ProzessorgeflĂĽster

Bei Infineon hält das Wechselspiel aus Licht und Schatten an. AMD sorgt mit hochkarätigen Köpfen aus der alten IBM-Garde für eine Neuausrichtung auf dem Serverprozessormarkt, während bei Intel Grund besteht, um die Zukunft des Itanium zu bangen. Und Sun heizt mal wieder die Gerüchteküche um den Xeon-Killer Niagara an.

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Von
  • Oliver Lau
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Ein Großauftrag lässt ein Licht am Ende des Infineon-Tunnels aufflackern: Microsoft will die für Ende November angekündigte neue Spielkonsole Xbox 360 mit drei Chips des von Verlusten und internen Querelen arg gebeutelten Halbleiterherstellers ausstatten. Die Rede ist von einer externen Speicherkarte zum Sichern von Spielständen, einem Funkchip für das drahtlose Game-Pad und einem „Sicherheitschip“. Bei Letzterem handelt es sich vermutlich um ein TPM (Trusted Platform Module), das verhindern soll, dass Spieler auf einem Xbox-Mod Raubkopien zum Laufen bringen. Ob das Licht hell genug scheint, um die Abspaltung der Speichersparte (und damit Stellenabbau) zu verhindern, sorgt sogleich für Diskussionsstoff: Der Aufsichtsrat sagt ja, Vorstandschef Wolfgang Ziebart befürwortet die Zerschlagung hingegen weiter.

Wie eine rote Ampel wirken dagegen die Leuchtsignale hinter dem München-Perlacher Tunnel. Die Infineon-Führungsspitze liebäugelt ernsthaft damit, das dortige als veraltet geschmähte Chipwerk an den Erfurter Halbleiterhersteller X-Fab nicht nur zu verschenken, sondern den Erfurtern obendrein einen Risikoausgleich in unbekannter Höhe zu zahlen. Ende September soll die Entscheidung über den Deal fallen. Um die rund 800 Arbeitsplätze - in Gewerkschaftskreisen spricht man sogar von 1000 und kündigt prophylaktisch einen Streik an - ist es leider nicht sehr gut bestellt. Auf Dauer sei der Stellenerhalt nicht finanzierbar, munkeln Branchenkenner, und bei der „extrem kritischen Kostenstruktur“ des Münchner Werks das Risiko für die nur rund 1200 Mitarbeiter starke X-Fab AG viel zu hoch.

Während Infineon noch den Ausgang aus seiner finanziellen und personellen Misere sucht, lässt Sun Details über den vor über zwei Jahren als Xeon-Killer angepriesenen Niagara-Prozessor durchsickern. Die beiden schillerndsten Informationströpfchen: Der auf dem 64-bittigen UltraSPARC-IIi-Kern aufbauende Chip dürfte mit etwas mehr als einem Gigahertz Takt erscheinen, vielleicht auch in einer 1,2-GHz-Version. Und: Der Prozessor wird vermutlich UltraSPARC T1 heißen. Im Wesentlichen bleibt es jedoch bei den Ankündigungen von damals: Ein jeder der acht Cores beherbergt vier so genannte Chip-Threads, sodass es eine einzige Niagara-CPU auf 32 virtuelle Prozessoren bringt. Die vergleichbare Technik heißt bei Intel Hyper-Threading, Sun tauft sie Chip Multi-Threading (CMT). Niagaras mit sechs (und möglicherweise auch vier) Cores sind ebenfalls geplant. Die werden aber unter der Haube nicht anders aussehen als die Dice (Plural von Die) mit acht Kernen: Wenn Zulieferer Texas Instruments einen 1/2- oder 3/4-Niagara produziert, dann schaltet Sun dessen defekte Kerne einfach physikalisch ab.

Sun führt CMT übrigens unter dem Oberbegriff Throughput Computing, womit gemeint ist, dass ein einzelner Prozessor bei vielen gleichzeitig laufenden Threads besonders gut skaliert. Damit dürften Niagara-basierte Server ideal fürs Web-Serving sein. Einem Einsatz als Datenbankserver oder High-Performance-Computer steht unter anderem die Speicheranbindung entgegen, die beim UltraSPARC IIi auf nicht mehr zeitgemäße PC100/133-SDRAMs ausgelegt ist. Sun Fire T1000 (1U Bauhöhe) und T2000 (2U Bauhöhe) sollen die ersten Blade-Server heißen, die mit dem neuen Prozessor im Frühjahr 2006 ausgeliefert werden. Wenn die Gerüchteküche Recht behält, wird ein solcher Blade nur etwa 250 Watt aus dem Stromnetz ziehen; eine Vier-Sockel-Xeon-Maschine mit geringerer Leistungsfähigkeit braucht erheblich mehr.

Das nach der Einstellung des kleinen Niagara-Bruders Gemini (UltraSPARC IIi mit zwei Kernen) im FrĂĽhjahr 2004 entstandene Loch im Portfolio hat Sun ja mittlerweile mit AMD Opterons gestopft. Und die neuen Galaxy-Server (siehe S. 22, c't 20/05) mit bis zu sechzehn Opteron-Kernen dringen kĂĽnftig in Itanium-Server-Dimensionen vor, zumal sich die einzelnen Rechner per Infiniband zu hochperformanten Clustern zusammenschalten lassen.

Dem Itanium bläst die Abwärme der AMD-Kontrahenten also immer heftiger entgegen. Wenn jetzt auch noch der Servermarkt-Zweite Hewlett-Packard als Kunde wegbricht, sieht es wirklich sehr düster aus für den erst als PA-RISC-Ablösung und High-Performance-Computing-Plattform, später als Mainframe-Killer positionierten Itanium, von dem Server-Primus IBM bereits im Februar Abstand genommen hat. Vom Ausstiegsgerücht, das während des Intel Developer Forum kursierte [1], wollte Intel-Manager Pat Gelsinger aber nichts hören. Auch am Betriebssystem-Horizont ziehen dunkle Wolken für den Itanium auf (siehe S. 18, c't 20/05).

AMD mit Multicore-Serverprozessoren, Sun (bald) auch, nur Intel hat dem (noch) nichts entgegenzusetzen, dominiert dafür aber den Markt für Desktop-CPUs. Und von dem will AMD sowieso weg, weil sich gegen den Erzkonkurrenten kaum Boden gutmachen lässt. Da passt es ins Bild, dass kurz nach Rich Oehler nun schon der zweite IBM-Veteran und Topmanager des Serverspezialisten Newisys bei AMD einrückt: Phil Hester übernimmt ab sofort die Geschäfte von Cheftechniker Fred Weber, der maßgeblich an der Entwicklung des K6 beteiligt war und für die AMD64-Architektur verantwortlich zeichnete. Der Job sei jetzt erledigt, sagt Weber, und er wolle sich nun jungen Hightech-Firmen zuwenden. Während Oehler schon seit Ende März daran arbeitet, immer mehr Multicore-Prozessoren in die Rechnerlandschaften der Großunternehmen zu pflanzen, soll Hester nun seine 30 Jahre Erfahrung in der Computerindustrie einbringen, um AMDs Mikroprozessor-Visionen neu zu definieren - und umzusetzen.

[1] Andreas Stiller, Wachstum ist zurĂĽck, Intel Developer Forum Herbst 2005, c't 19/05, S. 18

[2] Jonathan Schwartz’ Blog, The difference between humans and white mice (ola)