Silberpuzzle

Wenn die sicher auf DVD archiviert geglaubten Urlaubsbilder, Filme oder Geschäftsdaten sich nicht mehr lesen lassen, ist das kein Grund zur Panik. Mit ein paar Tricks und der richtigen Rettungssoftware hat man in vielen Fällen noch gute Chancen, verlorene Datenschätze zu heben.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Dr. Harald Bögeholz
  • Dr. Oliver Diedrich
Inhaltsverzeichnis

Es kann viele Gründe dafür geben, dass sich eine CD oder DVD nur noch teilweise oder gar nicht mehr lesen lässt. Die offensichtlichen sind mechanische Beschädigungen wie Kratzer oder Flecken. Doch Schäden können auch unsichtbar unter der Oberfläche lauern, beispielsweise in Form eingeschlossener Gasbläschen, die sich in der Hitze ausdehnen. Oder ein Aufkleber verzieht durch unterschiedliche thermische Ausdehnung eine DVD so stark, dass Lesefehler auftreten. Vielleicht lag das Problem auch schon beim Brennen, wo eine schlecht auf den Rohling abgestimmte Schreibstrategie bereits eine so hohe Fehlerrate erzeugte, dass die Fehlerkorrektur damit gerade noch so fertig wurde - nach ein paar Jahren Alterung aber nicht mehr.

Ganz gleich, warum ein Datenträger Lesefehler aufweist: Es empfiehlt sich, als Erstes ein komplettes Image davon anzulegen, also eine sektorweise Kopie aller Daten in einer Datei. Das gilt übrigens für alle Arten von Datenträgern, nicht nur für CDs und DVDs, denn wenn erst einmal eine Beschädigung vorhanden ist, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie sich im Laufe der Zeit ausweitet. Insbesondere wenn man vorhat, die Scheibe zu polieren, Aufkleber zu entfernen oder dergleichen, sollte man sicherheitshalber vorher erst einmal alle intakten Daten sicherstellen, um sie nicht durch einen misslungenen Rettungsversuch auch noch zu verlieren.

Die gängigen Programme, um ein Abbild einer CD oder DVD in eine Image-Datei zu schreiben, sind nicht besonders gut auf fehlerhafte Medien vorbereitet. Entweder sie brechen bei Lesefehlern ab oder sie halten sich an der erstbesten fehlerhaften Stelle ewig auf. Wir haben daher speziell zur Rettung beschädigter optischer Datenträger eine eigene Imaging-Software namens H2cdimage entwickelt (Download über den Soft-Link). Sie läuft unter Windows und greift über ASPI direkt auf das Laufwerk zu; Näheres zu Installation und Bedienung finden Sie in der mitgelieferten Dokumentation. Da das FAT-Dateisystem die Länge einer Datei auf 4 GByte begrenzt, ist für die Rettung einer (vollen) DVD auf die Festplatte dort ein NTFS-Dateisystem und somit Windows XP oder ein anderes NT-basiertes Windows erforderlich.

H2cdimage hat gegenüber einer einfachen Imaging-Funktion, wie man sie in Brenn- oder Kopiersoftware findet, zwei Besonderheiten: Es merkt sich in einer separaten Datei, welche Sektoren des Datenträgers es wiederherstellen konnte, sodass man es mehrmals aufrufen kann, um nachträglich gezielt die bisher nicht gelesenen Sektoren zu restaurieren. Zum Zweiten versucht es bei Lesefehlern nicht stur sequenziell weiterzulesen, sondern springt nach einiger Zeit an eine andere Stelle auf dem Medium, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viele intakte Daten zu retten, bevor es weiter an den fehlerhaften knabbert.

In der Praxis hat sich dabei der folgende Algorithmus bewährt: Wenn die Rate der erfolgreich gelesenen Sektoren eine Zeit lang sehr niedrig ist, springt H2cdimage in die Mitte des größten zusammenhängenden Bereichs noch nicht probierter Sektoren. Die Hoffnung ist, auf diese Weise einen fehlerfreien Bereich zu finden, der sich schnell einlesen lässt. Schaut man diesem Algorithmus bei der Arbeit zu, so sieht man, dass er relativ schnell große Teile der intakten Daten rekonstruiert und wie bei einer Intervallschachtelung in immer kleineren Häppchen um die Fehlerstellen herumliest.

H2cdimage lässt sich jederzeit durch Drücken von Strg+C abbrechen. So bleibt es der Geduld des Anwenders überlassen, ob er abwarten will, bis das Programm alle Sektoren des Mediums durchprobiert hat - das kann Stunden dauern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass H2cdimage nach etwa einer Stunde den Großteil der lesbaren Daten gefunden hat und weitere stundenlange Versuche nur noch wenige einzelne Sektoren zu Tage fördern. Schon seit längerem bewerten wir daher die Fehlerkorrektur von CD- und DVD-Laufwerken, indem wir sie nach genau diesem Algorithmus einen beschädigten Datenträger lesen lassen und angeben, wie viele Sektoren sie nach einer vorgegebenen Zeit geschafft haben.

Nach dem ersten Anlegen eines Image kann es nicht schaden, eine Arbeitskopie davon zu machen, genügend Plattenplatz vorausgesetzt. Zusätzlich zur Image-Datei (Erweiterung .iso) legt H2cdimage eine .h2i-Datei an, in der es sich merkt, welche Sektoren es lesen konnte; diese sollte man natürlich ebenfalls kopieren und allgemein sorgfältig darauf achten, welche .iso-Datei mit welcher .h2i-Datei und welchem Datenträger zusammengehört. Die .h2i-Datei enthält ein Byte für jeden Sektor des Datenträgers. Das Zeichen „_“ steht für einen nicht lesbaren Sektor, erfolgreich gelesene Sektoren sind mit Ziffern oder Sternchen markiert. H2cdimage schreibt in den intakten Bereichen die Sektornummern im Klartext in die Datei, sodass man sich mit einem Texteditor wie Wordpad darin orientieren kann.

Das A und O beim Einlesen beschädigter CDs oder DVDs sind die optischen Eigenschaften und Fehlerkorrekturqualitäten des Laufwerks. Manche Laufwerke kommen mit Kratzern gut zurecht, andere sind Spezialisten darin, schlecht gebrannte Medien zu entziffern, und wieder andere verstehen sich besonders gut auf beschädigte Audio-CDs. Es lohnt sich daher auf jeden Fall, möglichst alle greifbaren Laufwerke durchzuprobieren. Wenn man das Image übers Netz freigibt oder auf einer externen Festplatte speichert, kann man zur Ergänzung bequem mit dem Datenträger von Rechner zu Rechner gehen. Da H2cdimage bei jedem Lauf gezielt die noch fehlenden Sektoren zu lesen versucht, lässt sich bereits nach wenigen Minuten abschätzen, ob ein bestimmtes Laufwerk noch Neues zu dem Image beitragen kann und es sich zu warten lohnt. Wenn die zu rettenden Daten es wert sind, kommt es vielleicht in Betracht, speziell für Rettungszwecke ein Laufwerk mit guter Fehlerkorrektur anzuschaffen; siehe dazu den folgenden Artikel.

Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, eine Scheibe mit den genannten Mitteln auszulesen, sollte man daran gehen, sie zu putzen, zu polieren oder dergleichen, denn dabei besteht immer die Gefahr, neue Schäden zu verursachen. Tipps dazu im Kasten auf der folgenden Seite.

Wenn es gelingt, ein vollständiges Image des beschädigten Datenträgers zu rekonstruieren, ist es ein Leichtes, es auf einen neuen Rohling zu brennen. Im Allgemeinen stellt sich jedoch die Frage, wie man Dateien aus einem unvollständigen Image rettet. Wenn die Strukturen des Dateisystems intakt sind, kann man das Image beispielsweise mit den kostenlosen Daemon Tools oder Virtual CloneDrive von Elby in ein virtuelles DVD-Laufwerk einlegen und dann ganz normal mit dem Windows-Explorer auf die Dateien zugreifen (Linuxer mounten es über das loop-Device). Lesefehler treten dabei keine mehr auf, wohl aber verfälschte Daten. H2cdimage füllt in der Image-Datei die nicht gelesenen Sektoren mit dem Hexadezimalwert 0xb0, der beim Anschauen mit einem Diskeditor sofort ins Auge springt und in Textdateien als Grad-Zeichen erscheint (°).

Bei beschädigtem Dateisystem hilft vielleicht IsoBuster weiter. Ursprünglich zum Auslesen des ISO-9660-Dateisystems der CD-ROM gedacht, hat sich diese Software über die Jahre zu einem universellen Datenrettungswerkzeug für CDs und DVDs entwickelt. Viele Funktionen stehen kostenlos zur Verfügung; für manche, etwa die UDF-Unterstützung und das Retten verlorener Dateien an Hand von Signaturen, ist eine 26 US-Dollar teure Registrierung erforderlich.

IsoBuster arbeitet wahlweise direkt mit dem beschädigten Medium oder mit einer Image-Datei, wie sie H2cdimage erzeugt. Das Tool kann auch selbst Images anlegen, bietet allerdings weder die auf Lesefehler optimierte Einlesestrategie von H2cdimage noch die Möglichkeit, ein unvollständiges Image zu vervollständigen. Zum Ausgleich hat es andere Qualitäten wie das Auslesen von Raw-Daten, den Umgang mit Video-CDs (Mode 2, Sektorgröße 2336 Byte) sowie die korrekte Erkennung von Multisession-CDs - wertvolle Ergänzungen für den Werkzeugkasten des Datenretters.

http://ct.de/0516078

"Datenschätze retten"
Weitere Artikel zum Thema Datenrettung finden Sie in der c't 16/2005:
Tipps, Tricks und Tools S. 78
DVD-Laufwerke für die Datenrettung S. 84

(bo)