbörse der Arbeitsagentur zu vermeiden. (ad)

[1] UN-Studie zu E-Government

[2] MEDIA@Komm-Auswertung

[3] Standards und Architekturen für E-Government-Anwendungen

[4] Christiane Schulzki-Haddouti, Bund kauft online, E-Beschaffung soll Milliarden sparen, c't 2/04, S. 32

[5] Signtrust Card

[6] E-Government-Handbuch

[7] Online Services Computer Interface (ad)