Extremer Typ
Unter dem Codenamen Presler hat Intel den Nachfolger des Doppelkerns Pentium D entwickelt, der nun als erster 65-Nanometer-Prozessor in den Handel kommt.
Ursprünglich hätte wohl der Doppelkern-Nachfolger des Pentium M mit dem Codenamen Yonah als weltweit erster Großserien-Prozessor mit 65-Nanometer-Strukturen ins Rennen gehen sollen, doch nun hat ihn der Pentium Extreme Edition 955 überholt. Dessen Presler-Kern besteht aus zwei Hälften: Unter dem Wärme-Verteilblech (Integrated Heat Spreader, IHS) sitzen nämlich zwei 65-nm-Dice, die zu einem Dual-Core-Prozessor verschaltet sind. Mit nur wenigen Änderungen ist jede dieser Hälften auch einzeln arbeitsfähig und soll unter dem Codenamen Cedar Mill demnächst auch in Pentium-4- und Celeron-Modellen erscheinen. Im normalen Pentium D soll der Presler erwartungsgemäß ebenfalls Dienst tun, angeblich sind die Ausführungen 920, 930, 940 und 950 mit 2,8 bis 3,4 GHz Taktfrequenz geplant. Diese dürften im Unterschied zur Extrem-Ausführung mit FSB800-Schnittstelle laufen und ohne Hyper-Threading auskommen.
Die neuen Kerne sind nicht nur kompakter als ihre 90-nm-Vorgänger Prescott 2M (Pentium 4) und Smithfield (Pentium D), sondern gehen bei gleicher Taktfrequenz auch etwas sparsamer mit Strom um. Außerdem bringen sie neue Fähigkeiten wie die Virtualisierungstechnik Vanderpool (VT) mit. 64-Bit-Tauglichkeit (EM64T) und NX-Speicherschutz (XD für Execute Disable) waren bisher schon zu haben, ebenso wie 2 MByte L2-Cache. Diese Menge steht beim Presler nun jedem einzelnen Kern zur Verfügung, beim Smithfield war es noch die Hälfte.
Anders als die konkurrierenden Athlon-64- und Opteron-Doppelkerne muss Intels Presler weiter mit dem Manko des überlasteten Frontsidebus kämpfen: Während die AMD64-Typen jeweils separate Kanäle für die Kern-zu-Kern-Kommunikation, den Speicher-Zugriff und die Peripherie-Anbindung haben, gönnt Intel seinen Doppelkernen nur einen Frontsidebus, um alle Zugriffe außerhalb der Kerne abzuwickeln. Immerhin hat der Pentium Extreme Edition 955 mit seinem FSB1066 mehr Spielraum als sein FSB800-Vorgänger.
Wie üblich serviert Intel den neuen Prozessor gemeinsam mit einem neuen Chipsatz: Der i975X hat die meisten Eigenschaften seines Vorgängers i955X, kann darüber hinaus aber sein PCIe-x16-Interface auf zwei Grafikkarten-taugliche PEG-Slots mit dann jeweils 8 Lanes aufspalten. Als Extra hat Intel seinem einzigen 975X-Mainboard D975XBK auch noch einen dritten PEG-Steckplatz spendiert, an dem allerdings nur vier Lanes anliegen: Wie beim Vorgänger D955XBK sind das vier der sechs PCIe-x1-Lanes der Southbridge ICH7R. Intel hat von ATI die CrossFire-Technik in Lizenz genommen; Nvidias SLI-Verfahren funktioniert offiziell nicht.
Harte Fakten
Die Datenblatt-Angabe von 130 Watt Thermal Design Power (TDP) für den Pentium Extreme Edition 955 flößt Respekt ein; und in der Tat schluckt unser Testsystem aus Prozessor und Mainboard mit einer GeForce-6600-GT-Karte an einem 600-Watt-Server-Netzteil auch satte 277 Watt unter Volllast.
Im Vergleich zum 90-nm-Vorgänger Pentium Extreme Edition 840 ist dieser enorm hohe Leistungsbedarf dennoch ein Fortschritt und zeigt das Potenzial der 65-nm-Technik: Auch der Vorgänger war mit 130 Watt TDP spezifiziert, schöpfte diesen Datenblattwert aber in der Praxis noch weiter aus (330 Watt im vergleichbaren Testsystem). Dabei läuft der Neuling um sechs Prozent schneller und hat 170 Millionen Transistoren mehr, nämlich 376 Millionen. Im unbelasteten „On-Idle“-Zustand unter Windows liegen die beiden Prozessoren mit etwa 150 Watt für unseren Testaufbau in etwa gleichauf; die Enhanced-SpeedStep-Stromsparfunktion beherrschen die Extrem-Doppelkerne nicht. Beim Einsatz eines Athlon 64 X2 4800+ (233 Millionen Transistoren, 2,4 GHz) gelingt der On-Idle-Betrieb mit 99 Watt, unter Volllast fallen „nur“ etwa 204 Watt an.
Beim Performance-Vergleich tappten wir in einige Stolperfallen. Im BAPCo SYSmark 2004 SE, der die Verarbeitungsgeschwindigkeit gängiger Windows-Software für Office, Bildbearbeitung, Web- und 3D-Gestaltung prüft, fiel der Pentium EE 955 im Teilbereich 3D Internet Content Creation stark ab. Dieser Benchmark-Wert beruht zu 95,5 Prozent auf Autodesk 3ds Max 5.1 und lief deutlich schneller mit abgeschaltetem Hyper-Threading, also nur auf den beiden „echten“ Kernen. Mit dieser (unzulässigen) Hand-Optimierung wäre das System auf 253 Punkte gekommen. Abgesehen davon ist heute bereits die Version 8 von 3ds Max aktuell - das zeigt, dass Benchmarks alleine zum Systemvergleich nicht ausreichen.
Außer Benchmarks geraten auch manche andere Anwendungen aus dem Tritt, wenn sie auf einem trendigen Doppelkern laufen: Microsoft hat bereits einen gravierenden Windows-XP-Bug bei der Lastverteilung der Aufgaben (Scheduling) auf CPU-Kerne eingestanden, wenn diese Kerne mit unterschiedlichen Taktfrequenzen laufen - aber genau das ist ja zwecks Stromsparen erwünscht. Auch der neueste Quake-4-Patch, der die Doppelkern-Nutzung möglich macht, bremst manche Systeme, statt sie zu beschleunigen.
Die beliebte Video-Transcoding-Software DivX ist in der neuesten Version ebenfalls multi-threaded. Der Anbieter schwärmt von Kompressionsgeschwindigkeiten von bis zu 150 Frames pro Sekunde, doch die sind nur unter bestimmten Bedingungen erreichbar: Angeblich nämlich im neuen High-Speed-Spezialmodus bei Single-Pass-Transcoding ohne weitere Filter in ein Format mit 720 x 304 Pixeln. Wir kamen dabei allerdings mit unserem Pentium EE 955 nur auf etwa 100 Bilder pro Sekunde, ein Athlon 64 X2 4800+ war fünf bis zehn Prozent schneller. Glänzen konnte der neue Intel-Prozessor indes bei der neuesten Beta-Version 3.7 des Raytracers POV-Ray: Den eingebauten Benchmark absolvierte er mit 689 Pixeln pro Sekunde (PPS), der Athlon 64 X2 4800+ brachte es nur auf 525 PPS.
Gimmicks
Das D975XBK-Mainboard funktionierte mit zwei ATI-Radeon-Grafikkarten (X850XT, X850) problemlos im CrossFire-Verbund, was höhere 3D-Leistung, aber auch viel Lärm lieferte. Im BIOS-Setup des Boards lässt sich die Vanderpool-Technology- (VT-)Funktion des Prozessors einschalten, eine Hardware-Unterstützung für virtuelle Maschinen ganz neuen Typs: Bisher ist nur Xen 3.0 in der Lage, damit umzugehen. Ebenfalls neu: Intels Quick-Resume-Technik, die in Verbindung mit dem Rollup 2 für Windows XP Media Center Edition 2005 den besonderen „Always-Ready“-Schnellstart-Modus freischaltet. Diese Funktionsvielfalt ist geradezu erschlagend, zeigt aber, wohin die Reise gehen soll: Mit immer neuen Gimmicks, die teilweise nur mit spezieller, erst zukünftig verfügbarer Software nutzbar werden, versuchen sich die Prozessorhersteller gegenseitig auszustechen. Das lässt sich als Indiz dafür werten, dass reine CPU-Rechenleistung offenbar im Überfluss vorhanden ist, zumindest genug für gängige PC-Applikationen.
Der Pentium Extreme Edition 955 wird wie seine Vorgänger, die ebenfalls zu Preisen um 1000 Euro in den Handel kamen, wohl ein Paradiesvogel bleiben. Die Hyper-Threading-Funktion und der schnellere FSB1066 bringen nur kleine Vorteile und mit unpassender Software sogar Nachteile im Vergleich zur gewöhnlichen, deutlich preiswerteren Dual-Core-Verwandtschaft. Der 65-Nanometer-Erstling beweist aber, dass die neue Fertigungstechnik Vorteile bringt.
Die Daseinsberechtigung der Extreme-Edition-Familie liegt einzig darin, den FX-Versionen des Athlon 64 Paroli zu bieten. Das gelingt nicht ganz, auch wenn Intels NetBurst-Kerne in einigen Benchmarks davonziehen. Aber AMD hat bereits das nächste Ass im Ärmel: Der Doppelkern FX-60 mit zweimal 2,6 GHz steht vor der Tür und dürfte den Abstand weiter vergrößern.
(ciw)